Naskandy, Tania: Feierläscher

Naskandy reloaded

d'Lëtzebuerger Land vom 22.07.2010

Neues Autorenfoto (hübsch!), radikal modifizierter Lebenslauf (wie sein Vorgänger eine Art poetologischer Wegweiser), aber beim Lesen als ganz die alte erkennbar: Feierläscher entpuppt sich schon nach wenigen Textzeilen als waschechter Naskandy.

Das Thema des Romans ergibt sich gewissermaßen aus Sibiresch Eisebunn, dem überaus erfolgreichen Erstlingswerk: Schon Leny Kramp war bei einer Vielzahl ihrer Arbeitgeber (und nicht zuletzt am eigenen Leib) einer zum sozialen Regelfall gewordenen und institutionell eher ge­förderten als unterbundenen, all­gemeinen Vereinsamung begegnet. Die chronische Einsamkeit vieler seiner Mitbürger wird zum Ausgangspunkt des Protagonisten im neuen Naskandy-Roman. Sie bildet den Anlass einer Geschäftsidee: Manou Mangen verkauft Trost, und zwar stundenweise, als Dienstleistung. Er besucht seine Kunden, hört ihnen zu, bestätigt sie in ihren Marotten und beteiligt sich widerspruchslos an ihren abstrusesten Unternehmungen. Frau Breier will nichts anderes, als ihm einmal wöchentlich eine Stunde lang die Hand auf den Kopf zu legen: Manou bleibt still sitzen. Herr Schammo schreibt wüste anonyme Briefe: Geduldig korrigiert Manou die Rechtschreibung. „Roullings Rob“, ein pensionierter Bauer, sucht den perfekten Friedhof (still, beschaulich, keine saure Erde – wegen der Kartoffeln, die aufs Grab gepflanzt werden sollen): Manou fährt auf dem Traktor mit bis nach Weiswampach.

Anders als in Sibiresch Eisebunn beginnt die soziale Fassade der Hauptfigur aber nicht erst allmählich zu bröckeln. Schon im ersten Abschnitt gibt Manou zu, als professioneller Tröster seinen Kunden etwas zu verkaufen, was es gar nicht gibt. Von Anfang an ist klar: Sein Trost entspringt keinem echten Mitgefühl. Umso bedenklicher also, wenn er angibt, nach einem Beruf gesucht zu haben, „wou ech mech dran erëmfanne géif“. Das Gegenteil davon wird der Fall sein: Schnell verliert er die Distanz zu seinen Kunden, lässt ihre Ticks und Knackse nicht spurlos an sich vorbeigehen und beginnt, im Gegenzug für seine Dienstleistungen mit authentischer Sympathie zu rechnen. Dabei wird er sich zunehmend seiner eigenen Einsamkeit bewusst. Der Versuch, einen zwischenmenschlichen Ausgleich dafür zu finden, lässt ihn schließlich schier verrückt werden.

Mit Feierläscher festigt sich der naskandysche Stil: lapidare Sätze, pointierte Dialoge, episodische Erzählweise. Wie in Sibiresch Eisebunn spiegelt sich die Thematik des Romans in der Sprache: Wo dort die unzureichende Ersetzung des zwischenmenschlichen Miteinanders durch institutionalisierte Abläufe mit zahlreichen Euphemismen sprachlich wiedergegeben wurde, findet hier die allgemeine Unfähigkeit der Figuren, echte Gefühle mitzuteilen, ihren Niederschlag in der Drastik, in einer Verrohung der sprachlichen Ausdrucksformen. Sich verliebt zu haben, sagt man etwa so: „Mir sinn ee Kapp an een Aasch.“

Die meisten Figuren finden nicht aus ihrer Vereinsamung heraus. In den Anekdoten aus Manous Arbeits­alltag häufen sich die Beispiele für verkorkste Kommunikationsmuster und fehlgeleitete Empathie: Frau Allinger fühlt sich verfolgt, weil sich niemand um sie kümmert, Herr Di Domenico kann aus lauter Mitleid mit den Pflanzen nichts mehr essen, Sybille ersetzt ihre Sehnsucht nach jemandem, mit dem sie reden kann, durch die Forderung nach sinnfreien Diskussionen.

Es liegt sozusagen in der Logik des Romans, dass die Schicksale der Figuren, die sich ja durch ihre Einsamkeit und Isolation auszeichnen, auf der Erzählebene kaum miteinander verknüpft werden. In Feierläscher kann es keine Luca-Figur geben, an der man einen Spannungsbogen nachzeichnen könnte, und es kann auch keine Vergangenheitsbewältigung geben, wo jemand stets in ereignisloser Gleichförmigkeit allein vor sich hin gelebt hat. Der episodische Stil, der immer wieder mit neuen Figuren und Anekdoten aufwartet um sie meist schnell wieder fallen zu lassen, täuscht selten darüber hinweg, dass man über die Hauptfigur so gut wie nichts erfährt. Ein Sympathieträger wie Leny Kramp kann Manou Mangen daher kaum sein.

Man könnte monieren, dass zum Zweck besserer Lesbarkeit des Romans Passagen hätten eingefügt werden sollen, die Manou in seiner eigenen Einsamkeit gezeigt hätten: nach der Arbeit zu Hause, unterwegs im Auto, bei Mahlzeiten, abends, nachts. In gewissem Sinn wäre aber auch das gegen die Logik des Romans. Die einsame Figur wird vom Leser isoliert und vom Autor alleingelassen.

Es empfiehlt sich allerdings, ein abschließendes Urteil über diesen zweiten Naskandy-Roman auszusetzen. Im November soll unter dem Titel Am Bësch der dritte Roman aus der Feder von Guy Rewenigs weiblichem Alter Ego erscheinen. Womöglich wird erst die vollständige Trilogie die ganze Tragweite des literarischen Projekts „Tania Naskandy“ aufzeigen.

Tania Naskandy (Guy Rewenig): Feierläscher. Ultimomondo 52, Juli 2010; 95 Seiten, 19 Euro; ISBN 978-2-919933-62-4.
Elise Schmit
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