Als Wohnungsbauminister Marc Hansen (DP) sich am Dienstag in der Sitzung der Abgeordnetenkammer fragen lassen musste, wie es um den Fonds du Logement steht, gab er entschlossene Antworten. So, wie sich das gehört für einen Minister, der sein Ressort überblickt und im Griff hat. Die Fragesteller von LSAP und CSV waren damit zufrieden, vielleicht auch, weil er so entschlossen auftrat. Als Hochschul- und Forschungsminister tritt Marc Hansen ebenfalls stets entschlossen auf. Als Ende März an der Universität eine Führungskrise, die schon länger geschwelt hatte, publik wurde, war er nur Tage später mit einer Pressekonferenz zur Stelle. Entschlossen legte er dar, wie er über ein neues Universitätsgesetz der Uni zu mehr „Autonomie“ und „Demokratie“ verhelfen werde.
Vor diesem Hintergrund ist es zu verstehen, dass Marc Hansen schon seit ein paar Wochen nervöser geworden ist wegen seiner Uni-Gesetzesreform. Dass sich vergangene Woche der Verband der Professoren der Uni, die Apul, eine sehr kritische Stellungnahme des Verfassungsrechts-Professors Luc Heuschling zum Gesetzentwurf zu eigen machte, war nur der letzte Punkt in einer Reihe von Ereignissen. Schon vor zwei Wochen hatte der Minister die LSAP-Fraktion besucht. Einige ihrer Mitglieder halten den Uni-Gesetzentwurf für ähnlich problematisch wie Luc Heuschling. Und finden, mit der Koalitionsdisziplin könne ruhig Schluss sein; wenn schon der grüne Nachhaltigkeitsminister und der LSAP-Wirtschaftsminister öffentlich nicht mehr derselben Meinung zum Wachstum sind, sei es Zeit, Profil zu zeigen. Wieso nicht zur Uni.
Diese Positionen in der LSAP sind auch vom Syndikat Erziehung und Wissenschaft des OGBL inspiriert. Das SEW hatte schon im Frühjahr, als die Uni in der Krise war und ihr Conseil de gouvernance eine Unternehmensberaterin für ein halbes Jahr zum „Chief Transition Officer“ berief, eine öffentliche Grundsatzdebatte zur Uni gefordert. Am 20. Oktober traf das SEW Marc Hansen. Und erklärte ihm dort, wie es anschließend in einer Pressemitteilung hieß, „le fait que les représentants élus de la communauté universitaire n’aient aucun pouvoir de décision réel sur les grandes orientations de la politique universitaire n’est pas seulement contraires aux traditions académiques de l’Europe continentale, mais a également contribué à la situation de crise qui s’est cristallisée en avril 2017“. Letzteres kann das SEW wissen, weil es die einzige an der Uni aktive Gewerkschaft ist und nicht nur Forscher und nicht-akademisches Personal zu seinen Mitgliedern zählt, sondern auch Professoren. Dass die Regierung nichts aus der Krise gelernt habe, findet auch Luc Heuschling. Sonsten würde sie erlauben, „Gegengewichte“ zur Zentralverwaltung einzuführen.
Es ist gar nicht einfach, die Tragweite des Reform-Gesetzentwurfs zu verstehen. Luc Heuschling sagt, werde er Gesetz, stärke das keineswegs die innerbetriebliche Demokratie an der Universität, sondern führe zu einer „radikal neuen Machtkonzentration“ (d’Land, 24.11.2017). Zusammengefasst ließe sie sich so beschreiben: Der Rektor der Uni wäre künftig eine Art CEO. Ein kollegial geführtes Rektorat soll es nicht mehr geben – weil die Post besser funktioniere, seit sie nicht mehr kollegial geleitet wird, verrät der Gesetzentwurf. Neu wäre auch, dass sämtliche Vizerektoren aus dem Ausland kommen können. Im aktuellen Uni-Gesetz ist das explizit ausgeschlossen. Damit könnte, wie Luc Heuschling hervorhebt, ein neuer Rektor seinen ganzen Vize-Stab mitbringen, der gewohnt wäre, ihm unterstellt zu sein.
Der Universitätsrat, ein Gremium aus gewählten Uni-Mitgliedern bis hin zu Studenten, würde zwar aufgewertet. Denn der Rektor soll nicht mehr dessen Präsident sein, der Universitätsrat seinen Präsidenten selber wählen. Weder Rektor, noch Vizerektoren, noch die Dekane der drei Fakultäten und die Direktoren der drei Interdisziplinären Forschungszentren der Uni wären stimmberechtigte Mitglieder. Aber: Mehr als eine beratende Rolle soll der Universitätsrat auch künftig nicht spielen. Ein Gegengewicht wäre das nicht, findet der Professorenverband.
Mehr Mitsprachemöglichkeiten bestehen derzeit an den Fakultäten der Uni. Deren Leiter, die Dekane, werden von den Professoren der Fakultäten vorgeschlagen und vom Rektorat ernannt. Außerdem treffen Fakultätsräte aus gewählten Vertretern der Fakultäten kollegial Entscheidungen über Lehre und Forschung. Der Gesetzentwurf dagegen sieht vor, dass die Dekane künftig vom Rektor ausgesucht und vom Conseil de gouvernance der Uni ernannt werden. Von den Fakultätsräten ist in dem Text keine Rede mehr. Angedeutet wird, sie seien ein Hindernis für rasche und effiziente Entscheidungen. Dagegen soll der Conseil de gouvernance der Uni Zuständigkeiten erhalten, die heute beim Minister liegen. Und während heute ein neuer Rektor vom Conseil de gouvernance dem Regierungsrat vorgeschlagen wird und der die Kandidatur bestätigt und an den Großherzog weitergibt, soll künftig der Conseil den Rektor ernennen und entlassen, wie auch alle anderen Leute auf Spitzenposten an der Uni.
Die Uni erhielte damit eine Führungsstruktur ähnlich einer Firma. Die Professoren regt das auf, weil eigentlich sie es sind, die am besten wissen, wie sie lehren und forschen sollen: Deshalb sind sie Universitätsprofessoren. Deshalb sind Universitäten in erster Linie dazu da, das Wissen der Menschheit zu mehren und dabei neue Akademiker auszubilden. Auch das – private und auf Technik orientierte – Massachusetts Institute of Technology versteht seine Mission „to advance knowledge and educate students in science, technology, and other areas of scholarship that will best serve the nation and the world in the 21st century“. Das M.I.T. ist eine jener angelsächsischen Universitäten, in denen einem Board Strategieentscheidungen und deren Aufsicht obliegen wie dem Conseil de gouvernance der Uni Luxemburg. Mit dem Unterschied, dass am M.I.T. Wert darauf gelegt wird, Alumni in den Board zu berufen. Im Conseil de gouvernance dagegen muss die Mehrheit der Mitglieder mit Stimmrecht zwar aus Vertretern der universitären Welt bestehen, aber alle kommen aus dem Ausland und müssen zwangsläufig nicht die Verhältnisse hierzulande kennen.
Der Hochschulminister hat mittlerweile signalisiert, „die eine oder andere Änderung“ am Gesetzentwurf sei möglich. Das erklärte er dem Jeudi diese Woche. Grundsätzlich in Frage stellen will er die Grundlage der Uni aber nicht: Was 14 Jahre funktioniert und der Uni zu vorzeigbaren Resultaten verholfen habe, könne nicht schlecht sein. Aber während der Minister zum Beispiel findet, der Universitätsrat erhielte auch mehr Gewicht, wenn er beratend bliebe, denn es sei kaum vorstellbar, dass ein Rektor Stellungnahmen des Rates ignorieren könne, ohne seine eigene Position zu schwächen, will die Professorenvereinigung eine Mitsprache, die mehr wäre als Beratung und Stellungnahme, im Gesetz verankert haben. Desgleichen die Fakultätsräte: Marc Hansen findet, dass sie nicht mehr im Gesetz stehen, verhindere nicht, sie doch zu bilden. Dass sehen die Professoren anders.
Ob die LSAP womöglich dafür sorgen könnte, dass die Uni ein ganz anderes Gesetz erhält, bleibt abzuwarten. Noch stehen die Wahlen nicht gerade vor der Tür, und vielleicht brauchen die Sozialisten bis dahin die Unterstützung der DP in einer anderen Angelegenheit. Was mit dem Uni-Gesetz auf dem Spiel steht, ist der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln, so dass es sich elektoral kaum auszahlt. Und so viele Wahlberechtigte, dass es sich lohnt, für sie die Koalitionsdisziplin zu brechen, gibt es an der sehr internationalen Universität nicht.
Wie das Uni-Gesetz ausfällt, dürfte wesentlich davon abhängen, wie weit die Professorenorganisation zu gehen bereit ist. Die Regierung schreibt im Motivenbericht zum Gesetzentwurf, mehr Effizienz an der Uni seien nötig, um die „Wissensgesellschaft“ aufzubauen, die Verpflichtungen Luxemburgs im Programm Europe 2020 der EU zu erfüllen, die Wirtschaft zu diversifizieren und statt Souveränitätsnischen Kompetenznischen aufzubauen. Doch es ist nicht so, dass alle Betriebe, die keine Unternehmen sind, derzeit durch Rechtsakte in straff geführte Organisationen umgewandelt werden, weil die liberale Regierung der Meinung wäre, das passe in die Zeit. Es ist interessant, den Universitätsgesetzentwurf mit dem Entwurf zum neuen Krankenhausgesetz zu vergleichen: Spitäler sind zwar keine Lehr- und Forschungseinrichtungen, jedenfalls nicht in erster Linie, aber den Patienten steht laut Gesetz eine Behandlung nach den „acquis de la science“ zu und jeder von ihnen würde vermutlich zustimmen, dass Krankenhäuser besser nicht funktionieren sollten wie Unternehmen; man kann ja nie wissen.
Bemerkenswerterweise werden über das neue Krankenhausgesetz, dessen Entwurf so gut wie abstimmungsreif ist, die Ärzte wesentlich mehr Mitsprache in den Spitälern erhalten. Sie reicht so weit, dass die Ärzteräte der Spitäler sogar zur Ernennung des Medizinischen Direktors des Hauses künftig nicht nur mitreden können. Sie können sich mit einem Avis renforcé sogar gegen einen Kandidaten aussprechen – worauf eine langwierige Schlichtung über das Gesundheitsministerium fällig würde. Wohlgemerkt ist der Medizinische Direktor der Vorgesetzte der Ärzte.
Noch bemerkenswerter ist, dass ein Vertreter des Medizinerrats Stimmrecht in jedem Klinik-Verwaltungsrat erhalten wird. Und zwar auch, wenn die Klinik – und das trifft auf die allermeisten zu – Freiberufler als Belegärzte beschäftigt. In dem Fall würde ein Subunternehmer zum Ko-Patron eines anderen Betriebs, des Spitals. Und er würde durch die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat zum Vorgesetzten des Generaldirektors des Krankenhauses.
Weil im Gegensatz dazu im Conseil de gouvernance der Universität selbst der Rektor nur „Beobachter“ sein soll, geschweige dass ein Gastdozent stimmberechtigtes Mitglied werden könnte, fragt sich, wieso die Politik den milieux savants in den Kliniken stärker entgegenkommt als den Wissenschaftler der Uni. Die Ärzte genießen auf jeden Fall einen traditionell hohen Status in der Luxemburger Gesellschaft. Der von Akademikern dagegen steht noch längst nicht fest. Und die Erfahrung lehrt, dass schon eine Drohung des Ärzteverbands mit „Aktionen“ ausreicht, um die Politik zum Einlenken zu bewegen.
Interessanterweise war es der Staatsrat, der vor einem Jahr anregte, die Ärzte in die Verwaltungsräte der Spitäler aufzunehmen. Zum Krankenhausgesetz schrieb er ein Gutachten, das viel weiter reichte als die Auseinandersetzung mit eventuellen Rechtskonflikten. Zum Universitätsgesetz dagegen hielt der Staatsrat sich auffällig zurück. In seinem am Dienstag verabschiedeten Avis verhängte er zwar ein paar formelle Einwände, aber die betreffen nur Details. Die politischen Weichenstellungen des Hochschulministers nahm der Staatsrat kommentarlos zur Kenntnis.
Das geschah natürlich auch, um nicht in eine Auseinandersetzung mit Verfassungsrechtler Heuschling zu geraten. Und mit anderen Rechtsgelehrten, denn der Vorstoß des Professorenverbands der Uni ist in weiten Teilen einer von Juristen. Das Staatsratsgutachten lässt aber auch dem Minister Spielraum für politische Konzessionen. Dass sie weit reichen werden, ist nicht gesagt. Da die meisten Zugeständnisse erzielt, wer am wirkungsvollsten droht, steckt in dem Konflikt um das Uni-Gesetz auch einer um die Selbstwerdung der Akademiker in einem Land, das diesen gegenüber traditionell misstrauisch eingestellt ist.