Villa des Roses

Betört, verführt, verraten ...

d'Lëtzebuerger Land vom 21.11.2002

Villa des Roses ist ein stimmungsvoller Film, gut inszeniert, mit schönen Bildern, überzeugenden Schauspielern - viel Potenzial also. Dennoch ist es kein guter Film. Das liegt in erster Linie an der literarischen Vorlage von Willem Elsschot (dem ein amerikanischer Kritiker gerade einmal Fernsehspielqualitäten zubilligte). Villa des Roses erzählt die Geschichte der jungen Louise (Julie Delpy) und des Lebenskünstlers Grünewald (Shaun Dingwall) mit den üblichen Stereotypen. Im Europa des beginnenden 20. Jahrhunderts, im ausklingenden Fin de Siècle, dessen sinnlichem, leichtlebigen Kitsch der Erste Weltkrieg ein jähes Ende gesetzt hat, werden die (Dienst)mädchen von den Männern als Zeitvertreib betrachtet und müssen allein die Konsequenzen ausbaden, wenn sie schwanger werden.

In der Familienpension Villa des Roses verführt der deutsche Maler die französische Witwe. Sie hat die französische Provinz hinter sich gelassen hat, um als Dienstmädchen in der sündenschwangeren Metropole Paris Geld zu verdienen. Louise lässt sich von Grünewald in die Romanze hineinziehen, als er ihr Versprechungen ewiger Liebe macht. Doch schon bald hält der junge, aufstrebende Mann die Beziehung zu Louise nicht mehr aus. Sie steht ihm im Weg. Er will mehr erreichen, als nur ein Schaufensterdekorateur zu sein, der es zu einem Dienstmädchen gebracht hat. Grünewald hofft immer noch auf seine reiche Witwe.

Als die dann in Gestalt einer jungen und recht hübschen Amerikanerin auftaucht, hat Louise bereits einsam und unter quälenden Schmerzen eine Abtreibung hinter sich gebracht. Grünewald scheint unbeteiligt. Und doch - so belehrt uns der Film eines Besseren - liebt er nur Louise. Nur, es kann halt nicht zusammenkommen, was nicht zusammen passt. Hier die Französin und Dienerin, da der Deutsche aus gutbürgerlicher Familie mit Ambitionen. Da muss Louise still leiden und ertragen, was das Schicksal für sie bereithält.

Das zu zeigen, wäre noch ein richtiges Anliegen, durchaus akzeptabel, ja sogar wünschenswert. Doch leider, leider - Van Passel stolpert Hals über Kopf in die Kitschfalle. Statt ein nüchtern-amüsantes Sittenbild zu malen, rettet er die Ehre des ehrlosen Malers (tja, die Künstler!) dort, wo es am rührendsten ist: auf dem Schlachtfeld.

Dort hat der Film auch begonnen, man sieht graue, fast steinerne Gestalten mit Gasmasken. Langsam mischt sich ins Schwarzweiß der Szenerie ein leichter Anflug von Farbe, als der Soldat, der später Grünewald sein wird, sich die Maske vom Kopf zieht, an einer vertrockneten Rose riecht und verzückt in das Porträt einer blonden Schönheit (Louise) versinkt. Das letzte Bild zeigt Grünewald wiederum im Schlachtfeld. Hier, in der Vorhölle der Grausamkeiten, entdeckt er den wahren Wert des Lebens - die Liebe. Überwältigt stolpert er über den offenen Acker fort vom Kriegsgeschehen, der Liebenden entgegen. Ach, wie schön!

Und somit wird aus einem Streifen, der sich in der ersten Hälfte durchaus interessant anlässt, doch nur ein banales Rührstück in historischen Kulissen. Schade, denn Van Passel verspielt ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten. So geht er viel zu wenig auf all die skurrilen Persönlichkeiten ein, die in der verfallenen, den alten Glanz je-doch noch verströmenden Villa wohnen. Und auch die Dialoge, die einen beeindruckend trockenen Humor pflegen - so heißt es über einen nicht sehr gesprächigen Selbstmörder, des-sen Abschiedsbrief man liest: "He writes a lot better than he talked" - verflachen zum Schluss. Dann geht auch diese Qualität im Seifenschaum der tragischen Gefühle unter.

Villa des Roses, eine Koproduktion der Luxemburger Firma Samsa, hat beim Hollywood Film Festival den Preis für den besten Spielfilm bekommen. Und auch für die British Independent Film Awards ist er dreimal nominiert worden. Wahrscheinlich für eine gewisse Raffinesse in der Umsetzung des Stoffs. Für die Story bestimmt nicht. Und die ist bei einer "Literatur"-verfilmung immer noch das Wichtigste.

 

Jutta Hopfgartner
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