In ihrem Wahlprogramm bietet déi Lénk längerfristige Perspektiven für den gesellschaftlichen Fortschritt an.
Solange sie nicht an parlamentarischer Stärke gewinnt, wird es aber wieder nur als Blaupause für andere Parteien dienen

„De sombres nuages planent sur notre monde“

Marc Baum und Carole Thoma beim Kongress Ende März im Casino Syndical
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 21.07.2023

G-W-G Die Rue Philippe II ist die Luxusmeile in der Oberstadt. Dior, Chanel, Louis Vuitton und Gucci betreiben hier ihre Edelboutiquen. In einem sechsstöckigen Gebäude schräg gegenüber vom Schuhladen des französischen Designers Christian Louboutin, wo man ein Paar Turnschuhe für ein Viertel bis ein Drittel des unqualifizierten Mindestlohns erwerben kann, hat die Abgeordnetenkammer Räume für die Sensibilité politique von Déi Lénk angemietet. Vergangene Woche stellte die antikapitalistische Partei dort ihr Programm für die Kammerwahlen vor. Es wurde nicht auf einem öffentlichen Kongress, sondern auf einer internen Mitgliederversammlung (in einer erweiterten Sitzung der Nationalkoordination) verabschiedet. Der frühere Abgeordnete David Wagner, Mitglied des Koordinationsbüros, begründet diese Entscheidung am Dienstag im Gespräch mit dem Land damit, dass man auch Mitgliedern, die sich in Anwesenheit der Presse unwohl fühlen, die Möglichkeit habe geben wollen, ihren Standpunkt darzulegen. Der Vorsitzende des Koordinationsbüros, Marc Baum, hatte bereits vergangene Woche erklärt, dass andere Parteien zwar Kongresse veranstalten, dort aber nur noch in den seltensten Fällen über Inhalte diskutiert werde. Déi Lénk will nicht länger die einzige Partei sein, die der Öffentlichkeit noch Einblicke in interne Debatten und die Ausarbeitung ihrer Programmatik gewährt.

Im Vorwort zum Wahlprogramm zeichnet André Hoffmann, einer der Väter und Vordenker der luxemburgischen Linken, ein düsteres Bild der Gesellschaft. Wie das Patronat gewöhnlich vor der Tripartite, spricht er von „sombres nuages“, die aufziehen, nicht (alleine) über der Wirtschaft, sondern über der gesamten Welt: Steigende Ungleichheiten, Zerstörung der natürlichen Umwelt und Klimaveränderung, Krieg in der Ukraine, gefährliche Wiederaufrüstung. Als Ursache macht die Linke die Logik der kapitalistischen Akkumulation aus: Wachstum um jeden Preis. In den Wassergräben der Festung Europa ertrinken viele von denen, die vor den Folgen von Armut, Krieg und Klimaveränderung flüchten müssen. Auf nationaler Ebene machen der Linken vor allem die steigende Anzahl an Working Poor, die Wohnungsnot und das Schulsystem Sorgen, das die sozialen Ungleichheiten nicht verringern könne. Diese Lage müsse eigentlich zu einem allgemeinen Aufschrei führen, doch der bleibe bislang aus, stellt der frühere Abgeordnete und ehemalige Schöffe der Stadt Esch fest. Stattdessen flüchteten sich „des citoyens assommés ou engourdis par la propagande néolibérale“ in Resignation, unterstützen „de faux protestataires“ oder neue Formen des autoritären Nationalismus. „Il nous faut nous réveiller“, mahnt die Linke, oder poetischer mit einer Referenz an den 1918 verstorbenen Dichter Guillaume Apollinaire: „À rallumer les étoiles, nous avons tout à gagner“.

„Alles ze gewannen“, lautet auch der Slogan für die Wahlkampagne, der wiederum eine Reminiszenz an das Manifest der Kommunistischen Partei von 1848 ist. Die „Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse“ durch eine Arbeiterrevolution, wie Karl Marx und Friedrich Engels sie wollten, strebt die aus der eurokommunistischen Bewegung und vor 24 Jahren aus einer Abspaltung von der KPL hervorgegangene Linke nicht an. Stattdessen soll das kapitalistische System mit Reformen innerhalb der parlamentarischen Demokratie überwunden werden, um den Weg in eine gerechte Gesellschaft zu ebnen.

Das Programm für die Kammerwahlen am 8. Oktober legt den Fokus traditionell auf Arbeit und Soziales, Wohnungsbau und Bildung. Schon 2018 hatte die Partei den Klima- und Umweltschutz stärker in den Vordergrund gerückt, im April 2022 hat sie ihre ökosozialistische Ausrichtung auf einem Kongress noch einmal bekräftigt. Insgesamt unterscheidet sich das aktuelle Programm nur geringfügig von dem, das die Linke vor fünf Jahren erstellte. Der Aufbau ist sehr ähnlich, die Textlänge ebenfalls, lediglich die Kapitel zur Familie sowie zum Öffentlichen Dienst und Gemeingüter wurden gestrichen beziehungsweise in andere Abschnitte integriert, das Kapitel Finanzen wurde in Fiskalität umbenannt, die Präsentationsform überarbeitet und verfeinert.

Vollbeschäftigung Neu sei vor allem die Forderung nach einer „Job-Garantie“, sagt Co-Sprecherin Carole Thoma am Dienstag dem Land. Gleich zu Beginn ihres Programms verspricht die Linke „l’emploi pour tous et pour toutes“ – das Recht auf eine qualitative Ausbildung oder einen unbefristeten Arbeitsvertrag für sämtliche Einwohner/innen über 16 Jahre, die seit mindestens zwei Jahren in Luxemburg wohnen. Eine zentrale Rolle kommt dabei der zu reformierenden Arbeitsagentur Adem zu, die Vollbeschäftigung über ein alternatives Wirtschaftsmodell herstellen soll. Dieses soll Arbeitsstellen mit einem hohen sozialen und ökologischen Mehrwert hervorbringen. Menschen, die nach Ablauf ihres Rechts auf Arbeitslosigkeit keine Anstellung gefunden haben, sollen eine indemnité d’attente in Höhe des qualifizierten oder unqualifizierten Mindestlohns erhalten. Der soll unverzüglich um 300 Euro erhöht werden, um 60 Prozent des Medianeinkommens zu erreichen, wie der europäische Gewerkschaftsbund und die Mindestlohnrichtlinie der EU es fordern. Um Lohn-ungleichheiten zu beseitigen, soll in Unternehmen mit über 250 Beschäftigten eine Obergrenze für hohe Einkommen eingeführt werden. Der höchste Lohn darf acht Mal höher sein als der niedrigste. In Unternehmen, die Arbeitnehmer/innen den unqualifizierten Mindestlohn zahlen, läge die Lohnobergrenze demnach bei rund 20 000 Euro monatlich. Den Anteil an (sektoriellen) Tarifverträgen will die Linke, wie der OGBL, durch eine Gesetzesreform erhöhen; die Regelung, dass unqualifizierte Mindestlohnbezieher nach zehn Jahren Berufserfahrung den qualifizierten Mindestlohn erhalten, soll wiederhergestellt werden. Darüber hinaus soll die Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden reduziert und eine sechste Urlaubswoche eingeführt werden.

Den Finanzplatz will die Linke nicht abschaffen, sondern aus Finanzaktivitäten durch Steuerflucht und „anderen schädlichen und risikobehafteten Praktiken“ progressiv aussteigen. Die Finanzindustrie soll umsteigen auf „richtig nachhaltige“ Fonds, die etwa Arbeitsrechte, faire Lieferketten und Umweltkrite-rien respektieren, sagt Ko-Parteisprecher Gary Diderich. Auch am Stahlstandort will die Partei festhalten, ihn auf Wasserstoff umstellen und Arcelor-Mittal Windräder und Schienen produzieren lassen. Auf großen Grundstücken will sie statt Joghurtfabriken arbeitsintensive Industriebetriebe mit ökologischer Ausrichtung ansiedeln und die Subventionspolitik in der Landwirtschaft dahingehend ändern, dass Bio-Lebensmittel und pflanzliche Ernährung stärker gefördert werden als konventionelle und tierische Produkte. Die Linke ist überzeugt davon, dass dieses alternative Wirtschaftsmodell funktionieren wird, denn um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müsse die Weltwirtschaft grundlegend umgebaut werden, erläutert Diderich.

Wenn es Luxemburg gelinge, sich in diesem Bereich als hochspezialisierte Wirtschaftsmacht zu etablieren, könnten die hohen Ausgaben für den Sozialstaat gedeckt werden, den Déi Lénk weiter ausbauen will, behauptet Diderich. Für zusätzliche Einnahmen soll auch die Steuerpolitik sorgen: Die Abschaffung der Steuerklassen soll durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 50 Prozent, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Einführung der Erbschaftssteuer in direkter Linie (ab einem Betrag von 1,5 Millionen Euro) und die Abschaffung der Steuerbefreiung auf Dividenden kompensiert werden.

Um die Energietransition zu beschleunigen, sollen die öffentlichen Investitionen „considérablement“ erhöht und der Tanktourismus – progressiv – abgeschafft werden. Gleichzeitig sollen Familienzulagen aufgebessert, der Zugang zum Elternurlaub vereinfacht, die legale Referenzperiode für Krankschreibung erweitert werden. Um diese Änderungen zu finanzieren, schlägt die Linke vor, die Obergrenze für Sozialbeiträge abzuschaffen. Das Rentenalter soll wieder auf 60 Jahre gesenkt, die Mindestrente erhöht und die Altenheime von Staat und Gemeinden betrieben werden, damit auch die Preise besser reguliert werden können. Das Gesundheitssystem soll vollständig in die öffentliche Hand überführt werden, Krankenhäuser sollen zu öffentlichen Einrichtungen werden, die Ärzte als gut bezahlte Beschäftigte einstellen. Dezentrale öffentliche Strukturen sollen in sämtlichen Landesteilen und maisons de santé pluri-professionelles in Gemeinden und Stadtvierteln mit über 1 000 Einwohner/innen eröffnen.

Notprogramm Die Wohnungsnot, die untrennbar mit der sozialen Frage zusammenhängt, wolle die Linke mit einem Notprogramm lösen, das umfangreiche staatliche Mittel für den Aufkauf von Vefa (ventes en l’état futur d’achèvement), für die Unterstützung von Gemeinden beim Bau von erschwinglichen Wohnungen sowie der öffentlichen und gemeinnützigen Bauträger vorsieht, legte Gary Diderich am vergangenen Donnerstag dar. Diderich ist nicht nur Wohnungsbauexperte der Linken, sondern auch Präsident der kommunalen Mietkommission in Differdingen, Mitbegründer des Mieterschutzbundes sowie des WG-Projet der Life asbl., eine mit dem Wohnungsbauministerium konventionierte gemeinnützige Initiative, die Häuser anmietet, sie mit der Unterstützung von Gemeinden in Wohngemeinschaften transformiert und sie nach dem Prinzip der gestion locative sociale vermietet. Gemeinsam mit der Linke-Kandidatin im Zentrum, Nathalie Reuland, verwaltet Diderich die Life asbl., seit über einem Jahr ist er ebenfalls Kassenwart. Neben dem Notprogramm will die Linke eine Universalgarantie für Mieten über den Weg einer Solidaritätskasse einführen, die nicht-bezahlte Mieten deckt. Gespeist werden soll sie vom Staat, von Vermietern, Banken und durch Mietkautionen. Eine ähnliche Struktur will sie für Haushalte schaffen, die wegen der gestiegenen Zinsen ihr Darlehen nicht mehr zurückbezahlen können.

Bei der Transformation der Gesellschaft spielt Bildung eine wichtige Rolle. Um die sozialen Ungleichheiten im Bildungssystem zu verringern, setzt die Linke sich für eine Gesamtschule ein und will die emanzipatorische Rolle der Schule stärken, etwa durch die Einführung von Kursen in praktischer Philosophie sowie einer historischen und soziologischen Grundausbildung, die einen kritischen Blick auf die Kolonialgeschichte wirft und über die Bedeutung von sozialen Bewegungen aufklärt.

Vielleicht könnte eine solche Grundausbildung dazu beitragen, dass kommende Generationen sich nicht zu resignierten „citoyens assommés ou engourdis par la propagande néolibérale“ entwickeln und das Aufkommen von „falschen Protestbewegungen und neuen Formen des autoritären Nationalismus“ etwas zu mindern. Bei den Gemeindewahlen im Juni hat die Linke vor allem Listenstimmen verloren. In ihren „Hochburgen“ Esch/Alzette, Sanem und in der Stadt Luxemburg hat sie jeweils einen ihrer beiden Sitze abgeben müssen, in Differdingen und Düdelingen blieb sie auf niedrigem Niveau stabil, lediglich in Schifflingen hat sie ein Mandat gewonnen. In seiner Wahlanalyse spricht der Escher Gemeinderat und Ko-Spitzenkandidat im Süden, Marc Baum, von einem allgemeinen Trend gegen die politische Linke, da auch Grüne, LSAP und KPL verloren haben, sowie vom vote utile der linken Stammwählerschaft, die etwa in Esch und Differdingen panaschierten, statt die linke Liste zu wählen, um die LSAP zu stärken und damit CSV und DP zu verhindern. Einen weiteren Grund sehen sowohl Marc Baum als auch die Abgeordnete Myriam Cecchetti in der fehlenden Sichtbarkeit während der heißen Wahlkampfphase: Im Vergleich zu anderen Parteien habe Déi Lénk weitaus weniger Plakate aufgehängt. Zwar sei es vielen Mitgliedern rechtzeitig aufgefallen, doch die Parteileitung habe nicht reagiert, bemängelt Myriam Cecchetti.

Trotz der für sie schmerzhaften Verluste bei den Gemeindewahlen, sind die Ambitionen innerhalb der Linken, politische Verantwortung zu übernehmen, weiter vorhanden. Ihre Partei sehe sich als Gegengewicht zu CSV und DP, sagte Carole Thoma vor zwei Wochen im Radio 100,7 und schloss implizit eine (stimmenzahlmäßig unwahrscheinliche) Koalition mit LSAP und Grünen nicht aus. Tatsächlich ist ihr Programm weniger „revolutionär“ als es den Anschein haben mag, wenn etwa die grüne Spitzenkandidatin Sam Tanson oder die sozialistische Spitzenkandidatin Paulette Lenert gemäß der „Hufeisen-Theorie“ in Interviews behaupten, ihre Positionen seien „extrem“ und eine Koalition mit ihr – wie mit der rechtsradikalen ADR – von vornherein ausschließen. Vielleicht ist diese Ablehnung auf ihre im Wahlprogramm erneut geäußerte Forderung nach der Auflösung der Nato und nach Demilitarisierung zurückzuführen. Sie zeigt aber gleichzeitig, wie sehr die Linke immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen hat und das „Gespenst des Kommunismus“ nach wie vor in den Köpfen (klein-)bürgerlicher Politiker/innen spukt.

Spitzenkandidat/innen hat auch die Linke, insgesamt sind es acht: Vier im Süden und jeweils zwei im Zentrum und Osten. Die Liste für den Nordbezirk wurde erst gestern Nachmittag veröffentlicht, sie kommt ohne Spitzenkandidat/innen aus. Die Abgeordnete Nathalie Oberweis wird nicht mehr antreten, obwohl sie bei den Gemeindewahlen Erstgewählte in der Stadt Luxemburg war. Myriam Cecchetti konnte die Parteileitung zwar noch zu einer Kandidatur im Süden überreden, jedoch nicht mehr als Spitzenkandidatin. Oberweis und Cecchetti waren während der Corona-Pandemie im Mai 2021 gemäß dem Rotationsprinzip für Marc Baum und David Wagner in die Kammer nachgerückt und fühlten sich damit überfordert, die parlamentarische Arbeit und ihr Familienleben miteinander in Einklang zu bringen. Das führte zu internen Spannungen zwischen ihnen und einigen parlamentarischen Mitarbeiter/innen. Statt Myriam Cecchetti wird nun die frühere Escher Gemeinderätin und attachée parlementaire, Line Wies, neben Marc Baum und den Ko-Sprecher/innen Carole Thoma und Gary Diderich Spitzenkandidatin im Südbezirk. Im Zentrum wird die frühere hauptstädtische Gemeinderätin Ana Correia da Veiga (40) zusammen mit David Wagner die Liste anführen.

Materialschlacht Im nationalen Wahlkampf will Déi Lénk nun wesentlich mehr in Plakate investieren als noch vor den Gemeindewahlen. Myriam Cecchetti, die am 11. Juni wieder in den Sanemer Gemeinderat gewählt wurde, plädiert dafür, ab September stärker auf Köpfe zu setzen. Die Inhalte seien durchaus vorhanden, man müsse sie halt nur mit kurzen und prägnanten Botschaften „un d‘Leit“ bringen. Auch Marc Baum spricht sich dafür aus, die Spitzenkandidat/innen als Träger/innen von Inhalten stärker in den Vordergrund zu rücken, wie die anderen Parteien es längst tun. Gary Diderich hatte bereits im Gemeindewahlkampf den Vorstoß gewagt, 100 Unterschriften zu sammeln von Personen aus dem öffentlichen Leben, die ihn als Differdinger Bürgermeister unterstützten. Gefruchtet hat der Versuch jedoch nicht: Sein persönliches Resultat konnte er zwar leicht verbessern, bei den Listenstimmen blieb die Partei aber weit hinter den eigenen Erwartungen zurück. Diderichs Alleingang hatte zudem dazu geführt, dass die designierte Ko-Spitzenkandidatin der Linken in Differdingen und Drittgewählte von 2017, Sonia Scalise, kurz vor den Wahlen zu den Piraten überlief, die zum ersten Mal in Differdingen antraten und gleich auf 8,6 Prozent kamen, während die Linke bei knapp über fünf Prozent stagnierte.

Insbesondere mit den in den sozialen Medien besonders aggressiv und schlagfertig auftretenden Piraten wird Déi Lénk sich in den kommenden Monaten messen müssen. Um ihre Kommunikat-ion in den sozialen Netzwerken zu verbessern, hat die Linke mit André Marques und Alija Suljic zwei Kandidaten für ihre Südliste gefunden, die sich mit den neuen Technologien gut auskennen. Suljic, der sich unter dem Pseudonym „al jazeera éislek“ in der Luxemburger Twitter-Bubble einen Namen gemacht hat, soll zudem als Koordinator für digitale Kommunikation junge Menschen über Tik-Tok ansprechen, sagt Marc Baum.

Im Gegensatz zu den als politischer Dienstleistungsbetrieb konstituierten Piraten hat die Linke ein in vielen Bereichen durchdachtes und kohärentes Programm, das zwar nicht von heute auf morgen umsetzbar ist, jedoch längerfristige Perspektiven für den gesellschaftlichen Fortschritt eröffnet. Solange sie nicht an parlamentarischer Stärke gewinnt, wird sie jedoch damit leben müssen, dass ihre Ideen lediglich als Blaupause für die Wahlprogramme anderer Parteien dienen.

Eine der größten Schwächen der Linken ist vielleicht ihre immer wieder nach außen getragene interne Zerstrittenheit, die von ihrer Konstitution und aus ihrem Selbstverständnis als politische Bewegung herrührt. In der in den letzten Jahren vermehrt von Linkskatholiken und in der Ökobewegung sozialisierten Mitgliedern unterwanderten Partei schwelt bis heute die historische Auseinandersetzung zwischen Parlamentaristen und „Trotzkisten“, die eine außerparlamentarische Opposition (Apo) befürworten (d’Land, 31.3.2023). Eigentlich schließt das eine das andere nicht aus, doch um eine wirksame Apo zu betreiben, fehlt es der Bewegung an einer Basis – an Militanten, die bereit sind, sich in den Dienst der „Sache“ zu stellen und ihre Freizeit dafür zu opfern. Außer in Esch/Alzette, wo die Linke noch eine aktive Sektion hat, war es im Frühjahr in den meisten Gemeinden für sie sogar einfacher, Kandidat/innen für die Wahllisten zu finden, als Ehrenamtliche, die bereit waren, Plakate zu kleben und aufzuhängen.

Luc Laboulle
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