Neugestaltung der Place de l'Europe

Wiederbelegungsversuch

Luxembourg, Place de l'Europe
d'Lëtzebuerger Land vom 24.02.2017

Ob es daran liegt, dass der Blick aus dem Ministerbüro im 16. Stock auf die Einöde der Place de l’Europe geht, dass François Bausch es eiliger mit deren Umgestaltung hat als andere? Dem grünen Infrastrukturminister kann es damit auf jeden Fall nicht schnell genug gehen. Schon Ende des Jahres, sagt er, könnten erste Maßnahmen umgesetzt sein. Seine Eile ist verständlich, denn auf dem ohnehin nicht sehr gemütlichen Kirchberg-Plateau ist die Place de l’Europe einer der menschenfeindlichsten Orte überhaupt. Die Ursachen dafür sind zahlreich: Gebäude wie Festungen, an deren Glasfassaden es keinen Zugang gibt, der große, dunkel gepflasterte Platz, auf dem nur wenige Bäume ein bisschen Schutz bieten. Der Umstand, dass Fußgänger, die glauben, sich in einem autofreien Bereich zu befinden, von den Karossen von EU-Diplomaten oder Mitarbeitern überrascht werden, die vors „Héichhaus“ oder in ihr privates Parkhaus fahren. Oder die Tatsache, dass der Platz eine Sackgasse ist, weil der Lift, der am Südende die Verbindung zur Rue du Fort Thüngen herstellte und zum Mudam oder dem Hémicycle führte, seit ungewisser Zeit und unbefristet außer Betrieb ist. Über all dem sorgt der Kamineffekt zwischen den Gebäuden für eine arktische Brise, die sogar bei 30 Grad im Hochsommer ein Verweilen unter freiem Himmel unmöglich macht. „Da wirst du weggeblasen“, sagt der Minister.

Vollzieht man den Weg nach, den der radelnde Minister morgens auf dem Weg ins Büro zurücklegt, muss er an der Philharmonie vorbei, deren Glanz durch die protzig vor dem Haupteingang geparkte Limousine des Konzerthaus-Sponsors Mercedes erheblich geschmälert wird. „Das ist furchtbar!“, sagt Bausch. „Ich habe kein Problem mit Sponsoring, aber wenn das Auto vor dem Haupteingang steht?“ Zwischen dem Boulevard Kennedy und dem Eingang, hindern die vielen Niveauunterschiede Fahrradfahrer den kürzesten Weg zum Ministerium einzuschlagen. Wer dort hinein will, muss erst die Treppen zur Eingangstür hochsteigen, um gleich dahinter Rolltreppen hinunterzufahren, bevor er im Keller unter dem Konferenzzentrum den Lift in die Ministeriumsetagen nehmen kann...

Letztes Jahr ließ der Minister das Büro des dänischen Stararchitekten und Urbanisten Jan Gehl engagieren, um nicht nur die Situation auf dem Europaplatz zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu machen, sondern auch den Platz vor dem Einkaufszentrum Auchan und den Boulevard Kennedy überhaupt. Die dänischen Spezialisten, die Kopenhagen von der Autostadt in ein Radfahrer-Nirvana verwandelt haben und Prestige-Projekte in London und New York vorzuweisen haben, kommen in ihrer Analyse wenig überraschend zum Schluss, dass so Manches an der Place de l'Europe verändert gehört, soll sich dort in Zukunft jemand aufhalten.

Sie schlagen deshalb die Aufstellung von Windkunst-Objekten vor, um den Kamineffekt zu lindern, die Errichtung einer Bühne im südlichen Bereich, die Konzerten und anderen Veranstaltungen Platz bieten würde, die Umgestaltung des Platzes vor dem Eingang sowie die Einebnung des Eingangsbereichs von Kongresszentrum und Ministerium. Vorne, am Boulevard Kennedy, der Vorschlag gefällt François Bausch besonders gut, haben sie den Bau eines Café-Kiosk mit angeschlossener Rad-Reparatur vorgeschlagen, daneben Foodtruck-Stationen, damit sich die Mitarbeiter der Institutionen der umliegenden Gebäude in der Mittagspause dort versorgen können. Ein Teil der Philharmonie-Treppen ließe sich ihren Vorstellungen zufolge in kleinere Läden mit Zugang auf Straßenebene verwandeln. Darüber hinaus hat das Studio Gehl sich den Verlauf der im Rahmen der Tram-Bahn geplanten Fahrradpisten angeschaut und Korrekturvorschläge gemacht. Korrekturen, die soweit technisch machbar, mit dem Bau der Trambahn umgesetzt werden, so dass später zu beiden Seiten des Boulevard Kennedy ununterbrochene Fahrradwege verlaufen sollen.

Ganz so schnell, wie sich der Minister das wünscht, werden die weiteren Maßnahmen wohl nicht umgesetzt werden können. „Das sind Vorschläge“, weiß auch Bausch, „die eins zu eins, so nicht umgesetzt werden können“. Es handele sich um ein Konzeptstudie, hebt Matthias Pinter, Architekt beim Fonds Kirchberg, welcher für die Planung zuständig ist, hervor. Der Fonds verhandele derzeit mit einem Landschaftsarchitekten über einen Vertrag, um Installationen zu testen. Diese Installationen könnten mit der Inbetriebnahme der Trambahn aufgestellt werden, also Ende des Jahres. Doch mit der Aufstellung von ein paar „schöneren und gemütlicheren Bänken“, sagt Pinter, sei es nicht getan. Für das Rad-Café, das den Vorstellungen des Studio Gehl über der Parkhaus-Zufahrt für die EU-Beamten entstehen soll, gebe es noch keine Pläne, so Pinter. Und wenn am Südende des Platzes hinter der Philharmonie eine provisorische Bühne recht schnell stehen könnte, muss auch jemand Veranstaltungen planen, die dort stattfinden können.

An einem solchen, zusätzlichen Veranstaltungsort direkt neben ihren Einrichtungen hätten Mudam und Philharmonie in den Workshops, die im Rahmen der Gehl-Studie stattfanden, reges Interesse gezeigt, berichten Pinter und Bausch. Laut Infrastrukturminister arbeitet die Philharmonie mit ihren Architekten auch an eigenen Plänen, um hinter dem Konzertsaal ein zweites Restaurant zu ermöglichen, das Konzertbesuchern um die Vorstellungen herum bewirten könne. Die Philharmonie-Verantwortlichen wollen sich zu diesen Plänen nicht äußern, weisen aber darauf hin, der Mercedes vor ihrem Haupteingang sei Teil eines fürs Philharmoniebudget wichtigen Sponsorenvertrages.

Tiefgreifende Veränderung, wie ein Umbau der Philharmonie-Treppe, oder ein veränderter Zugang am Südende des Plates, dürften ohnehin auf sich warten lassen. Denn sie hängen unter anderem auch vom weiteren Schicksal des Schuman-Gebäudes ab, das noch bis mindestens 2020 besetzt ist und nicht dem Fonds Kirchberg gehört, wie Pinter hervorhebt. Ob es abgerissen wird? Am Standort des ersten Sitzes des Europaparlaments könnte sich François Bausch eventuell ein Museum oder ein Besucherzentrum über die Entstehung der EU-Institutionen vorstellen, zumindest müsse überlegt werden, was mit den Kunstinstallationen im Plenarsaal passiere, in dem das Europaparlament nur ein einziges Mal getagt haben soll.

Wichtig für die Entwicklung des Platzes und des Stadtteils Kirchberg insgesamt sei natürlich auch die Aktivitätsmischung, nicht zuletzt, dass dort mehr Leute wohnen und nicht nur zum Arbeiten hinkommen, betont François Bausch. Die Bauarbeiten am Wohnturm mit 21 Etagen, der an der Nordseite des Boulevard Kennedy neben Büroflächen und einem Einkaufszentrum geplant ist, sollen bereits in zwei Jahren, 2019 abgeschlossen sein.

Michèle Sinner
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