Forschungspolitik in der neuen Legislaturperiode

Unruhejahr 2011

d'Lëtzebuerger Land du 24.09.2009

Die Forschungspolitik in der neuen Legislaturperiode? – François Biltgen wirbt für Gelassenheit: „Die großen Diskussionen sind doch schon gelaufen.“

Unrecht hat der Forschungsminister nicht. Eine derartige Debatte um die Uni wie unter der Juncker-Polfer-Regierung, die in ihrem Koalitionsvertrag die Einrichtung einer Universität Luxemburg ausgeschlossen hatte, sie 2003 aber doch schuf, ist unwiederholbar. Geschichte ist auch der große Strategie-Test durch die OECD, der 2006 ergab, dass die Regierung in Forschungsfragen bis dahin zu „führungsschwach“ gewesen sei.

Laut ersten provisorischen Erhebun­gen des Ministeriums schlugen sich die Forschungszentren 2008, im Jahr eins der Leistungsverträge, gar nicht schlecht. Die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen von 250 laut Vorgabe für alle vier Zentren wurde mit 302 übererfüllt, und statt 75 wurden 91 Doktoranden betreut. Sollen bis Ende 2010 acht Patente angemeldet werden, waren es 2008 zwei, und mit 26,2 Millionen Euro warben die vier Einrichtungen tatsächlich fast so viele Drittmittel ein, wie die mit dem Staat vereinbarten 26,3 Millionen Euro. 

Offenbar sind die Forschungszentren auf einem guten Weg, um für die steigenden öffentlichen Zuwendungen jene „Absorptionskapazität“ zu bilden, die die Regierung in ihrem Koalitionsvertrag herzustellen angekündigt hat und von der der alt-neue Forschungsminister schon in der vorigen Legislatur sprach: Mittelfristig ein Prozent des BIP in die öffentliche Forschungs stecken zu wollen, ist zunächst nur ein politisches „Lissabon-Bekenntnis“. Aber tatsächlich gibt die öffentliche Hand immer mehr für Forschung aus. Waren es 1999 nur 0,08 BIP-Prozent, waren es 2008 schon 0,43 Prozent, beziehungsweise 170 Millionen Euro. Die Gelder strategisch zielgerichtet einzusetzen, ist dagegen erst seit den letzten Jahren forschungspolitisch gewollt.Und nun muss das neue System nicht nur ausgebaut und verfeinert werden, sondern sich unter Krisenbedingungen bewähren.

Selbstverständlich ist das nicht. Denn die Leistungsverträge zwischen Staat und Forschungszentren sind eine Orientierung auf Wachstum: Zwischen 2008 und 2010 wurden steigende Budgets geplant. Wenngleich der Staatsanteil daran degressiv ist, 2008 noch 67 Prozent an den Budgets ausmachte und 2010 noch 59 Prozent betragen soll, haben die Einrichtungen auf die garantier­ten Zuwendungen nicht zuletzt mit personellem Ausbau reagiert. Das sollten sie auch: Die Leistungsverträge sehen die Schaffung von an die 250 neuen Forscher-Stellen bis Ende 2010 explizit vor.

2011 jedoch soll nicht nur die zweite Generation von Leistungsverträgen in Kraft treten, für 2011 hat die Regierung sich auch vorbehalten, aus ihrer „antizyklischen“ Haushaltspolitik auszusteigen. Dass nicht schon 2010 die Forschungsmittel gekürzt würden, hat François Biltgen den Einrichtungen zur Beruhigung unlängst mitteilen können. Wie sie sich ihre Entwicklung in den kommenden fünf Jahren vorstellen, will der Minister aber schon mal erfahren, und ehe das Forschungsministerium im nächstes Jahr mit den drei CRPs und dem Ceps/Instead über die neuen Kontrakte verhandelt, wird es mit dem Budgetminister darüber beraten, was man sich noch leisten kann. Die Forschungszentren wiederum spüren die Krise schon jetzt: „Projekte mit Industriepartnern abzuschließen, ist eindeutig schwieriger geworden“, sagt Fernand Reinig, Direktor des CRP Gabriel Lippmann. 2008 konnte Lippmann fast 50 Prozent seines Budgets aus Drittmitteln decken, obwohl es laut Leistungsvertrag nur 40 Prozent hätten sein müssen. „In diesem Jahr schaffen wir das nicht.“

Und falls die Krise weiter anhält, können längerfristige Finanzierungsentscheidungen um so mehr Strukturentscheidungen sein. Würde die Regierung aus Mangel an Geld in den Leistungsverträgen der zweiten Generation vorschreiben, den Drittmittelanteil an den Budgets zu erhöhen, um den Staatsanteil senken zu können, müssten sich die Zentren darauf einstellen – und sich zum Beispiel stärker den Wünschen von Industriepartnern öffnen. Rufe aus der Wirtschaftswelt in diese Richtung gibt es schon. Dass „in Krisenzeiten die Gefahr besteht, dass man zwar die Innovation stärkt, aber die Forschung vernachlässigt“, weiß der Forschungsminister und meint, dass dies „ein Fehler“ wäre. Und er kann sich eher vorstellen, dass an den „Gesamtsummen“ der Staatszuwendungen an die Forschungseinrichtungen gespart werden könnte als am Verhältnis von Staats- und Eigenanteil. Ausschließen kann er aber nichts: Diese „schwierige Frage“ müsse er mit Luc Frieden klären.

Zumindest indirekt vom Geld hängt auch die Antwort auf die Frage nach weiteren Synergien zwischen den Forschungseinrichtungen ab. „Doppelungen in den Aktivitäten sind historisch gewachsen, das ist uns allen klar“, sagt Lippmann-Direktor Reinig. Der Minister aber, der es sich nach eigenem Bekunden vor zwei Jahren „von der OECD ausreden“ ließ, Vorgaben über die Forschungstätigkeit zu machen, setzt im Rahmen der Leistungsverträge auf Autoselektion und darauf, dass im double emploi mit der Zeit nur der Beste bestehen kann. Damit keine ungesunde Konkurrenz um Projektmittel entsteht, die im kleinen Land nur knapp sein können, weil es etwa nur einen Nationalen Forschungsfonds gibt, fordert das Ministerium die Forschungszentren in den Leistungsverträgen zur Absprache in sich überschneidenden Bereichen auf. Nicht zuletzt auch mit der Universität, die sich in manchen Gebieten, in denen die anderen vier  Zentren schon seit längerem tätig sind, noch weiter nach oben arbeiten muss.

Diese Absprachen funktionieren offenbar: In der Plattform 4C[&]U, deren Name für die vier Forschungszentren und die Universität steht,  „konzertieren wir uns regelmäßig und haben vor kurzem auch ein Straregieorgan gebildet“, sagt Fernand Reinig. Auch Luciënne Blessing, Forschungsrektorin der Uni, nennt die Zusammenarbeit mit den Forschungszentren „sehr gut“. So richtig eng werde sie aber erst in Belval werden können. Das meint auch der Forschungsminister: „Sind Uni und CRPs gemeinsamen in thematischen Häusern untergebracht, klären sich die Zuständigkeiten sozusagen von ganz allein.“ Freilich: Der Aufbau der Cité des sciences kostet ebenfalls Geld.

An ihm entscheidet sich allerdings wesentlich die „Exzellenz-Perspektive“ der jungen Universität. Die Frage, in welchen Gebieten man richtig gut werden will, stelle sich schon jetzt, sagt Luciënne Blessing, und so hat die Universität sich im Entwurf zum nächsten Vierjahresplan ebenfalls Leistungsindikatoren gegeben. Wobei jedoch auch die Verzahnung von Forschung und Lehre ein Kriterium darstellt oder die Popularisierung der Wissenschaft in der Öffentlichkeit: „Wir wollen eine Universität in Luxemburg für Luxemburg sein.“

Aber erst in Belval werde die Uni „so wachsen können, wie es wünschenswert wäre“, sagt die Forschungsrek­torin: „Dass ein Bereich wie die Materialwissenschaft bei der ersten externen Evaluation in diesem Jahr lediglich mäßig eingeschätzt wurde, liegt ganz einfach am fehlenden Platz für Labors.“

Und am Bemühen um „Exzellenz“ in der Forschung führt bereits in absehbarer Zeit kein Weg vorbei, denn in der EU soll bis zum Jahr 2020 ein „gemeinsamer Forschungsraum“ entstehen: die „fünfte Grundfreiheit“, der freie Verkehr von Forschern, Wissen und Technologie.

„Das bedeutet allerdings, dass Forscher sämtlicher Mitgliedstaaten sich EU-weit um Forschungsgelder bewerben können“, sagt Jean-Claude Schmit, Direktor des CRP Santé.  „Theoretisch könnten sich um Mittel aus dem Nationalen Forschungsfonds im Bereich Life Sciences dann nicht mehr nur die Universität und wir bewerben, sondern auch das Institut Pasteur oder das Karolinska Institut“, zählt Schmit ein paar Größen der Branche auf. „Und nur zehn Jahre bleiben uns noch zur Vorbereitung.“

Alles in allem ist das dann doch genug Stoff für forschungspolitische Diskussionen – und nicht die kleinsten.

Peter Feist
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