Die Bibliothèque nationale de Luxembourg baut ihr Digitalisierungsprogramm für Zeitungen und Zeitschriften aus

E-Paper aus dem 19. Jahrhundert

d'Lëtzebuerger Land du 28.04.2011
Im Juli 1704 erschien die erste Ausgabe von La clef du cabinet des princes de l’Europe: Die erste in Luxemburg herausgegebene
Zeitschrift. Dass die Bibliothèque nationale de Luxembourg für das Pilotprojekt Luxemburgensia Online 2003 als erstes die Clef du cabinet scannen ließ und ins Netz stellte, hat deswegen Signalcharakter. Seither wurde aus dem Pilot- ein umfassendes
Digitalisierungsprojekt der Luxemburger Printmedien. Auch die Ausgaben des Lëtzebuerger Land von 1954 bis 2007 sind in der Zwischenzeit gescannt und sollen noch dieses Jahr dem Publikum zugänglich gemacht werden.

Seit die BNL das Projekt 2003 lancierte, haben sich Technik und Anwendungsmöglichkeiten stark verändert und verbessert. Die erste Digitalisierungsphase umfasst, neben der Clef du cabinet, zehn weitere Zeitschriften, vier Monographien, fünf Referenzbücher und 18 000 Postkarten. Insgesamt 320 000 Seiten, die mit Index und Inhaltsverzeichnis versehen wurden. „In minutiöser Handarbeit“, wie Martine Mathay von der BNL sagt.

Doch die gescannten Dokumente sind nur unter www.luxemburgensia.bnl.lu im Bildformat verfügbar, was Volltextsuchen mit Stichwörtern ausschließt. Dass dies als dauerhafte Lösung nicht befriedigend sei, fanden auch die BNL-Mitarbeiter. Für die
zweite Projektphase wurde deswegen umgestellt, ein neues Lastenheft ausgearbeitet, das darauf abzielte, die Zeitungen und Zeitschriften in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen. Das gesuchte System sollte die verschiedenen Veröffentlichungen in ihrer
Struktur, dem Seitenaufbau erkennen und vor allem den Text, die Wörter selbst erfassen, damit die Stichwortsuche möglich werde.

2009 wurde das Resultat der Öffentlichkeit vorgestellt. Auf www.eluxemburgensia.lu sind seither Luxemburger Wort und Tageblatt von den Erstausgaben bis zu den 1950 veröffentlichten Nummern verfügbar, insgsamt 42 000 Ausgaben, 240 000 Seiten und zwei Millionen Artikel. Die Zugangsmöglichkeiten sind vielfältig. Die Tageszeitungen können nach Datum ausgewählt
werden, oder aber über ein Suchfenster, das dem der gebräuchlichen Internetsuchmaschinen nachempfunden ist, die Volltextsuche aktivieren.

Die Resultate werden nach Relevanz geordnet, der Nutzer kann entscheiden, in welchem Format – PDF oder Mets – er sich den gefundenen Artikel ansehen will, ob er ihn lieber gleich abspeichern beziehungsweise per E-Mail verschicken will. Wer erst mal nur lesen will, sieht den gesuchten Artikel rot umrandet in der Seite dargestellt, so wie er ursprünglich veröffentlicht wurde. In
einer Seitenleiste daneben, gibt es die gleichen Informationen nochmals im Nur-Text-Format, was jenen entgegenkommt, die Probleme mit dem Original-Schriftbild haben. Die rote Markierung ist besonders hilfreich, wenn das Original-Layout konfus
war, der Text auf einer Seite begann, die Fortsetzung weiter hinten stand. Die Zeitung können Nutzer Seite für Seite durchblättern, oder aber das nebenstehende Themen- und Titelverzeichnis zur Hand nehmen, um zum gesuchten Thema zu
navigieren. Auch auf dieser Ebene kann wiederum eine Volltextsuche vorgenommen werden, diesmal auf die vorliegende Ausgabe beschränkt.

Wer auch nur einmal, sei es für private, berufliche oder akademische Zwecke, in der BNL mit den Mikrofilmgeräten
gekämpft hat, wird die Vorteile von E-Luxemburgensia sofort erkennen. Da muss kein Themen-Index, keine Schublade mehr
auf der Suche nach der richtigen Rolle durchsucht werden, nicht mehr mit Filmen hantiert werden. Man ist nicht mehr von der eigenen Fein- oder Grobmotorik beim erfolgreichen Vor- und Zurückspulen abhängig. Das macht alles der Computer, via Mausklick, von überall aus und jederzeit. Man kann nach Belieben abspeichern und die Wahrscheinlichkeit, dass man die Ergebnisse wirklich entziffern und lesen kann, ist ungemein höher.

Dass dies alles klappt, war und ist für die Projektzuständigen eine Riesenherausforderung, die sie durch die Aufstellung detaillierter Arbeitsprozesse und mit Eigeninitiative angehen. Ansichtsfenster, Bedienungsleiste und -möglichkeiten wurden
BNL-intern entwickelt, die Lastenhefte auf diese Benutzungsanforderungen ausgelegt und so detailgetreu formuliert, dass den Subunternehmern, die den Digitalisierungsprozess vornehmen, wenig Spielraum für Fehler bleibt.

Das erfordert viel Fleißarbeit. Bevor die Zeitungen und Zeitschriften, die in großen Bänden gebunden sind, gescannt werden, wird eine Art Ausweis für die Publikation erstellt: Über wie viele Ausgaben verfügt die BNL? In welchem Zustand sind die Bestände? Sind sie gut gebunden oder so, dass ein paar Zentimeter Text abgeschnitten sind? Wie viele Seiten sind es? Auch das Layout wird für den Ausweis erfasst und definiert, damit nach dem Scannen beispielsweise Überschriften als solche markiert werden.

An diesen Befund, den Studenten im Auftrag der BNL erstellen, ist auch die Qualitätskontrolle nach der Datenerfassung
gebunden. „Wenn wir die Harddisk mit den Dateien erhalten, kontrollieren wir, ob die Fehlerquote im akzeptablen Bereich liegt“,
erklären Mathay und ihr Kollege, der Informatiker Yves Maurer. Stellen die Studenten vorher schon fest, dass das Papier in einem schlechten Zustand ist, und der Text kaum noch zu lesen, kann man nicht erwarten, dass nach dem Scannen wie durch ein Wunder alles zu lesen ist.

„Am Zustand der Zeitung lässt sich erkennen, unter welchen Bedingungen die Herausgeber arbeiteten“, sagt Mathay. Das waren für die elf Titel aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die ab 2009 in einer dritten Phase zur Digitalisierung ausgeschrieben wurden,
nicht immer unbedingt die besten. „Wurde die Zeitung an einem Ort verboten, die Presse stillgelegt, musste eine andere Druckerei gefunden werden oder heimlich, in Eile gedruckt werden“, so Mathay. Dann war das Papier schon mal besonders dünn oder der Druck von Anfang an verwischt. „Wenn wir während der Bestandsaufnahme merken, dass Ausgaben fehlen oder wir nur eine Reihe besitzen, hilft das uns auch insofern weiter, als wir dann wissen, was wir hinzukaufen müssen, wonach wir bei Antiquaren suchen müssen“, fügt sie hinzu.

Die Digitalisierung dient natürlich auch dem Erhalt der fragilen Papierbestände. „Verschiedene sind so zerbrechlich, dass wir sie keinem Leser mehr in die Hand geben können“, so die BNL-Mitarbeiterin. Sind sie erst numerisch erfasst, müssen die Papierbände zur Konsulation nicht mehr aus dem Regal geholt werden und können fachgerecht aufbewahrt werden. Denn angesichts der schnellen Weiterentwicklung der Technik – wer besitzt heute noch einen Rechner, der Disketten lesen kann? – ist Mathay selbst etwas skeptisch, was das Haltbarkeitsdatum der digitalen Dateien betrifft.

Maurer widerspricht ihr kollegial „Das Projekt ist so ausgelegt, dass die Daten die nächsten 500 Jahre verfüg- und nutzbar sind“, beschwört der Informatiker die Vorzüge der Technologie.

Um die gewaltigen Datenmengen zu meistern – eine Seite entspricht zwei Megabyte –, greift die Bibliothek auf die Ressourcen des Centre informatique de l’État zurück. Die Digitalisierung soll letztendlich einem anderen Zielpublikum – auch dem, das bisher im Kontakt mit Rechnern vielleicht etwas scheu war – den Zugang zu gut gehüteten Informationen erschließen. Ein Beispiel: Genealogie-Enthusiasten ermöglicht die Volltextsuche, alle digitalisierten Nummern auf einen Schlag auf Meldungen zu durchsuchen, die einen bestimmten Namen enthalten. Lokalhistoriker können Meldungen zur Region und zum Dorf suchen, ohne
mühsam alle Zeitungen zu wälzen.

Zudem soll die Teilnahme in europäischen Netzwerken Interessenten im Ausland auf die Schätze der BNL aufmerksam machen. La Clef du cabinet, die sich an ein lothringisches Publikum adressierte, sei auch für französische Forscher von großem Interesse,
argumentiert Mathay, aber nur die BNL hat alle Ausgaben digitalisiert.

Um auch Nutzer aus dem Ausland zur digitalen Zeitungskollektion zu lotsen, beteiligt sich die BNL deswegen an supranationalen
Projekten wie der Plattform Europeana, die von der EU-Kommission geförderte Multimedia-Plattform, die Zugangsstelle für Text- und audiovisuelle Dokumente aus den 27 EU-Mitgliedstaaten ist. Oder am Projekt The European Library, über dessen Internetportal Nutzer zum BNL-Katalog sowie den digitalisierten Zeitungen geführt werden, und gehört zu den Gründungsmitgliedern des Réseau francophone des bibliothèques nationales numériques.

Noch vor Jahresende sollen die elf Titel aus dem 19. und 20 Jahrhundert, darunter d'Lëtzebuerger Land oder die Wochenzeitung Wäschfra, ins Netz gestellt werden; dadurch wird die digitale Kollektion um eine Million Artikel reicher. Die Ausschreibung für die nächste Phase läuft bereits.
Michèle Sinner
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