„Wir haben inzwischen eine gewisse Erfahrung gesammelt“, sagt Norbert Eilenbecker. „Wir machen das jetzt seit mehr als acht Jahren.“ Der Landwirt, den das Land für diese Beilage auf seinem Hof im hohen Norden besucht hat, ist Eigentümer von „Cannad’Our“, eine Luxemburger Marke, die sich auf Cannabisprodukte spezialisiert hat. Eigentlich hat Eilenbecker zwei Standbeine: Im Rahmen der Produktlinie „Ourdaller“ produziert er regionale Produkte wie Hanf und Speiseöle. Außerdem verkauft der urige Hofladen Senf, Tee, Buchweizen und Honig. Zu seinen Kunden zählen die Provençale, Cactus und das Pall-Center, sowie kleinere Läden im ganzen Land. Insgesamt arbeitet Eilenbecker seit mehr als einem Vierteljahrhundert mit der Kulturpflanze Hanf.
Zusammen mit Geschäftspartner André Steinmetz, einem Biologen und Forscher, stellt er neben Hanftees zudem Öle mit CBD her, die therapeutisch eingesetzt werden. Cannad’Our hat Kundschaft in ganz Europa. In der Regel sind es Schmerzpatienten, die einen langen leidvollen Weg hinter sich haben, bis sie dank Cannabidiol eine Möglichkeit finden, den Schmerz zu lindern und somit eine gewisse Autonomie über ihren Körper zurück zu erlangen. Oft haben sie den Tipp zu Cannad’Our von ihrem Arzt oder über ein engmaschiges Netzwerk von Patienten und CBD-Käufer/innen, denn Eilenbecker bewerben die Cannabidiol-Produktlinie und ihre Zusammensetzungen nicht.
Cannabis besteht aus mehr als 500 Inhaltsstoffen. Die wichtigsten sind THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol), die zur Gruppe der Cannabinoide gehören. Im Gegensatz zu THC wirkt CBD nicht berauschend. Es bietet jedoch ein großes medizinisches Potenzial. In der richtigen Dosis und Form kann CBD dazu beitragen, eine Vielzahl von Gesundheitsproblemen, einschließlich chronischer Schmerzen, zu bewältigen – nicht zu heilen.
Studien zeigen, dass CBD mit dem Endocannabinoid-System – einem Teil des menschlichen Nervensystems – interagiert, um das Gleichgewicht wiederherzustellen und Entzündungen zu reduzieren. Nimmt man es in ausreichend hohen Dosen ein, kann eine entzündungshemmende Wirkung im Körper erreicht werden. Ärzt/innen empfehlen es bei Endometriose. und es ist zudem medizinisch erwiesen, dass es Spastiken bei Multipler Sklerose lindert.
Der Clou bei Cannad’Our: Eilenbecker und Steinmetz vertreiben die Öle nicht nur, sie stellen sie aus selbst angebautem Hanf in einem eigenen Verfahren her. Das Rezept wird gehütet wie ein Betriebsgeheimnis, nur so viel verrät Eilenbecker: Das Cannabis wird auf Alkoholbasis destilliert, die verschiedenen Wirkstoffen extrahiert und in neuem Misch-Verhältnis zusammengebracht. Die Alkoholextraktion ist Kennern zufolge als die beste Extraktionsmethode, da sie im Vergleich zu anderen Lösungsmitteln hohe Reinheitsgrade erzielt und die größte Menge an Substanzen extrahiert.
„Wir nutzen qualitativ hochwertiges Hanf“, sagt Eilenbecker nicht ohne Stolz: Die auf analytische Toxikologie spezialisierte Abteilung des Nationallaboratoriums in Düdelingen bescheinigte dem Kalborner Unternehmen, keinerlei Pestizid-Rückstände im Öl zu haben. So gut ist die Qualität und sind die Rückmeldungen zufriedener Kund/innen, dass die Nachfrage trotz Covid-Pandemie nicht nachlässt und der Umsatz von Cannad’Our über die Jahre stetig gestiegen ist. Heute liegt er im sechsstelligen Bereich. „Wir haben im Frühling, als die Pandemie aufkam und alles in den Lockdown musste, schnell reagiert und den Kunden zugesichert, ihnen die Ware nach Hause zu schicken. Portofrei“, erklärt Eilenbecker.
Von den sieben Mitarbeitern sei niemand an Covid-19 erkrankt, erzählt Eilenbecker und man sieht ihm die Erleichterung an. „Die Erntezeit war mit mehr Stress verbunden als sonst. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, als alle Helfer negativ getestet waren.“ Sich zu distanzieren und Mund-Nasenschutz zu tragen ist bei schwerer körperlicher Arbeit im Feld nicht evident und nicht immer machbar.
Es dauerte eine Weile, bis die Gesundheitsbehörden die Schutzmaßnahmen auf die Landwirtschaft angepasst hatten; an die Vorgaben haben sich Eilenbecker und seine Mitarbeiter/innen gehalten. Die Erntehelfer kamen im Sommer wie jedes Jahr aus Polen; einige hatten zunächst gezögert, aus Sorge, sich anstecken. „Zum Glück ging alles gut“, sagt Eilenbecker zufrieden. Heute lagert der Hanf, der noch nicht weiterverarbeitet wurde, in großen braunen Papiersäcken zu je rund fünf Kilo in einer Halle hinter dem Hauptgebäude. Bei Bedarf werden die grünen Blätter nachgetrocknet. „So stellen wir sicher, dass keine Schimmelkeime in unsere Ware gelangen.“
Wir stehen in der großen Halle, wo die frisch geernteten Körner (Hanf, Lein, Mohn, Raps, Sonnenblumen) für die Ölproduktion sowie Buchweizen und Senf ankommen. Hier werden sie gereinigt und gegebenenfalls getrocknet, bevor sie in den Silos eingelagert werden. So leistungsfähig ist das System, dass Eilenbecker auf Anfrage auch Reinigungs- und Trockenaufträge von Höfen aus der unmittelbaren Nachbarschaft oder der Region erledigt.
Auch über Luxemburg hinaus hat der Kalborner Hof inzwischen eine gewisse Bekanntheit erreicht. Geholfen haben dabei Artikel in der heimischen Presse, aber auch Online-Netzwerke und Plattformen von CBD-Kennern, die auf die Luxemburger Produktlinie verweisen. Besonders im Kontext der von der blau-rot-grünen Regierung mit viel Pomp und angekündigten geplanten Regularisierung von Cannabis für den nicht-medizinischen Gebrauch, statteten neugierige Journalist/innen und Interessierte dem Hof einen Besuch ab.
Und trotzdem läuft das Geschäft mit CBD in Luxemburg nicht rund und ist von zahlreichen Rechtsunsicherheiten begleitet. Zwar haben die Vereinten Nationen dieses Jahr, nach vielen Jahren und Jahrzehnten Lobbying, Cannabis von der höchsten Gefahrenklasse in die niedrigste herabgestuft und es steht nun nicht mehr als gefährliche Droge neben Heroin und Kokain, nachdem schon die Weltgesundheitsorganisation WHO vergangenes Jahr eine Neueinstufung empfohlen hatte.
Linear ist diese Entwicklung aber nicht: Im Oktober wurden Pläne der EU-Kommission bekannt, CBD als Betäubungsmittel einzustufen; durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg wurde dieses Ansinnen Anfang Dezember zurückgezogen. Dennoch bleibt Cannabis zum freien Konsum in Luxemburg verboten und der Anbau von THC-armen Hanf ist nicht ohne Tücken. Seit 2018 sind medizinisches Cannabis und der Verkauf von CBD-haltigen Produkten, die einen THC-Wert von unter 0,2 Prozent haben, erlaubt. Über 600 Patient/innen nehmen an einem diesbezüglichen Pilotprojekt teil, dessen Auswertung aber noch aussteht. Ebenfalls gilt seit Januar 2019 eine Tabaksteuer auf vielen CBD-Produkten, die den Händlern im Land enorm zusetzt, und jetzt, mit der Corona-Pandemie, bangen viele von ihnen um ihre Existenz.
„Wir haben Glück, denn unsere Öle fallen nicht unter diese Regelung. Das wäre eine Katastrophe gewesen“, sagt Eilenbecker: „Aber auch wir zahlen fast ein Drittel Steuern darauf.“ Was der Landwirt noch mehr bedauert: Er hätte die Hanfproduktion gerne vor Jahren ausgebaut. Aber solange unklar ist, wie sich die Rechtslage entwickelt, kann er das nicht. „Als wir damals unsere Produkte neu auf den Markt brachten, hatten wir einen innovativen Vorsprung in Europa“, ist sich Eilenbecker sicher.
Damals entwickelten er und Geschäftspartner Steinmetz ein Projekt, das sie dem Landwirtschafts- und dem Gesundheitsministerium unterbreiteten und das die Universität Luxemburg und das Nationallabor wissenschaftlich begleiten und evaluieren sollten. Während das Landwirtschaftsministerium Interesse signalisierte, landete es im Gesundheitsministerium offenbar in der Schublade. Jedenfalls hörten Eilenbecker und Steinmetz nie mehr davon.
Obwohl die DP-LSAP-Grüne-Regierung die Regularisierung von nicht-medizinischem Cannabis als ein Kernvorhaben ihrer gesellschaftlichen Modernisierung vorgestellt hatte, kommt das Projekt nicht so recht voran. Sieben Jahre nach der politischen Absichtserklärung steht nicht einmal ein Gesetzentwurf. Vielleicht aber kommt demnächst Bewegung in die Sache: Vergangene Woche veröffentlichte das Ministerium überraschend eine Ausschreibung für die nationale Produktion von medizinischem Cannabis. Bisher hatte die Regierung medizinisches Cannabis zur Schmerzlinderung in großen Mengen in Kanada einkauft. Die Abhängigkeit von Nordamerika bedeutete aber, dass bei Lieferengpässen Patient/innen auf ihr Medikament warten mussten, so wie vergangenes Jahr geschehen. Ob sich Cannad’Our an der Ausschreibung für eine nationale Cannabis-Produktion beteiligen werde? Norbert Eilenbecker zögert keine Sekunde: „Selbstverständlich werden wir ein Projekt einreichen.“
CBD – Nahrungsmittel, Tabak oder Medikament?
CBD gibt es als medizinisches Arzneimittel, das über Apotheken verkauft wird und zugelassen ist, als Blüten, die geraucht oder gedampft werden oder als Öl, das zu therapeutischen Zwecken genutzt wird, aber als Nahrungsmittel gilt. Gemeinsam ist den CBD-Präparaten, dass für die Gewinnung CBD-reiche und THC-arme Nutzhanfpflanzen verwendet werden. Ein Unterschied zwischen CBD-Ölen, legalen CBD-Blüten und dem CBD-Medikament ist das Ausgangsmaterial: Für die Medikamentenherstellung erfolgt der Anbau von Hanfpflanzen unter standardsierten, streng kontrollierten Bedingungen, während der Hanfanbau für CBD-Blüten und Öle in der Regel nicht streng geregelt und kontrolliert wird. Auch die Besteuerung unterscheidet sich. Wie gut eine Behandlung mit CBD wirkt, hängt von mehreren Faktoren ab: von den Beschwerden oder Symptomen. Zudem gibt es individuelle Unterschiede, wie gut jemand auf CBD anspricht. Auch das verwendete CBD-Öl oder CBD-Medikament, das jeweilige Mischverhältnis der Wirkstoffe und die Dosierung spielen eine Rolle.