Nun müssen die Apotheken ausbaden, was die Politik lange versäumte: Als Deutschland Mitte dieser Woche in den Lockdown ging, bildeten sich lange Schlangen vor den Apotheken. Der Grund dafür war, dass Über-60-Jährige und Angehörige von Risikogruppen jeweils drei FFP-2-Masken – zum Stückpreis von fünf bis sechs Euro – kostenfrei in den Apotheken abholen durften. Ein Ausweis genügte oder eine Eigenauskunft zur Risikogruppe. Diese Regelung gilt bis zum Jahresende. Ab Januar wird es mit einer geringen Eigenbeteiligung über die Krankenkassen Coupons für zwölf weitere Masken geben. Für die erste Aktion blieb den Apotheken kaum Zeit zur Vorbereitung – und zur Kontrolle. Es ist schon vorhersehbar, dass Menschen versuchen können, sich in mehreren Apotheken Masken zu besorgen, um anschließend einen schwunghaften Handel zu eröffnen und ordentlich Reibach zu machen, denn die Kosten für die ganze Aktion in Höhe von 2,5 Milliarden Euro trägt der Bund. Es ist eine weitere aktionistische Tat der Bundesregierung in der Bekämpfung der Corona-Pandemie.
Sie ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn das Virus wütet vor allem dort, wo die besonders Gefährdeten leben, alte Menschen und Vorerkrankte. „Die häufigste Ursache für die Ausbreitung des Virus in den Heimen ist die nicht erkannte Infektion“, so Andrew Ullmann, Mediziner und Abgeordneter der FDP im Bundestag. Genau hier fehlt der Bundesregierung jedoch ein Konzept, um die sogenannten vulnerablen Gruppen effektiv zu schützen. Etwa durch Fieber-Messungen am Eingang von Heimen, regelmäßigen Tests von Mitarbeitenden und Bewohnern sowie strengere Kontrollen der Hygiene-Regeln.
Als mangelhaft erweist sich auch die Corona-Warn-App. Sie informiert bisher nur über Risikobegegnungen, teilt aber nicht mit, wann und wo genau diese stattgefunden haben. Politiker wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fordern daher eine Lockerung des Datenschutzes, manch einer ist für die Nachverfolgung nach südkoreanischem Vorbild, bei der über GPS auch die Standortdaten und Bewegungsmuster der Menschen sowie deren Begegnungen aufgezeichnet werden. Um dies technisch realisieren zu können, müsste jedoch eine komplett neue App entwickelt werden. Die existierende App könnte nach Meinung von Experten etwa um ein Kontakttagebuch und eine Clustererkennung erweitert werden. Dies dient zur Erkennung von sogenannten Superspreader-Events. Um auch Menschen, die kein Smartphone besitzen, den Zugang zur App zu ermöglichen, werden derzeit in Schleswig-Holstein und Sachsen Alternativen getestet.
Überhaupt hinkt Deutschland bei der digitalen Bewältigung der Pandemie hinterher. Die Nachverfolgung der Infektionsketten in den rund 400 Gesundheitsämtern erfolgt meist noch über Papierlisten, Excel-Tabellen und Fax. Dabei hatte zu Zeiten der Ebola-Epidemie das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) mit staatlichen Mitteln eine spezielle Software entwickelt, die in Ghana und Nigeria auch erfolgreich eingesetzt wurde.
Ein weiterer Schwachpunkt der deutschen Corona-Politik ist, dass das Infektionsgeschehen an Schulen wissenschaftlich nicht ausreichend erforscht wird. Es muss untersucht werden, welche Rollen Schulen und Kitas als Virenschleudern spielen, und inwiefern Maßnahmen wie Maskentragen, Reduzierung der Klassengrößen, häufiges Lüften und dergleichen funktionieren. Gleiches gilt auch für Arbeitsplätze.
Schließlich verliert Berlin langsam die Geduld, dass mit den Impfungen noch nicht begonnen werden kann. Als Zeichen der europäischen Solidarität gibt es für den Impfstoff keine nationale nationalen Notfallzulassungen, sondern eine zentrale durch die European Medicines Agency (EMA) – und eine gemeinsame Verteilung gemessen an der Bevölkerungszahl der Mitgliedsstaaten. Es wird befürchtet, dass wegen der Produktion für andere Staaten, die schon munter impfen – wie Großbritannien, die USA und Kanada –, hierzulande anfangs weniger Dosen zur Verfügung stehen als erwartet. Doch die EMA möchte sich nicht treiben lassen.
In der Bevölkerung stößt das milde Vorgehen gegen Gegner der Corona-Maßnahmen auf Unverständnis. Während private Feiern aufgelöst werden, bleiben Auftritte, Demonstrationen und andere Aktionen etwa des Vereins „Querdenken“ ohne Folgen.