Heute loben wir den bewaffneten Naturschutz. Es gibt mittlerweile einen besonderen Tag für alles. Wir kennen bereits den Tag der schwangeren Koalabären, den Tag der bienenzüchtenden Eisenbahner, den Tag der pensionierten Operndiven, den Tag der verwaisten Nacktschnecken, den Tag der Muttermilchsäuglinge, den Tag der abgestürzten Hochstapler, den Tag der japanischen Evangelisten, den Tag der schrägen Musikkapellen, den Tag der Disco-Queens, den Tag der vegetarischen Nonnen, den Tag der Abschreiber und Ideendiebe, den Tag der fliegenden Kälber, den Tag der galoppierenden Bürohengste, den Tag der Gottesanbeterinnen, den Tag der melodisch kläffenden Hunde. Es fehlte nur noch einer: Der Tag der Jagd. Nun ist es soweit. Am 9. Juni ruft der einheimische Jägerverband zur „Porte ouverte“ im Wald.
Wir wussten zwar nicht, dass es im Wald Türen gibt (das ist wohl eher eine Wunschvorstellung der wackeren Waidmänner), aber uns gefällt die Idee, einen Tag lang den Flintenschwingern bei ihrem Massakerhandwerk über die grüne Schulter zu schauen. Natürlich werden wir nicht vergessen, heimlich auch unseren eigenen Schießprügel unter dem Freizeitkittel zu verstecken, man weiß ja, wie schnell es unter exaltierten Wildtötern zu Notwehrsituationen kommen kann. Diesen „etwas anderen und besonderen Tag in der Natur“ (O-Ton Jägerverband) möchten wir auf keinen Fall verpassen. „Wëlls du aktiven Naturschützer ginn, da gëff Jeeër!“ (O-Ton Jägerverband). Das nehmen wir uns jetzt mal zu Herzen.
Denn bisher waren wir eher inaktive Naturschützer, biedere Müllsortierer, stinkfaule Biotop-Genießer und naive Baum- und Heckenpfleger. Die Jäger haben recht: Da fehlt doch was. Und zwar die aktive Ausstattung mit dem naturschützenden Schießgewehr. Wer nicht mit der Flinte durch die Wälder läuft, ist bestenfalls ein Naturschwärmer, aber kein Werktätiger an der Bio-Front. Nur wenn es knallt, wibbelt de Bësch.
Vom „1. Luxemburger Tag der Jagd» hatten wir übrigens eine völlig irrige, fast schon blasphemische Vorstellung. Da ausdrücklich auch Familien mit Kindern zum Waldfest gelockt werden sollen, malten wir uns aus, mit welch pädagogischer Verve die Knallifaxe sich dem Naturschutznachwuchs widmen könnten. Wie zerlege ich einwandfrei eine Tierleiche? Willst du ein farbiges Bild malen von einem fachgerecht zerfetzten Bambi? Hast du schon nachgezählt, wie viele naturverheerenden Vierbeiner die guten Onkels mit den grünen Hüten heute zur Strecke gebracht haben? Hast du schon einmal Pâté de marcassin gekostet? Und Huesenziwwi? Sollen wir dir ein bisschen Kompetenzförderung zuteil kommen lassen? Na, dann greif mal fix zur Flinte und ziele ins Gebüsch! Nur wer übt, bringt es beim aktiven Naturschutz zum durchschlagenden Erfolg. Schließlich wollen wir den ausgezeichneten Pädagogen aus der Herrenbergkaserne nacheifern. Auch sie bringen den Kleinsten bei, wie schön sich eine Waffe anfühlt. Da kommt Feierlaune auf. Die kids dürfen mit den Maschinenpistolen jonglieren, dass es eine Freude ist. Nichts geht über ein bewaffnetes Kinderlachen. Ist der aktive Freiheitsschutz nicht ein bombiges Vergnügen?
Nun, da lagen wir ganz schön daneben mit unseren unqualifizierten Spekulationen. Denn beim Jäger-Happening im Frühlingsforst geht es um ganz was anderes. Laut Selbstbeschreibung haben die Jäger „eine gesetzlich geregelte Aufgabe zum nachhaltigen Schutz von Flora und Fauna.“ Fällt Ihnen was auf? Genau. Die Flora steht an erster Stelle. Also sollten wir uns langsam damit abfinden, dass die Jäger im Grunde ihres Herzens passionierte Blumenliebhaber sind. Eigentlich streifen sie nur durch die Wälder, um Farnwedel und Mairöschen zu schützen. Das klingt höchst plausibel.
Es ist ja bekannt, wie ungezügelt das Wild sich immer wieder an den bedauernswerten Pflanzen vergreift. Die Hasen und Rehe und Wildsäue vergewaltigen sozusagen permanent das zarte und wehrlose Grün auf dem Waldesboden. Wenn also der Jägersmann gezwungen ist, all diese unverschämten Angreifer zu liquidieren, tut er es schweren Herzens aus lauter Liebe zur bedrohten Flora. Pâté de marcassin und Huesenziwwi zählen nur zu den Kollateralschäden der Jagd. Sie sind weder Ziel noch Inhalt der Jägerphilosophie. Im Mittelpunkt steht immer das rechtlose Blümchen.
Erbaulich wäre, wenn wir einfachen Bürger beim Jägerverband unsere persönlichen Blumenschützer anfordern könnten. Ein Grünrock pro Geranie, ein Waffenträger neben jeder Pfingstrose: das wäre interaktive Natursolidarität. Die Herrschaften sind ja sehr leistungsstark beim Abschuss, sie treffen sicher auch Killerwespen, Kartoffelkäfer und Schmetterlingsraupen. Unsere lieben Pflänzchen könnten sich endlich in Sicherheit entfalten und wunderbar gedeihen. Fir Iessen a Gedrénks – das Rückgrat der Jagd – wollen wir selbstverständlich auch sorgen. Nach getaner Arbeit kommt der kühle Raupensaft und der würzige Schneckencocktail auf den Tisch. Das schmeckt zwar nicht ganz nach marcassin, aber naturschützerisch korrekt ist es allemal.