ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Der Grad der Zumutung

d'Lëtzebuerger Land vom 26.08.2022

Damit die Reallöhne nicht sinken, sind dieses und nächstes Jahr etwa fünf Indexanpassungen an die Verbraucherpreise nötig. Drei mehr, als bei der Indexmanipulation im Juni beschlossen. Die Unternehmen nennen das eine Zumutung. Zwecks zusätzlicher Indexmanipulationen kündigte Premier Xavier Bettel über Twitter „neiste Berechnunge fir Ufank September“ an.

Neueste Berechnungen des Grads an Zumutung sind einfach: Neben die vom Statec veröffentlichte Liste des principaux employeurs au Luxembourg legt man die im Handelsregister veröffentlichten Geschäftsbilanzen.

Nach den öffentlichen Dienstleistern CFL und Post ist die Supermarktkette Cactus der drittgrößte Betrieb auf der Liste. Sie verkaufte vergangenes Jahr für 917,8 Millionen Euro Obst, Waschpulver, Katzenfutter und desgleichen. Damit machte sie einen Profit von 59,8 Millionen Euro. Sie zahlte ihn vollständig als Dividenden an ihre Besitzer aus. Die Gehälter und Löhne der Lagerarbeiter und Kassiererinnen betrugen 116,8 Millionen Euro. Drei Indextranchen dieses Jahr würden 8,8 Millionen Euro ausmachen. Theoretisch würde das den Profit auf 51 Millionen verringern. Praktisch erhöht Cactus die Preise.

Viertgrößter Arbeitgeber ist Dussmann Service. Die gering entlohnten Putzfrauen, Köche und Wachleute erarbeiteten einen Profit von 7,1 Millionen Euro. Davon nahmen sich die Aktionäre 6,0 Millionen als Dividenden. Die Firma zahlte 79,5 Millionen Euro Löhne und Gehälter. Drei Indextranchen dieses Jahr würden 5,9 Millionen Euro ausmachen. Das entspräche der Dividendenmasse: Die Tripartite soll nun entscheiden, ob die Putzfrauen oder die Aktionäre die Zeche zahlen. Nachrangig die Steuerzahler mit Steuergutschriften.

Das Versandhaus Amazon beschäftigt 3 960 Angestellte in Luxemburg. Es schickte dem Handelsregister die konsolidierte Konzernbilanz von
Amazon.com. Der Profit von 32,2 Milliarden Dollar entspricht dem halben Bruttoinlandsprodukt des Großherzogtums.

Die Bank BGL BNP Paribas bilanzierte einen Profit aus Zinsmargen und Kommissionen von 373,1 Millionen Euro. Davon schüttete sie ihren Besitzern 197 Millionen Euro als Dividenden aus. Sie zahlte 206,6 Millionen Euro an Gehälter. Drei Indextranchen dieses Jahr würden 15,5 Millionen ausmachen. Das würde das Geschäftsergebnis um fünf Prozent verringern. Die Tripartite soll darüber befinden, ob dies zumutbar ist.

Der Reifenhersteller Goodyear wies hierzulande einen Profit von 23,3 Millionen Euro aus. Die Arbeiter und Angestellten wurden mit 141,5 Millionen Euro entlohnt. Drei zusätzliche Indextranchen würden 10,6 Millionen Euro kosten. Das entspräche der Hälfte des Profits.

ArcelorMittal rangiert auf Platz acht. Die Stahlarbeiter erwirtschafteten in den lokalen Werken einen Profit von 74,8 Millionen Euro. Davon wurden 45 Millionen als Dividenden an die Aktionäre ausgezahlt. Drei Indextranchen machten 60 Millionen Euro aus. Das würde das Geschäftsergebnis auf ein Fünftel senken.

Beim Unternehmensberater PricewaterhouseCoopers machen drei Index-Tranchen 26,3 Millionen Euro aus. Er machte einen Umsatz von 483,6 Millionen. Vor allem mit Ratschlägen, wie die Kunden ihre Profite verschleiern können, um der Besteuerung zu entgehen. Er übt das bei sich selbst. Die Firma weist einen Profit von 471 674 Euro aus. Der Preis von vier Porsche. Statt Dividenden gewährten sich die Genossenschafter Boni.

Die Fluggesellschaft Luxair ist die zehntgrößte Arbeitgeberin. Sie machte einen Umsatz von 457,5 Millionen Euro. Dank ihrer Beteiligungen an anderen Firmen wies sie einen Profit von 337,8 Millionen Euro aus. Drei Indextranchen entsprächen 12,7 Millionen Euro. Oder vier Prozent des Profits.

In der Liste von 385 Unternehmen folgen Deloitte, Sodexo, Bil, Sparkasse, Cargolux, KPMG, EY, La Provençale, Nettoservice, Félix Giorgetti, Auchan und so weiter. Ihr Grad der Zumutung durch drei Indextranchen ist ähnlich.

Romain Hilgert
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