LEITARTIKEL

Balanceakt

d'Lëtzebuerger Land vom 23.06.2023

Die Regierung sei auf Touren gekommen „wie ein alter Diesel“, lästerte paperjam.lu am Dienstag ein paar Stunden, nachdem die Minister Henri Kox, Lex Delles und Franz Fayot das 13-Punkte-Paket zur Unterstützung der Baubranche vorgestellt hatten. Schon wahr: Seit vergangenem Oktober ist die Rede davon, dass vielen Baubetrieben die Aufträge ausgehen. Die Taskforce der Regierung aber wurde erst Ende April eingesetzt. Und weil das Paket fünf Wochen vor Beginn des Kollektivurlaubs herausgegeben wurde, werden die Betriebe sich erst nach dessen Ende so richtig mit dem beschäftigen können, was zu ihrem Beistand gedacht ist.

Nicht erst im April, sondern schon im November aber begann der grüne Wohnungsbauminister, mit Promotoren Verhandlungen über den Aufkauf privater Wohnungsbauvorhaben durch den Staat zu führen. Projekte, die fertig geplant sind, deren vente en future état d’achèvement (Vefa) aber nicht klappt, weil gestiegene Preise und obendrein die gestiegenen Zinsen sie unerschwinglich werden ließen. Zurzeit werden kaum noch Verfa verkauft. Weil Henri Kox in den Raum gestellt hatte, die Staatskasse könnte bis zu 600 Millionen Euro für den Aufkauf bereitstellen, waren die Erwartungen groß, dass am Dienstag ein Vefa-Füllhorn auf Staatskosten über dem Land entleert würde. Die Frage schien zu sein, welche Gewinnspanne die Regierung den Promotoren gewähren und der Staat am Ende zum Preistreiber würde.

Doch das ist eine ziemlich zynische Sicht auf die Dinge. Zum Thema Wohnungsbau enthält das Maßnahmenpaket nicht viel. Es soll dem Bauhandwerk zu Aufträgen verhelfen, wenn nicht im Neubau von Wohnungen, dann bei der Renovierung und der energetischen Sanierung. Beim Neubau von Kindertagesstätten und kommunalen Gebäuden, und überhaupt durch mehr öffentliche Aufträge: Dass die Schwelle, ab der zur Finanzierung eines größeren Bauvorhabens ein Spezialgesetz vom Parlament verabschiedet werden muss, von 40 Millionen auf 60 Millionen Euro erhöht werden soll, könnte einiges bewirken. Ein Finanzierungsgesetz ist immerhin Monate, manchmal ein Jahr auf dem Instanzenweg.

Mit dem Wohnungsbau ist das schwieriger. Das öffentliche Segment ist noch immer klein. SNHBM und Fonds du Logement produzieren am Limit. Von den Gemeinden, die der Pacte Logement 2.0 „mit ins Boot holen“ soll, hatten Ende vergangenen Jahres 48 keine einzige kommunale Sozialwohnung – man sieht das an den Gemeindefinanzen, deren Umverteilung pro kommunaler Wohnung eine Pauschale zuweist. Der Wohnungsmarkt ist in erster Linie – ein Markt.

Wie die drei Minister sich am Dienstag verstehen ließen, hoffen sie darauf, dass dieser Markt ein neues Gleichgewicht findet. Die Preise seien ja schon gesunken, bemerkte der LSAP-Wirtschaftsminister. Der DP-Mittelstandsminister stellte klar, das Paket sei „fir d’Constructioun, net fir d’Promotioun“. Der grüne Wohnungsbauminister hofft, dass 20 000 Euro Prämie für Erstkäufer und die Ausweitung der Staatsgarantie für Wohnungskredite auf 287 500 Euro etwas bringen werden. Idem die Zinssubvention, die künftig auf einen Kredit von bis zu 280 000 Euro (je nach Zahl der Kinder im Haushalt) gezahlt werden kann. Aber letzten Endes schauen die Banken auf die Kapazitäten ihrer Kunden zur Bedienung eines – teuren – Kredits.

Dabei ist nicht ausgemacht, ob die Preise für Neubauten, die gesunken sind, weiter sinken werden. Schon eher die für Altbauten. Weiter steigen dürften die Mieten auf dem freien Markt, solange der Neubau lahmt und die Zinsen nicht sinken. Politisch findet offenbar ein Balanceakt statt. Fiskalmaßnahmen zurückzunehmen, etwa die beschleunigte Abschreibung auf Mietwohnungen wieder einzuführen, hält offenbar selbst die DP nicht für opportun. Politisch aber steht Henri Kox am meisten unter Druck. Eigentlich für kaum mehr als den öffentlichen Wohnungsbau zuständig, wird am 8. Oktober für „Logement“ er die politische Rechnung bezahlen. Kann sein, dass er bis dahin noch von ein paar Vefa-Aufkäufen berichten kann. Publik ist bisher einer, über 90 Wohnungen und 55 Millionen Euro. Ein zweiter in ähnlicher Größenordnung steht im Raum. Weitere Optionen werden vom Ankaufskomitee aus Finanz- und Wohnungsbauministerium geprüft. Aber sicher ist nichts.

Peter Feist
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