Aber damals war Pandemie, Notstand! In diesem Ton bezieht auf 37 der 130 Seiten, die der Rechnungshof am Montag über das Large scale testing (LST) auf Covid-19 veröffentlichte, die Regierung Position. Der Rechnungshof recherchierte im Auftrag des parlamentarischen Haushaltskontrollausschusses (Comexbu): Ob in den drei Phasen der Massentests zwischen Mai 2020 und September 2021 die Budgets eingehalten wurden. Ob die Regierung sich an die Regeln für öffentliche Ausschreibungen hielt. Ob es Kontrollmechanismen für die Tests gab.
Was er herausfand und am Montag in einer ersten Runde mit der Comexbu besprach, liest sich ungefähr so: Die Budgets wurden eingehalten. Die Ausschreibungsregeln kreativ ausgelegt. Kontrollen gab es, doch nicht immer klare Kriterien dafür, und über die Einhaltung von „Leistungsindikatoren“ lieferte die Direction de la santé dem Rechnungshof zum Teil keine Daten. Oder man sah – in Phase 3 – dass weniger Leistung verlangt wurde als in der Phase zuvor.
Interessiert das heute noch jemanden? Vermutlich nicht. Allenfalls den CEO des Privatlabors Bionext, dessen Klage vor dem Verwaltungsgericht noch anhängig ist und ergeben soll, ob das LST von schlechter Qualität war. Und ob der von der Regierung für die drei Phasen ohne eine regelrechte öffentliche Ausschreibung ausgewählte Auftragnehmer, ein Konkurrent von Bionext, die Tests nach allen Regeln der Kunst vornehmen ließ. Doch das ist eine Sache für Experten. Ein Urteil könnte noch lange auf sich warten lassen. Bis dahin werden die Corona-Pandemie und die Tests immer weniger Leute interessieren.
Dabei wäre es nötig, die gesamte Corona-Politik kritisch zu beleuchten. Dabei auch zu klären, was das Large scale testing brachte. Die Erwiderungen der Regierung auf den Rechnungshofbericht deuten es an. Gesundheits- und Forschungsministerium sagen, Hauptziel des LST sei gewesen, „Leben zu retten“ (S.105). Dass das klappte, erkenne man zum Beispiel daran, dass die statistische Übersterblichkeit in Luxemburg vier Mal niedriger ausfiel als in Deutschland. Doch die Verhältnisse hierzulande mit einem 80-Millionen-Staat zu vergleichen, in dem es obendrein von Bundesland zu Bundesland zum Teil verschiedene Regeln gab, ist nicht nur wissenschaftlich gewagt, sondern auch politisch. Bis zum Ende der Massentests 2021 stand in jeder wöchentlichen Covid-Bilanz, dass durch das LST viel weniger positive Fälle aufgespürt wurden als durch Testung von Menschen mit Symptomen und Nachverfolgung ihrer Kontakte. Gut möglich, dass der Infektiologe Gérard Schockmel, der mittlerweile für die DP im Parlament sitzt, Recht hat mit der Einschätzung, das LST sei „rausgeschmissenes Geld“ gewesen.
Am 10. März geht die Diskussion mit dem Rechnungshof in der Comexbu weiter. Sie soll sich dann auch um die Einhaltung der Ausschreibungsregeln drehen. Das ist ein heikler Punkt, aber die größere Frage lautet, wie die Corona-Politik insgesamt beschaffen war.
Vermutlich kommt der Ausschuss nur zu dem Schluss, die Kammer solle eine „Orientierungsdebatte“ zu den Tests führen. Weil der große Teil der politischen Klasse lieber nicht über Covid-19 reden möchte. Die CSV-Abgeordnete Stéphanie Weydert nannte es am Montag im RTL-Fernsehen zwar „skandalös“, dass der Rechnungshof „Daten hinterherlaufen musste“. Doch wenn die CSV einen offensiven Umgang mit Covid-19 will, dann ist unverständlich, wieso Gesundheitsministerin Martine Deprez den Vorentwurf ihrer Vorgängerin für ein Pandemiegesetz nicht diskutieren will.
Dass der LSAP an Covid-Transparenz gelegen ist, ist ebenfalls nicht sicher: Paulette Lenert könnte in ein schlechtes Licht geraten. Die DP wiederum ist die Partei, die während der Pandemie wie heute der Regierung angehört.
Dabei kommt die nächste Pandemie bestimmt. Es wäre wichtig zu wissen, welche Regeln dann in einer freien Gesellschaft ergriffen werden sollen, wenn man keine Lockdowns will. Es wäre wichtig zu wissen, wie man entscheidet, wann wieviel gestestet werden soll, warum und mit welchen Qualitätsansprüchen. Am besten wäre, die Kammer bildet einen Sonderausschuss. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist klein. Weil die wenigsten Abgeordneten über Covid-19 reden wollen und alle ohnehin genug zu tun haben.