Wie weiter in der Tripartite?

Patronatsprotest

d'Lëtzebuerger Land vom 17.06.2010

„J.-C. Reding: Keine Einigung = Generalstreik“, hatte das Tageblatt am 31. März stolz über fünf Spalten angekündigt. Vier Wochen später kam es dann weder zu einer Einigung in der Tripartite, noch zu einem Generalstreik. Aber dafür gibt sich nun die Unternehmerseite um so kämpferischer. Der Handwerkerverband, dir neben dem Syndicat des indépendants (Sic) radikalste Unternehmerorganisation, sammelt weiter Unterschriften, mit denen er am 29. Juni vor dem Parlament aufmarschieren und zeigen will, „dass auch das Handwerk und der Mittelstand eine Stimme haben“. Diese ruft nach mäßigen Lohn- und Lohnnebenkosten, öffentlichen Aufträgen und weniger Bürokratie. Allerdings laufen die Handwerker Gefahr, etwas einsam aufzumarschieren. Denn die anderen Unternehmerorganisationen halten sich zurück; der Verwaltungsrat der mittelständischen Schwesterorganisation, des Handelsverbands, hielt es gegenüber den eigenen Mitgliedern sogar für nötig, auf Distanz zu den Handwerkern zu gehen und sich zum „klassischen Sozialdialog“ zu bekennen.

Dafür setzte die Union des entreprises luxembourgeoises nun noch eins darauf und kündigte in einem Brief an Premier Jean-Claude Juncker an, dass der Unternehmerdachverband bis auf weiteres seine Zusammenarbeit im Wirtschafts- und Sozialrat mit Ausnahme der internationalen Beziehungen einstellen will. Die Unternehmer wollen sich so Zeit geben, um über die Zukunft des Sozialdialogs nachzudenken, der zunehmend in Interessengegensätzen und Kompromisslosigkeit festgefahren scheint. Im Vergleich zur Tripartite, zu den Verwaltungsgremien der Sozialversicherung oder zum Ständigen Beschäftigungsausschuss ist der Wirtschafts- und Sozialrat allerdings noch das sozialpartnerschaftliche Gre­mium, auf das, insbesondere während der bevorstehenden Fe­rien­zeit, am leichtesten verzichtet werden kann.

Aber hinter der Ankündigung, den schwierig gewordenen sozialen Dialog im Wirtschafts- und Sozialrat zu überdenken, steckt unausgesprochen die Warnung, dass die Unternehmer die von der Regierung für den Herbst angekündigten Tripartite-Verhandlungen boykottieren könnten. Die Unternehmervertreter befürchten, dass diese Tripartite reine Zeitverschwendung wird, wenn die Gewerkschaften gegenüber den Patronatsforderungen so unnachgiebig bleiben wie im Frühjahr. Deshalb soll auf diese Weise ein im Vergleich zu den Handwerkern diskreterer Druck auf die Regierung ausgeübt werden, die in der Öffentlichkeit als Hüterin der Institutionen und damit auch des institutionalisierten Sozialdialogs erscheint. Die Regierung, die nach Ansicht der Unternehmer via LSAP zur Geisel eines unnachgiebigen OGB-L geworden ist, soll gedrängt werden, notfalls ohne das Einverständnis der Tripartite den Index zu manipulieren. Nach der für beendet erklärten Tripartite-Runde zeigte schließlich die Erklärung zur Lage der Nation, in der die Regierung alleine die Verantwortung für das Sparpaket übernahm, dass das geht.

Die einstweilen bloß implizit formulierte Drohung eines So­zial­part­ners, die Tripartite zu boykottieren, ist ein Novum in der Geschichte des in der Vergangenheit viel gefeierten Luxemburger Modells. Sie zeigt, dass unter den sehr liberalen und sehr globalisierten Verhältnissen von heute die Bedeutung der institutionalisierten Sozialpartnerschaft abnimmt, bis sie nicht mehr länger als Standortvorteil, sondern als Kostenfaktor verbucht werden könnte. Eine Rechnung, die nicht nur lokale Handwerkermeister zu machen scheinen, sondern, nach dem rezenten Abgang des letzten Gewerkschaftsvertreters im Verwaltungsrat von Arcelor-Mittal, auch die neuen, für lokale Gepflogenheiten weniger empfänglichen Hausherren der Stahlindustrie oder der Bankenvereinigung.

Romain Hilgert
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