Liebe „Ma jiddereen, deen awer en Hausdéier doheem huet oder hat, dee weess, datt en Déier vill méi ass wéi eng einfach Saach. En Hausdéier ass fir vill Leit wéi e Member vun der Familljen. Mir schenken hinnen eppes, Zoutrauen, Léift, a si schenken eis dat retour. An ech ka mat Recht behaapten, datt et näischt méi Treies gëtt wéi en Hond“, erzählte der frühere Nord-Abgeordnete Edy Mertens (DP) im Juni 2018 in der Abgeordnetenkammer, bevor das Parlament einstimmig das neue Tierschutzgesetz verabschiedete. Seitdem sind die Würde, der Schutz des Lebens, die Sicherheit und das Wohlbefinden von Tieren gesetzlich geschützt. Auch in der neuen Verfassung, die noch vor Jahresende in Kraft treten soll, spricht der Staat Tieren „la qualité d᾽êtres vivants non humains dotés de sensibilité“ zu und verpflichtet sich, ihr Wohlbefinden zu schützen.
In der alltäglichen Praxis hat sich für die Tiere dadurch nichts geändert. Nutztiere werden noch immer ausgebeutet und geschlachtet, Wild wird weiterhin geschossen. Nur Hunde und Katzen, die der Mensch im Laufe der Jahrhunderte zu seinen „Kompagnons“ auserkoren und nach seinen ästhetischen Idealvorstellungen durch Züchtung geformt hat, werden inzwischen von ihm als vollwertige „Familienmitglieder“ betrachtet. Insbesondere Hunde stehen zum Menschen jedoch in einem hochgradigen Abhängigkeitsverhältnis, das auch ihre „Treue“ erklären dürfte. Im Gegensatz zu freilaufenden Katzen haben sie es verlernt, zu jagen; um zu überleben, sind sie auf das Wohlwollen ihres Besitzers angewiesen. Nicht zuletzt stellen Haustiere eine Bedrohung für die Artenvielfalt dar: Hunde, weil viele Wildtierarten vor ihnen Angst haben und fliehen, wenn sie im Wald aufkreuzen; Katzen, weil sie Vögel jagen und dadurch deren Bestände dezimieren.
Alleine in Luxemburg leben laut Veterinärinspektion zurzeit über 50 000 Hunde. Sie unterliegen einer strengen Überwachung. Laut dem Hundegesetz von 2008 muss ihr Besitzer ihnen mindestens vier Monate nach ihrer Geburt einen elektronischen Chip einpflanzen, sie gegen diverse Krankheiten impfen lassen und sie in ihrer Wohngemeinde anmelden. Sogar Steuern müssen Hunde zahlen – mindestens zehn Euro pro Jahr. In den meisten Gemeinden liegt dieser Betrag aber wesentlich höher. Bestimmte Rassen wie Staffordshire, Tosa, Mastiff oder Pit Bull, die 2008 etwas willkürlich als potenziell gefährlich eingestuft und deshalb auf einer Liste vermerkt wurden, müssen eine Sonderausbildung absolvieren, ihr Halter benötigt einen sogenannten „Hundeführerschein“. 500 solcher „Listen-“ oder „Kampfhunde“ sind derzeit in Luxemburg registriert, die meisten werden aus dem Ausland importiert.
Bauerekazen Für Katzen sind die Anforderungen weniger streng. Zwar brauchen auch sie laut dem neuen Tierschutzgesetz einen Chip, doch weil sie nicht behördlich angemeldet werden müssen, wird diese Pflicht von den Besitzern häufig vernachlässigt. Damit sie sich nicht übermäßig reproduzieren, müssen freilaufende Katzen – im Gegensatz zu reinen Hauskatzen – kastriert werden. Eine Ausnahme sieht die entsprechende ministerielle Verordnung für die sogenannten „Bauerekazen“ vor: Sozusagen als „Belohnung“, weil sie auf Höfen Mäuse und andere „Schädlinge“ jagen.
Nun kommt es des Öfteren vor, dass Menschen sich einen Hund oder eine Katze zulegen und nach einiger Zeit feststellen, dass sie keine Verwendung mehr dafür haben. Anders als bei Kindern sind bei Haustieren die Bedingungen für eine Trennung weniger streng. Die Ursachen sind vielfältig: Senioren, die ins Altersheim müssen; Menschen, die nach einer Scheidung oder einem anderen Zwischenfall in eine neue Wohnung umziehen, in der Haustiere nicht erlaubt sind; plötzlich auftretende Allergien; Hunde mit „schwierigem“ Verhalten. Hunde werden manchmal ausgesetzt, Katzen laufen davon. Die meisten dieser Tiere kommen dann auf irgendeinem Weg ins Heim. Tausende sind es jedes Jahr.
In Luxemburg gibt es derzeit vier Tierasyle. Das größte und älteste ist in Gasperich und wird von der Lëtzebuerger Déiereschutzliga betrieben. Die restlichen drei sind im Süden angesiedelt: in Düdelingen, Esch/Alzette und Schifflingen. Zusätzlich existiert noch eine Reihe von Tierschutzvereinen, die verlassene Haustiere bis zu ihrer Weitervermittlung in Pflegefamilien unterbringen. Vier Organisationen haben sich vergangene Woche an die Öffentlichkeit gewendet, weil sie erneut überlastet sind und auf Missstände hinweisen wollten. Insbesondere für Hunde sind die Wartelisten lang. Das Tierheim in Gasperich könne voraussichtlich bis September keine neuen mehr aufnehmen, sagt dessen Sprecherin Liliane Ferron dem Land. In Düdelingen und Schifflingen sieht es nicht besser aus, in Esch/Alzette war diese Woche niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Die Überlastung führen die Tierschützer auf mehrere Ursachen zurück. Laut Sacha André, Präsident des Schifflinger Tierschutzvereins, hätten während des Corona-Lockdowns viele Familien sich einen Hund oder eine Katze zugelegt, um die Isolation und die Einsamkeit besser ertragen zu können. Als sie das Homeoffice verlassen mussten und die Schulen wieder öffneten, hätten sie feststellen müssen, dass sie eigentlich keine Zeit für ein Haustier hätten. In Gasperich und vereinzelt in Schifflingen kommen zudem Listenhunde unter, die von den Justizbehörden beschlagnahmt werden, weil ihre Halter die gesetzlichen Auflagen nicht erfüllen (dem Düdelinger Tierheim hat die Gemeinde die Aufnahme von Listenhunden untersagt). Die Veterinärinspektion beklagt ihrerseits die zahlreichen Importe von Straßenhunden aus südosteuropäischen Ländern durch Tierschutzorganisationen. Hunden, die mehrere Jahre auf der Straße gelebt haben, könne die Umstellung auf ein geregeltes Familienleben in einem Haus oder in einer Wohnung durchaus schwerfallen, erklärt die Veterinärinspektorin Bérit Majeres.
In den Heimen sind vor allem Hunde platzintensiv. Manchmal müssen sie isoliert voneinander in Boxen gehalten werden, weil sie sich nicht miteinander vertragen. Bei Katzen kommt das selten vor. Ihre massive Präsenz in den Tierheimen ist eher darauf zurückzuführen, dass sie sich im Frühjahr und im Herbst ungebremst vermehren. Die gesetzliche Kastrationspflicht für freilaufende Katzen wird oft nicht eingehalten und auch die Auflage, Katzen zu chippen, wird selten befolgt; folglich kann der Besitzer nicht ermittelt werden. Überdies bezweifeln einige Tierschützer, dass die gesetzliche Ausnahme für Bauerekazen sinnvoll ist. Um das Chippen und die Kastration müssen sich deshalb die Mitarbeiter der Tierheime kümmern, sobald die Katzen dort landen. Manche Gemeinden wie Düdelingen, Esch/Alzette und Schifflingen erstatten ihren Bürger/innen und den Tierheimen die Kosten für die Katzenkastration zurück; andere, wie die Stadt Luxemburg, tun das bislang nicht.
175 Prozent Das Problem überfüllter Tierheime stellt sich seit Jahren im Sommer, wenn die Menschen in Urlaub fahren. Nur in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 sei es etwas ruhiger gewesen, sagt Paul Weber, Präsident des Düdelinger Tierschutzvereins Spad. Der Hundebereich des regionalen Düdelinger Asyls war vergangene Woche zu 175 Prozent belegt. Wenn die regulären Boxen alle besetzt sind, improvisieren die Mitarbeiter und schaffen zusätzlichen Platz in Räumen, die ursprünglich nicht dafür vorgesehen waren. Ideal ist diese Situation nicht. Eigentlich plant die Gemeinde Düdelingen mit Unterstützung des Staats schon seit Jahren ein moderneres und größeres Tierheim im idyllischen Park Le‘h zu bauen. 2016 wurde das Projekt erstmals vorgestellt, doch der Baubeginn hat sich immer wieder verzögert. Zuletzt hieß es, die Arbeiten sollten nach den Sommerferien beginnen. 2023 ist ein Wahljahr, die Chancen stehen gut, dass die Bagger nun tatsächlich anrollen.
Das Tierheim in Gasperich wurde vor zehn Jahren vergrößert, das in Schifflingen vor zwei Jahren. Beide platzen aber längst schon wieder aus allen Nähten. Von den Tierschützer/innen bemängelt wird vor allem, dass es im Norden kein Tierasyl gibt. Rosie Strauch, Ehrenpräsidentin vom Déiereschutz Norden, hat bis vergangenes Jahr zwar noch Hunde und Katzen bei sich zu Hause in Wiltz aufgenommen. Mit ihren 82 Jahren schafft sie es aber inzwischen nicht mehr, sich ordnungsgemäß um sie zu kümmern. Der für Tierwohl zuständige Landwirtschaftsminister Claude Haagen (LSAP) hat die Tierschutzvereine vergangene Woche zu einer Unterredung eingeladen, die im Herbst stattfinden soll.
Der Staat ist im Tierschutzbereich bislang kaum aktiv. Seit 2018 vergibt er zwar Zulassungen an Organisationen, die bestimmte Bedingungen erfüllen. Diese Vereinigungen können dann für einzelne Leistungen staatliche Subventionen beantragen. Größtenteils finanzieren sich die Tierschutzvereine jedoch durch Privatspenden. Glücklich schätzen dürfen sich die, die wie Déierschutzliga und Spad als d᾽utilité publique anerkannt sind, denn in dem Fall können Spender ihre Beiträge von der Steuer absetzen, was den Anreiz zum Spenden erhöht. Kleinere Vereine erfüllen häufig nicht die dafür erforderlichen Voraussetzungen oder die Prozedur ist ihnen zu kompliziert.
In Luxemburg gibt es eine Vielzahl an Tierschutzvereinen mit zum Teil unterschiedlichen Schwerpunkten, die zueinander in Konkurrenz stehen. Jeder Verein versuche sich selbst zu profilieren, um im Wettbewerb um Spenden zu den Gewinnern zu gehören, bemängelt eine Tierschützerin. Zwar gibt es wohl Allianzen zwischen einzelnen Vereinen, doch einen Dachverband, der ihre gemeinsamen Interessen vertritt, existiert nicht (mehr). Die Lëtzebuerger Déiere-
schutzliga, die 2008 ihr hundertjähriges Bestehen feierte, ist die größte und traditionsreichste unter den Luxemburger Tierschutzorganisationen. Zu ihren Gründungsmitgliedern zählten der Apotheker Aloyse Kuborn und der sozialistische Abgeordnete und Freidenker René Blum, der bereits 1924 einen Gesetzesvorschlag für ein Tierschutzgesetz vorlegte, das erst 1965 umgesetzt wurde. Viele lokale Tierschutzvereine gingen im Laufe der Jahrzehnte durch interne Spaltungen aus ihr hervor. Die Escher Sektion erklärte sich schon 1962 für unabhängig, weil die Liga eine Statutenänderung vorgenommen hatte, durch die den Lokalsektionen offenbar weniger Geld zukam, was deren Weiterbestehen gefährdet hätte, wie das Wort damals berichtete. Der Düdelinger Tierschutzverein wurde 1975 als Verein gegründet, engagierte sich lange Zeit im Vorstand der Liga und wurde von ihr durch Spenden unterstützt (bis 2017 waren es jeweils 50 000 Euro jährlich). 2018 zog die Spad sich aus „vereinspolitischen Gründen“ aus der Liga zurück.
Marktwirtschaft Die Liga ist aber auch der bei weitem reichste Tierschutzverein Luxemburgs. 2021 verfügte sie über Vermögenswerte in Höhe von rund 20 Millionen Euro, darunter Reserven von rund 14 Millionen Euro. Sie legt ihr Geld nicht nur auf Bankkonten, sondern auch in Investmentfonds an, und kann sich auf großzügige Spenden und Erbschaften verlassen. Der Verein ist im hauptstädtischen Bürgertum gut vernetzt: Der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar war 2008 Präsident des Organisationskomitees für die Hundertjahrfeier; sein jüngerer Bruder, der Geschäftsanwalt Jerry Mosar, ist seit fast 30 Jahren Vizepräsident der Liga. Generalstaatsanwältin Martine Solovieff ist seit fast 40 Jahren Mitglied im Verwaltungsrat. Die Lëtze-
buerger Déiereschutzliga rechtfertigt ihre hohen Reserven damit, dass man für die Zukunft vorsorgen wolle. Schließlich verwalte man das „nationale“ Tierasyl mit 20 festangestellten Mitarbeiter/innen – und das fast ohne öffentliche Unterstützung.
Von solchen finanziellen Mitteln können die drei kleineren Tierheime nur träumen. Das größte von ihnen ist das Düdelinger Asyl, das immerhin fünf Tierpfleger und zwei Verwaltungsmitarbeiter beschäftigt. Das Spad hatte Ende 2020 lediglich 268 000 Euro auf dem Konto. Der Escher Tierschutzverein Sepa machte 2021 einen außerordentlich hohen Gewinn von rund 680 000 Euro, was laut Bilanz vor allem auf hohe Spenden – vermutlich durch eine dem Tierwohl vermachte Erbschaft – zurückzuführen ist. Der Schifflinger Tierschutzverein hat schon seit einigen Jahren keine Bilanz mehr veröffentlicht. Vereinigungen, die kein Tierheim verwalten, arbeiten fast ausschließlich ehrenamtlich mit Pflegefamilien zusammen und verfügen daher über wesentlich kleinere Budgets.
Wenn die Regierung das vor vier Jahren von der Kammer verabschiedete fortschrittliche Tierschutzgesetz tatsächlich praktisch umsetzen möchte, wird der Staat sich künftig finanziell stärker in diesem Bereich engagieren müssen. Eine Möglichkeit wäre, das „nationale“ Tierschutzasyl in Gasperich und das „regionale“ Heim in Düdelingen zu öffentlichen Einrichtungen zu erklären, damit sie mittel- bis langfristig ihren Aufgaben gerecht werden können. Vielleicht müsste Minister Haagen auch den Bau eines Heims in Ettelbrück oder in seiner Heimatgemeinde Diekirch fördern. Für den Staat würde das erhebliche Investitionen zur Folge haben. Interesse daran dürften zurzeit aber alle politischen Parteien haben. Nächstes Jahr sind Wahlen und in Luxemburg hält durchschnittlich jeder fünfte bis sechste Haushalt einen Hund. Über verlässliche Zahlen bei den Katzen verfügen die Behörden nicht. Es dürften aber sehr, sehr viele sein..