Neue Stellen für Nicolas Schmit und Henri Grethen

Aus der flexiblen Arbeitswelt

d'Lëtzebuerger Land vom 21.10.2016

Eine gewagte Konstruktion ist es schon: Arbeitsminister Nicolas Schmit (LSAP) bereitet wieder einmal seinen Abgang vor, seine Partei hat schon eine Nachfolgerin und einen Nachfolger bestimmt, der Premier hält sich bereit zur Regierungsumbildung, der Großherzog steht zur Vereidigung parat... doch die neue Stelle für den Arbeitsminister will einfach nicht frei werden. Denn bevor er seinen Sessel am Europäischen Rechnungshof räumt, will der derzeitige Amtsinhaber, Henri Grethen (DP), sicher sein, dass er Präsident der Sparkasse wird, und dazu muss er erst einmal die Prüfung durch die Europäische Zentralbank bestehen. Diese Woche gestand er am Rand einer Pressekonferenz des Rechnungshofs ein, dass er nach seinem „unangenehmen“ Vorstellungsgespräch in Frankfurt „ein schlechtes Gefühl“ habe, wie die Zentralbank urteilen werde. Nun macht die Regierung sich Sorgen, dass die seit Monaten angekündigte Regierungsumbildung unter dem Spott der CSV schiefgehen könnte, weniger, dass das Arbeitsministerium monatelang entscheidungsunfähig sein könnte.

Bemerkenswert ist aber vor allem die plötzliche Sympathie all dieser Herrschaften für die Arbeitsplatzsicherheit. Denn gemeinhin werden sie nicht müde, die mangelnde berufliche Flexibilität von Arbeitern und Angestellten zu beklagen; deren verwerfliche Neigung zum „geschützten Sektor“ des öffentlichen Dienstes statt zum unternehmerischen Trau dech!; die mangelnde Bereitschaft, mit befristeten Arbeitsverträgen, Leiharbeit, Teilzeitarbeit, Ein-Euro-Firmen und Praktikantenstellen von der Hand in den Mund zu leben; die fehlende Einsicht dafür, wie viele Arbeitsplätze durch einen Verzicht auf den Kündigungsschutz geschaffen, wie viele Arbeitslose durch einen Verzicht auf die Zumutbarkeitsklausel beschäftigt würden. Doch wenn es um die eigene Situation geht, scheinen sie erst bereit, „ins kalte Wasser zu springen“ und die „neuen Herausforderungen“ anzunehmen, wenn die Tinte unter dem neuen Vertrag trocken ist. Lieber geben sie die bis dahin genährte Illusion auf, dass es ihnen immer zuerst um das Gemeinwohl und den Dienst an der Öffentlichkeit geht.

Nicht weniger widersprüchlich ist aber die Position der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, die angestrengt darüber nachdenkt, ob Henri Grethen die nötigen Voraussetzungen mitbringt, um den Verwaltungsrat der Staatssparkasse zu leiten. Sollte sie zum Schluss kommen, dass er die Voraussetzungen nicht erfüllt, was er nicht mehr auszuschließen scheint, so führte dies zwangsläufig zu der Einsicht, dass eine Person zwar durchaus fachlich und moralisch geeignet sein kann, um den Euro­päischen Rechnungshof kollegial zu leiten und den 155-Milliarden-Haushalt der ­Europäischen Union zu kontrollieren, nicht aber, um dem Verwaltungsrat der lokalen Sparkasse vorzustehen und deren Geschäft mit einer Bilanzsumme von 43 Milliarden Euro zu kontrollieren.

Nun ist es durchaus lobenswert, wenn die Europäische Zentralbank sich darum sorgt, dass die Staatssparkasse sittlich und fachkundig geleitet wird, und sich fragt, ob ein ehemaliger Wirtschaftsminister ohne Studium der Ökonomie genügend von Wirtschaft versteht, um zwischen Staat und Direktion einen Platz in der Hierarchie der Bank einzunehmen. Dennoch darf man bezweifeln, ob beispielsweise die Deutsche Bank heute nicht am Rand des Zusammenbruchs stünde, wenn ihr Vorstandsvorsitzender John Cryan es 1981 zu mehr als seinem Undergraduate-Abschluss in Cambridge gebracht hätte. Abgesehen vom bedauernswerten Zustand, in dem sich die ökonomische Wissenschaft derzeit befindet, ist auch nicht anzunehmen, dass Banken wie Lehman Brothers oder Merrill Lynch heute noch im Geschäft wären, wenn ihre Präsidenten und Vizepräsidenten den Stresstest der Europäischen Zentralbank bestanden hätten. Die Ursache dieser Banken Unglück muss also irgendwo anders liegen.

Romain Hilgert
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