Kommende Woche will ihn der delegierte Nachhaltigkeitsminister Marco Schank (CSV) vorstellen, den Entwurf für das neue Abfallgesetz, durch das mit einiger Verspätung die europäische Abfallrichtlinie von 2008 umgesetzt werden soll. Im Vordergrund stehen dabei Ziele von einer Recyclingrate von 50 Prozent der produzierten Hausmüllmenge und von 70 Prozent des Bauschutts, die bis 2020 erreicht werden sollen. Dabei steht Luxemburg laut Schank, was den Hausmüll betrifft, gar nicht so schlecht da. Schon jetzt beträgt die Recyclingrate 42 Prozent, sagt der Minister. Wie es um die Wiederverwertungsraten von Bauschutt steht, weiß man hingegen nicht so genau, sagt der Direktor der Umweltverwaltung Robert Schmit, das lasse man derzeit noch prüfen. Zwischen 50 und 60 Prozent vielleicht, das sei auch Definitionssache.
Weil Abfall eigentlich Aufgabe der Gemeinden und Syndikate ist, zu denen sie sich zusammengeschlossen haben, sagt Schank, „können wir die Richtung für die Maßnahmen vorgeben“, mit denen die Ziele erreicht werden sollen. Wie sich die Gemeinden in der Praxis tatsächlich organisieren, bleibt ihnen überlassen.
„Viel Potenzial“ um die Restmüllmengen zu reduzieren, sieht Schank vor allem bei den organischen Müllfraktionen: Küchenabfälle und Grünschnitt, Abfälle, die in die Biotonne gehören. Doch Biotonnen gibt es längst nicht in allen Gemeinden. Genauer gesagt: In 84 Gemeinden; die Stadt Luxemburg führt sie gerade ein. Bei der Restabfallanalyse 2009/2010 hatte sich ergeben, dass der Inhalt der schwarzen Tonnen zu 39 Prozent aus Biomüll besteht. Deswegen schreibt das Gesetz vor, dass dieser künftig gesondert gesammelt werden und vorrangig kompostiert oder vergärt, das heißt, Biogasanlagen zugeführt, werden muss. Weil man mit dem Ziel der Müllreduzierung das der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien kombinieren will, schreibt der Gesetzentwurf außerdem vor, dass Abfälle, die zur Energiegewinnung weiterverwertet werden können, nicht exportiert werden dürfen.
Dieses Exportverbot erhitzt jetzt schon die Gemüter. Die Industriellenvereinigung Fedil ist dagegen, weil sie solch „protektionistische“ Maßnahmen, die ihrer Ansicht nach gegen das Prinzip des freien Warenverkehrs im europäischen Binnenmarkt verstoßen, generell ablehnt. Auch weil man bei der Fedil befürchtet, andere Mitgliedstaaten könnten ähnliche Bestimmungen annehmen – zu Ungunsten der Luxemburger Wirtschaft. „Dabei können wir nur verlieren“, sagt René Winkin von der Fedil. Beispielsweise, wenn die Nachbarländer die Ausfuhr des Recyclingstoffs Schrott verbieten, der in Luxemburger Stahlwerken zu Stahl verarbeitet wird. „Wir sehen darin einen gefährlichen Präzedenzfall“, warnt Winkin. Was, wenn es in Luxemburg nur einen Abnehmer für eine gewisse Abfallsorte gebe, der aber schlechtere Preise biete als Konkurrenten aus dem Ausland? Was, wenn die nächstgelegene Anlage zur Verwertung eines Abfallstoffes nicht innerhalb, sondern jenseits der Grenzen in der Großregion liege? Anstatt dass man nun die energetische Verwertung unter Androhung von Exportverboten vorschreibe, solle man erst einmal die Projekte positiv begleiten, die schon bestehen, meint Winkin. Zum Beispiel die Verwertung von Altreifen als Brennstoff in der Industrie.
Nico Godart von der Biogasanlage Naturgas Kielen sieht eher die Vorteile. Zwar müsse man jeweils abwägen, wie weit man welche Stoffe zur Verwertung transportieren will, bevor das Ganze unsinnig werde, er warnt aber zugleich vor Heuchelei: Mineralölprodukte würden schließlich auch um die halbe Welt transportiert. Wichtig sei im Endeffekt der Energiegehalt des jeweiligen Wertstoffs. Von „Wertstoffen“ anstatt von „Abfällen“ zu sprechen, das ist auch Minister Marco Schank eine Priorität. Doch für den Erwerb eines Wertstoffs würde man normalerweise bezahlen. Das ist beim Biomüll nicht der Fall.
Naturgas Kielen verwertet die Bioabfälle der Gemeinden, die ans Abfallsyndikat Sica angeschlossen sind, und hat sich kürzlich an einer Ausschreibung zur Verwertung der Bioabfälle der Stadt Luxemburg be-teiligt. Dabei zahlt die Stadtverwaltung die beteiligten Biogasanlagen dafür, dass sie ihr den Biomüll abnehmen. Der enthalte viele Störstoffe, müsse sorgfältig vorbehandelt werden, erklärt Godart, anders als die Silage, welche die Mitglieder der Kehlener Bauerngenossenschaft anliefern, und die ohne Vorbehandlung in die Vergärungsanlage kann.
Ob es überhaupt genug Anlagen gibt, um die Bioabfälle Luxemburgs zu verarbeiten? Wenn alle Anlagen genehmigt würden, die derzeit beantragt seien, meint Godart, werde es sicher nicht an Kapazitäten fehlen. Das sieht Winkin von der Fedil ähnlich. Eher sei zu befürchten, dass verschiedene Projektbetreiber planten, dieselben Müllmengen zu vergären wie die Konkurrenten.
Dabei werden die Recycling-Ziele durch die Aussonderung des Biomülls allein nicht zu erreichen sein, meinen Recycling-Experten. Denn bei der Restabfallanalyse aus dem vergangenen Jahr stellte sich heraus, dass im Restmüll noch 17,8 Prozent Papier und Karton enthalten sind, sowie 15,3 Prozent Kunststoffabfall. Um Gemeinden und Verbrauchern neue Anreize zu geben, ihren Müll besser zu sortieren und dadurch die Restmüllmenge auf ein Minimum zu reduzieren, will man dort ansetzen, wo sie am schnellsten reagieren: beim Portemonnaie.
Zwar steht auch schon im aktuellen Abfallgesetz, dass die Abfalltaxen der Gemeinden erstens die Kosten für die Müllsammlung und -behandlung decken müssen und sich zweitens an der real produzierten Abfallmenge orientieren müssen. Doch das interpretierten, sagt Robert Schmit, viele Gemeinden bisher freizügig. Nur 21 Gemeinden haben jetzt schon ein System, bei dem entweder nach dem Gewicht der Tonne abgerechnet wird oder nach der Frequenz der Entleerung – das heißt, die Tonne wird nur dann entleert, wenn sie voll ist. Die Mehrheit der Gemeinden gibt ihren Einwohnern die Wahl zwischen einer günstigeren kleinen oder einer teueren größeren Tonne. Wie voll sie bei der Sammlung ist, wird nicht geprüft und hat keinen Einfluss auf die Höhe der fälligen Abgaben. „Ein solches System orientiert sich nicht an der wirklichen Müllmenge“, gibt Schmit zu bedenken. Und soll deshalb abgeschafft werden. Die Tonnen sollen auf die Waage oder seltener geleert werden.
„Ein bisschen Druck ist sinnvoll“, sagt Marc Simon von der Firma CCN, die Gemeinden in Sachen Abfallbehandlung und Recycling berät und selbst die Recyclingzentren in Hesperingen, Munsbach und Junglinster im Auftrag von Gemeinden und Syndikaten betreibt. In der Gemeinde Contern, die zum Syndikat Sias gehört, habe man beispielsweise festgestellt, dass die Restmüllmengen anstiegen, nachdem die Gemeinde beschloss, die schwarzen Tonnen wieder wöchentlich anstatt im Vierzehntagetakt leeren zu lassen. „Weil dadurch mehr Volumen in der schwarzen Tonne zur Verfügung stand“, sagt Simon, taten die Einwohner Abfälle hinein, die sie vorher fürs Recycling aussortierten.
In den Sias-Statistiken lässt sich auch erkennen, dass die Bürger der Gemeinde Niederanven größere Mengen ins Recyclingzentrum bringen, als die der anderen Syndikatsgemeinden. „Sie sind am nächsten dran“, erklärt sich Simon dieses Phänomen. „Die Maßnahmen funktionieren nur im Verbund“, sagt er. Das bedeute finanzieller Druck, geographische Nähe zu den Sammelstellen und ein geringer Aufwand. Das Recyclen leichter machen auch die blauen Tüten von Valorlux. In Valorlux sind der Verpackungsproduzenten und -vertreiber unter anderem aus der Lebensmittelindustrie zusammengelschlossen. Der Verband sammelt und verwertet für seine 1 092 Mitglieder die Verpackungen, die sie auf den Markt bringen, wozu sie durch das gesetzlich verankerte Verursacherprinzip verpflichtet sind. 106 von 116 Gemeinden waren Ende 2010 ans Valorlux-Netz angeschlossen. Doch brauchen Gemeinden mit eigenen Recyclingzentren Valorlux und umgekehrt die Gemeinden, in denen die blauen Tüten vor der Haustür abgeholt werden, noch eigene Sammelstellen? „Ja“, lautet die Antwort von Marc Simon und Raymond Faha von CCN. Als kürzlich eine der SIAS-Gemeinden die Valorlux-Tüten einführte, habe man im Recyclingzentrum keine nennenswerte Baisse der Anlieferungen feststellen können. Die Tüte animiere andere Leute zum Recyclen als die, die ohnehin ihren Abfall ins Zentrum brächten. So werde in der Folge Abfall in die blauen Tüten sortiert, der vorher im Restmüll landete.
Damit die Bürger der Konsum- und Wegwerfgesellschaft ihren Abfall artig sortieren, muss das so einfach und angenehm wie möglich sein. „Das ist hier wie im Supermarkt, nur dass sie mit vollem Einkaufswagen rein – und mit leeren Wagen wieder rausfahren, anstatt umgekehrt“, erklärt Raymond Faha von CCN den Mitgliedern der parlamentarischen Nachhaltigkeitskommission, als sie am Mittwoch das neue Recyclingzentrum in Junglinster besuchen. Modern und überdacht ist es, damit leichte kleine Müllfraktionen bei Wind nicht wegfliegen und die Leute ihren Müll auch bei Regen trockenen Fußes sortieren können. Im Zentrum Junglinster beschäftigt CCN vier Mitarbeiter, die beim Recycling mit Rat und Tat zur Stelle stehen.
Auch die Öffnungszeiten spielen eine Rolle, streicht Faha hervor. „Unsere Zentren sind unter der Woche bis 18.30 Uhr geöffnet“, sagt er. So können die Einwohner wochentags nach der Arbeit kommen, wenn sie samstags nach dem Einkaufen nicht auch noch im Recyclingzentrum Schlange stehen wollen. Doch CCN beschäftigt eigene Mitarbeiter, während die Öffnungszeiten der meisten anderen Recyclingzentren dem Stundenplan des dort beschäftigten Gemeindepersonals angepasst werden. So waren manche der 24 Recyclingparks 2009 weniger als zehn Stunden wöchentlich geöffnet und nur vier mehr als 40 Stunden pro Woche zugänglich.
Dass sich das Recycling finanziell für Bürger und Gemeinden lohnt, weiß Faha, weil er es ausgerechnet hat. Sauber sortiert lässt sich ein Teil der Müllfraktionen weitervermarkten. Das werde auf jeden Fall günstiger, als alles ungetrennt zur Müllverbrennungsanlage zu fahren und deren Standardtarif pro Tonne für die Beseitigung zu bezahlen. Doch dass mit „Ressourcen“, wie Marco Schank die Recycling-Abfälle nennt, ein lukratives Geschäft zu machen sei, ist Wunschdenken. Die Betriebskosten für ein Zentrum der Größe von Hesperingen oder Munsbach betragen rund 500 000 Euro jährlich, rechnet Faha vor. Für 2011 rechnet er mit Einnahmen von nur 60 000 Euro, die durch die Vermarktung der Wertstoffe und via Valorlux-Prämie, das der Verbund den Zentren dafür zahlt, dass sie den Verpackungsmüll ihrer Mitglieder sammeln und entsorgen. Dabei sind die Preise, welche die Zentren aktuell erzielen können, wegen der hohen Ölpreise gar nicht so schlecht: 150 Euro die Tonne für Plastikflaschen und Behälter. Deutlich mehr als vor zwei Jahren und genausoviel, wie die Händler für eine Tonne Schrott bezahlen.
Der Markt ist zudem variabel. Konnte Altglas vor wenigen Jahren noch zu relativ guten Preisen vor allem nach Frankreich verkauft werden, müsse man jetzt 15 Euro die Tonne drauflegen, um Abnehmer zu finden, erklärt Faha. Der Grund: Die Franzosen recyclen in der Zwischenzeit selbst so viel, dass sie kein Altglas aus dem Ausland für ihre Getränke- und Spirituosenindustrie hinzukaufen müssen.
In Zukunft soll der Valorlux-Verbund, sagt dessen Direktor Ernest Boever, nach Wunsch des Ministers nicht nur die Materialen vermarkten, die in den blauen Säcken gesammelt werden, sondern auch Plastikflaschen, -becher, -folien, Styropor, Getränkekartons und Metallverpackungen übernehmen, die in Recyclingzentren anfallen. Die Zulassung von Valorlux werde in diesem Sinne aktualisiert, erklärt Boever. Durch die Zentralisierung der Vermarktung soll Valorlux bessere Verträge zur Weiterverwertung abschließen können als die einzelnen Zentren, die jeweils nur geringe Mengen sammeln können. Viel ist davon in finanzieller Hinsicht allerdings nicht zu erwarten. Vergangenes Jahr bilanzierte Valorlux einen Umsatz von rund sieben Millionen Euro. Die Einnahmen durch die Vermarktung der Wertstoffe beliefen sich auf rund eine Million Euro. Durch die Zentralisierung der Vermarktung erwartet Boever Mehreinnahmen von zwischen 20 000 und 60 000 Euro.