Bis ins ferne Ausland ist die Kunde gedrungen von den Begebnissen rund um die luxemburgischen Wahlplakate. Wie es schon im Vorfeld des Kampfes zu Tumulten kam. Wie es schon vor dem Wahlkampf zu einem Wahlkampfplakatekampf kam, nachts im Süden. Wie die zweitgrößte Stadt des Landes über Nacht zu einer sozialistischen Festung mutierte, wie das Tageblatt schrieb. Wie gefoppte Amts- und Plakatträger die Contenance verloren und sich amtsunwürdig gebärdeten, wie es zu mehr als einem verbalen Scharmützel kam, wie das Tageblatt weiter kryptisch ausführte. Bevor sie schlussendlich ihren Auftrag erledigten und dann war es vollendet: die Plakate klebten. Sie hingen.
Hängen. Aber nicht einfach nur so einfallslos rum. Es scheint planlos pittoresk, kreativ chaotisch, wie ich den Schilderungen der Insass/innen der betroffenen Gebiete entnehme. Aber man kann auch was lernen, ich lerne das Wort Hohlkammerplakat. Anscheinend hängen solche an Laternen, wie üblicherweise Selbstmörder/innen. Aber niemand muss sich hier fürchten, im Gegenteil, diese Plakate haben nichts Düsteres, es lächelt nur so auf Bürger/in herab, großzügig, von allen Seiten, ein omnipräsentes vielfältiges hin und wieder auch einfältiges Lächeln ergießt sich auf sie, umfließt sie, von oben herab werden sie belächelt und hinter ihrem Rücken. Und das alles gratis. Und einen Gratissinnspruch gibt es auch.
Etwas mit Zukunft z.B. Die ist immer gut. Alle wollen sie, keine/r will keine. Oder mit Grün. Grün ist auch beliebt. Zukunft und Grün wollen die Grünen. Mehr Grün gar. Wo ja schon die ADR auf ihrer Homepage so im Grün schwelgt. So ein strotzendes Petrustal, so heimisch, so heimelig, da will man sich gleich einnisten. Überhaupt fühlt man sich so wohl in den Plakaten. Die netten Leute. Alle lieben ihre Gemeinden. So viel Liebe, da musste man früher zu den Jesus-Freaks gehen oder zu den Hare Krishnas, jetzt braucht man nur in einer Gemeinde zu leben. Die CSV ist gar für ein Esch für alle, obschon das ziemlich viele sind. Die CSV ist überhaupt so gefühlvoll.
Aber auch die DP ist alles andere als neoliberal unterkühlt, wie sie sich Nichtexpertinnen klischeehaft vorstellen. Z.B. wollen sie unbedingt Gromperekichelcher, das muss so eine Art Identitätsspeise sein, mit dem Nachbarn verdrücken, der sich dann hoffentlich nicht verdrückt. Nicht genug damit, sie wollen Wahlwesen auch noch nah sein. Wirklich nah, es klingt dringlich, eindringlich. Beinah wie eine emotionale Notlage. Daliah Scholl und Pim Knaff lächeln so wundersam, einander und zugleich allen zugewandt, das ist Balsam für alle Seelen und wundgescheuerten Herzen. Aber wir müssen uns trotzdem keine Sorgen um die DP machen, sie ist jetzt nicht christianisiert worden oder in eine seltsame Parallelwelt abgedriftet. Vermutlich ist sie v.a. hungrig. Auf einem Plakat stopft sich ein kleines Mädchen gleich zwei Brötchen auf einmal in die Backen, warme frische auch noch. Und in Mersch wurden Mëtschen-Plakate gesichtet, auf denen wird die tägliche Mëtsch verheißen. Fier Iessen a Gedrenks ass gesuergt, die Luxemburgwelt scheint noch in Ordnung.
Die CSV will noch weiter. Noch näher. Näher, mein Gott, zu dir! heißt ein christlicher Choral, wird gern bei Begräbnissen gesungen. Die CSV will aber uns Menschen nahekommen, was leider viel schwieriger ist. Nach Corona auch noch. Wo wir alle unterernährt sind. Dann bieten sie auch noch Hausbesuche an. Sie wollen uns zuhören. Alle wollen uns zuhören.
Wem das zu lieblich wird, der kann sich bei der LSAP entspannen, da geht es stark und sozial zu, mit Verantwortung, so was richtet keinen Schaden an. Oder sich auf der Homepage von Déi Lénk erholen. Sie ist vorwiegend in martialischem Rot gehalten, das Design sowjetisch-realistisch inspiriert, und sinnfrei gelächelt wird auch nicht. Niemand hier will eine/n lieben und super möga ist es schon gar nicht. Hier ist der Ernst des Lebens zuhause.