Der Bankier Giovanni Giallombardo soll den Staatsbeamtenbetrieb Luxair durchrütteln

Allora andiamo avanti

Mitarbeiter waschen im Hangar der Luxair eine Boeing
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 17.05.2019

Die Luxair-Bilanz 2018 war die letzte, die Verwaltungsratspräsident Paul Helminger vorstellte. Da Helminger im Herbst 79 wird, fanden manche, sogar ein ewig jugendlich dynamischer Mann wie er nähere sich, wenn auch nur langsam, dem Ruhestandsalter. Also gab er vergangene Woche den Vorsitz der Luxair ab, behält aber den Posten des Verwaltungsratspräsidenten bei der Cargolux. Ersetzt wird Helminger bei der Luxair von Giovanni Giallombardo, der vom Hauptaktionär Staat als unabhängiges Verwaltungsratsmitglied designiert wurde. Giallombardo war als Vertreter der italienischen Geschäftsfamilie Del Vecchio in den Verwaltungsrat der Luxair gekommen, die 2015 über Delfin sàrl, die in Luxemburg angesiedelte Muttergesellschaft ihres globalen Sonnenbrillenimperiums Luxottica, die 13-prozentige Luxair-Beteiligung der Lufthansa aufkaufte.

Der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, war Giallombardo schon vorher bestens in den höheren Kreisen der feinen Luxemburger Gesellschaft integriert. Bereits unter dem Mudam-Präsidenten Jacques Santer, erklärt Giallombardo, wurde er Mitglied im Museumsverwaltungsrat. Zusammen mit unter anderem dem früheren DP-Wirtschaftsminister und Europäischen Rechnungshofmitglied Henri Grethen, dem Bankdirektor Pierre Ahlborn oder dem Geschäftsanwalt Philippe Dupong stellt er im Mudam heute noch das berüchtigte Comité de gestion. Der heute 63-jährige Giallombardo kam mit sieben Jahren nach Luxemburg, besuchte die Luxemburger Primärschule, bevor er für die Sekundarstufe zur Europaschule wechselte. Er besitze keine Parteikarte, sagt er. Dafür verfügt er über die doppelte Luxemburger-italienische Staatsbürgerschaft und hat seine Karriere im hiesigen Bankwesen absolviert, wo er lange Jahre bei der Luxemburger Filiale von Unicredit tätig war, die vergangenes Jahr ihre Türen schloss. Als Bankdirektor arbeitete er außerdem in den Gremien von ABBL und CSSF mit. Auch wenn Giallombardo die Del Vecchios nun nicht mehr bei der Luxair vertritt, ist er weiterhin Mitglied in den Verwaltungsräten von Delfin, der Immobiliengesellschaft, der deren Sitz gehört, Immochapelle, und der mittlerweile zu Essilor-Luxottica verschmolzenen Brillensparte des Konzerns.

Die Nominierung Giallombardos weist möglicherweise Parallelen zu der Ernennung Marc Hoffmanns auf, der erst den Minderheitsaktionär Bil bei der Luxair vertrat, bevor er als unabhängiges Verwaltungsratsmitglied ihr Präsident und auch Präsident der Cargolux wurde. Paul Helminger findet die Entscheidung gut. Der Bankier aus dem Privatwesen solle „diesen Staatsbeamtenbetrieb einmal durchrütteln“, sagt Helminger, so als ob dies ihm als Liberalen misslungen und es mit der Hauptbeschäftigung der Staatsbankdirektorin Françoise Thoma, die Luxair-Vizepräsidentin ist, unvereinbar sei.

Er habe den Stellenwert der Luxair in der Luxemburger Gesellschaft etwas unterschätzt, räumte der neue Präsident am Dienstag am Rande der Vorstellung der Geschäftsergebnisse von 2018 ein. Deshalb beschwichtigte er während der Pressekonferenz, seine Nominierung solle „die Luxemburger Öffentlichkeit nicht erschrecken“. Er werde „frischen Wind“ mitbringen, doch er sei vom Staat designiert und die Luxair ein strategisches Unternehmen für Land und Wirtschaft. In diesem Sinn werde er mit den Kollegen zusammenarbeiten. Wie er es mit dem Luxemburger Sozialmodell halte, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer eher den Konsens als die Konfrontation suchen? „Für den Erhalt von Arbeitsplätzen muss man kämpfen“, so Giallombardo gegenüber dem Land. „Aber die Welt hat sich stark verändert, deswegen muss man auch darum kämpfen, Mehrwert zu schaffen. Danach muss man diesen Mehrwert gerecht verteilen. Ein Unternehmen ist ein Unternehmen – es muss Mehrwert schaffen. Aber man muss das richtige Gleichgewicht finden. Man muss die Leute respektieren, wissen, wie man sie motiviert, und das darf nicht nur Blabla sein.“

Für den Wechsel an der Luxair-Spitze spricht nicht nur das fortgeschrittene Alter Paul Helmingers. Am Dienstag präsentierte eine geschlossene Reihe älterer Herren in dunklen Anzügen und mit mehr oder weniger schütterem oder graumeliertem Haar die Geschäftsergebnisse. Martin Isler, für den Flugbetrieb zuständig, hat den schrittweisen Eintritt in den Ruhestand bereits eingeleitet. CEO Adrien Ney ist 62 Jahre alt und das gesetzliche Renteneintrittsalter nicht mehr ganz weit. Bei der nationalen Fluggesellschaft steht gezwungenermaßen in nicht allzulanger Ferne eine Erneuerung der Chefetage an, die das Unternehmen in die Zukunft führen soll. Und die kündigt sich spannend an.

Da nach dem Rekordjahr 2018 das Frachtvolumen, das hauptsächlich die Cargolux ins Frachtzentrum der Luxair in Findel bringt, in den ersten vier Monaten 2019 um acht Prozent rückläufig ist, bleibt abzuwarten, ob es ein Vor- oder Nachteil ist, wenn an der Spitze der beiden Gesellschaften keine Personalunion herrscht. Immerhin hat Cargolux der Luxair laut Geschäftsbericht für die Abfertigung ihrer Jumbos vergangenes Jahr rund 80 Millionen Euro (90,2 Millionen US-Dollar) Service-Gebühren bezahlt und damit allein um die 13 Prozent zum Luxair-Umsatz von 593 Millionen Euro beigetragen. Und – in den vergangenen Jahren eine Seltenheit – 5,8 Millionen Euro Dividenden an Luxair ausgeschüttet. Auch das sind angesichts eines Nettogewinns der Luxair-Gruppe von 12,1 Millionen Euro keine Kinkerlitzchen.

Dennoch ist die Bilanz der Luxair-Gruppe sehr solide. Auf konsolidierter Ebene hat die Gruppe mit ihren Beteiligungen an Cargolux, Luxfuel und diversen Reisebüroketten in Lothringen im vergangenen Jahr die Reserven auf 419 Millionen Euro erhöht. Ging früher mal von der fliegenden Bank die Rede, bemühten die Verantwortlichen dieses Jahr das Bild des Eichhörnchens, das für den harten Winter vorsorgt. Und harte Zeiten, warnte die Firmenleitung, stünden demnächst bevor. Nicht nur weil die Volumen in der Frachtsparte rückläufig sind, die 2018 trotz Rekordtonnagen nur mit einem operativen Ergebnis von 3,9 Millionen Euro (2017: 5,1 Millionen Euro) abschloss, sondern die globale Konjunktur, von der das Frachtgeschäft abhängt, den Vorhersagen aller internationalen Gremien zufolge abkühlt. Sondern auch, weil das Liniengeschäft weiterhin hohem Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist.

Auf der Hälfte ihres Streckennetzes ist Luxair direkter Konkurrenz von einer bis zu drei anderen Gesellschaften ausgesetzt. So fliegen beispielsweise außer ihr British Airways, Easy Jet und Ryanair auf der lukrativen London-Route. Seit 2010 ist der Marktanteil der Luxair am Passagieraufkommen in Findel von 76 auf 50 Prozent gefallen, während die Passagierzahlen im gleichen Zeitraum rasant anstiegen auf knapp über vier Millionen vergangenes Jahr. Dabei sind die Ticketpreise stetig gefallen; 65 Prozent der verkauften Tickets werden zum günstigen Economy-Tarif gekauft. Da 2018 die Preise für Kerosin und CO2-Zertifikate angestiegen und im Vergleich zu 2017 deshalb Mehrkosten von über vier beziehungsweise zwei Millionen Euro verursachten, stieg der operative Verlust im Liniengeschäft von 6,3 Millionen auf rund zehn Millionen Euro. Diese Entwicklung werde sich dieses Jahr fortsetzen, warnte Adrien Ney vorsorglich am Dienstag. Die Mehrkosten für Kerosin und Verschmutzungszertifikate werden dieses Jahr im Vergleich zu 2017 bei 7,2 Millionen Euro liegen.

Die Verluste beim Liniengeschäft konnte der Touranbieter Luxairtours mit einem operativen Ergebnis von 9,7 Millionen Euro fast vollständig wettmachen. Luxairtours hat ein gutes Jahr hinter sich, konnte fast 40 000 Kunden hinzugewinnen (insgesamt: 620 000). Möglich war das, weil die Kunden weniger ängstlich waren: 30 000 der zusätzlichen Urlauber flogen nach Ägypten, Tun­esien oder in die Türkei, Ziele die aufgrund von Terroranschlägen in den Vorjahren eher gemieden wurden. Wie die Ergebnisse zeigen, zahlt es sich aus, wenn die Kundschaft erstens Paketlösungen kauft und dies zweitens für Reisen in Niedriglohnländern außerhalb der EU macht.

Dass Luxair wie die Eichhörnchen Reserven anlegen konnte, während gleichzeitig der Schuldenstand auf 197,5 Millionen Euro sank, liegt natürlich auch daran, dass die seit Jahren angekündigte Flottenerneuerung nicht vom Fleck kommt. Ihr Zweck sollte ursprünglich sein, die Bombardier Q-400 mit 76 Sitzplätzen durch ein Modell mit rund 100 Sitzen zu ersetzen, damit im Liniengeschäft die Kosten pro Flug auf mehr Passagiere verteilt und dadurch die Ticketpreise auf ein konkurrenzfähiges Niveau gesenkt werden könnten. Mittlerweile wurde eine Entscheidung für einen Flugzeugtyp, die alle Vor- und Nachteile mit sich bringen, so oft aufgeschoben, dass im Linienbetrieb unter der Woche auf den Strecken nach Portugal, aber auch nach Madrid, Wien, Bari, Dublin und Nizza die Boeing 737-700 eingesetzt werden, die ansonsten für den Tourveranstalter Luxairtours unterwegs sind. Sie bieten 140 Plätze. Auf diesen Linienstrecken wurden demnach mehrere Etappen im Kapazitätsausbau übersprungen und die Sitzzahl schlicht verdoppelt, ohne dass die Auslastung drastisch gelitten hätte. Doch der Bedarf nach einer Flottenerneuerung bestehe weiterhin, so Adrien Ney am Dienstag, auch wenn sie dieses Jahr noch nicht bewerkstelligt werde. Angesichts dieser Herausforderungen kann es nicht schaden, wenn Giovanni Giallombardi sagt: „Ich bin vom Charakter her Optimist.“

Michèle Sinner
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