Das Schlüsselgeld wird verboten? Mit der Reform des Mietrechts für Gewerbeflächen wird das Schlüsselgeld für die Vormieter gesetzlich verankert werden

Guter Handel?

d'Lëtzebuerger Land vom 07.08.2015

Mit ihrer Reform des Mietrechts für Gewerbeflächen würden die Rechte zwischen Mietern und Vermietern ausgeglichen, sagte Staatssekretärin Francine Closener (LSAP) am Montag bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs. In welche Richtung, ist noch nicht ganz klar. Das hat vielerlei Ursachen. Es liegt unter anderem daran, dass die Autoren der Reform auf der einen Seite sagen, sie wollen Geschäftsleute schützen, indem sie der mietpreistreibenden Spekulation einen Riegel vorschieben, auf der anderen Seite keine Mietbremse einführen werden, weil „dies ein zu großer Eingriff in den Markt wäre, der sich nicht rechtfertigt“, so Closener.

Es sind die hohen Mieten, die es lokalen Geschäftsleuten so schwer machen, sich in einer guten Lage niederzulassen, beziehungsweise zu überleben. Die hohen Mieten aber findet Francine Closener „gerechtfertigt – die Stadt ist ja attraktiv“. Welche Art von Handel die Regierung in der Stadt will? Individuellen, lokalen Handel, der vielleicht auch lokale Ware anbieten könnte, Franchisen großer internationaler Marken, wie sie sich in jeder größeren und Hauptstadt der Welt aneinanderreihen, Departmentstores, wie einer am Aldringen entstehen soll, Luxusboutiquen für die internationale Kundschaft der Privatbanken – so genau weiß man es nicht. Nähere Angaben über die tatsächlichen Mietpreise oder deren Entwicklung in den vergangenen Jahren beziehungsweise über das Ausmaß der Spekulation wollte die Staatssekretärin nicht machen. Wenn aber der Ist-Zustand unbekannt ist, wird es ein wenig schwierig, festzulegen, wie die Reform wirken soll und wird.

Ohne Daten, ohne Verständnis für die Geschäftspraktiken in dem Markt, in den man nicht eingreifen will, eine Reform vorzulegen; dass dies möglich ist, liegt auch daran, dass es zwei offiziell gesuchte Bösewichte gibt, denen man die Schuld für die Auswüchse der Vergangenheit geben kann: Frédéric Castera und Pascal Einhorn, deren Geschäftsgruppe mit fast 20 Geschäften in der Oberstadt und in Esch vor fast zwei Jahren insolvent wurde. Weil die beiden beim Ausbau ihres Franchisesystems relativ aggressiv vorgingen, Vermietern und Mietern hohe Entschädigungen anboten, um an Geschäftslokale zu kommen, einen Pas de porte, ein Schlüsselgeld bezahlten, war die Schadenfreude beträchtlich, als die beiden Heckenfransouse, die in den Augen vieler die Stadt übernehmen wollten, sich verhoben.

Deshalb kündigte Francine Closener jetzt, so wie es ihre Amtsvorgängerin Françoise Hetto-Gaasch (CSV) auch vorhatte, als Schlüsselelement ihrer Reform ein Verbot des Schlüsselgeldes an. Das klingt gut, dabei ist aber diskutabel, ob es wirklich die sagenhaften Schlüsselgelder waren, die Frédéric Castera und Pascal Einhorn in die Insolvenz führten, oder eher zu hohe, zu schnelle Investitionen und eine fahrlässige Geschäftsführung. Weil ihnen Chanel und Cartier in der Rue Philippe II wesentlich mehr Schlüsselgeld zahlten, als sie den Vormietern geboten hatten, damit sie das Feld räumen, haben sie einer Quelle zufolge allein auf diesen beiden Projekten Gewinne im Millionenbereich gemacht.

Der Pas de porte als solcher kommt im Gesetzentwurf gar nicht vor. Das hat gute Gründe, denn letztlich hängt alles davon ab, wer das Geld einsteckt: der Vermieter oder der Mieter. Ersteres will der Gesetzgeber nun verbieten. Letzteres will er im Gegensatz gesetzlich verankern lassen.

Das Schlüsselgeld an den Vermieter ist keine Erfindung der Geschäftsleute Castera und Einhorn, wie Jean-Marie In von der Immobilienagentur Inowai erklärt, sondern von Auchan. Im Glauben, die Mieter seien in Luxemburg ebenso gut geschützt wie in Frankreich, habe Auchan von den Einzelhändlern Eintrittsgeld für die Geschäftsgalerie im Einkaufszentrum verlangt, wie es in Frankreich üblich sei. Zwischen 150 000 und 200 000 Euro für ein Geschäftslokal von 100 Quadratmetern – „das hat die Leute überrascht“, sagt In. Wohl nicht ganz lange. „Manche Vermieter der Oberstadt wollten daraufhin das Gleiche tun“, erzählt er. Die Praxis habe sich ausgebreitet wie ein „Lauffeuer“. Dafür, dass private Lokalbesitzer solches Schlüsselgeld kassieren, gibt es seiner Ansicht nach „überhaupt keine Berechtigung“. Da seien sich, abgesehen von ein paar Vermietern vielleicht, alle Akteure auf dem Markt einig. Obwohl... Das Schlüsselgeld, eine einmalige Zahlung, ist anders als die Mieten nicht indexiert. Deshalb kann es auch für den Mieter mitunter ein Vorteil sein, wenn er dem Vermieter ein Schlüsselgeld zahlt, dafür aber eine niedrigere Miete. Dass ihr Schlüsselgeld-Verbot nicht unbedingt dazu führen wird, dass die Mieten sinken, sehen sogar die Autoren der Reform ein. In den Kommentaren zum Entwurf heißt es: „...cette disposition obligera nécessairement les bailleurs à ne demander que le loyer officiel, même si ce dernier sera alors peut-être revu légèrement à la hausse.“

Auf der anderen Seite sieht der Entwurf vor, dass ein Mieter, dessen Vertrag nach mehr als neun Jahren Mietverhältnis nicht mehr erneuert wird (ohne dass objektive Gründe wie eine Komplettsanierung oder beispielsweise ein Abriss des Lokals vorliegen), eine Entschädigung im Gegenzug dafür erhält, dass er das Geschäftslokal räumt. Ein Schlüsselgeld also, das ihm der Vermieter oder der Nachmieter zahlt. Das entspricht in etwa dem, was Frédéric Castera und Pascal Einhorn machten, um das Eiscafé und den Souvenirladen dazu zu bewegen, die Rue Philippe II zu verlassen – nur forderten sie von den Nachmietern Cartier und Chanel mehr Schlüsselgeld, als sie bezahlten. Das entspricht auch dem, was der Geschäftsverband gefordert hatte, um eingesessene Geschäftsleute vor finanzkräftigeren Anwärtern auf ihr Lokal zu schützen. Für Geschäftsleute mit moderateren Finanzmitteln wird es dadurch aber auch nicht einfacher, eine Geschäftsfläche zu sichern.

Wie hoch sind die Mieten in der Oberstadt? Um Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen, sprechen die Branchenspezialisten von Prime Rent in einer „AAA-Lage“. Die AAA-Lagen wären in diesem Fall die Rue Philippe II, die Avenue de la Porte Neuve und die Grand Rue. Stellt man sich dort einen Laden mit acht Metern Vitrinenbreite vor, entspricht die Prime Rent der Miete auf den ersten zehn Metern Geschäftsfläche hinter der Vitrine, weil dort der meiste Umsatz gemacht wird, wie Jean-Marie In erklärt. Dahinter kauften die Kunden nicht mehr so viel, im ersten Stock oder im Untergeschoss ebenso wenig, weshalb die Miete für diese Flächen niedriger sei als die auf den ersten zehn Metern. In der Oberstadt liege die Prime Rent bei 200 Euro pro Quadratmeter, sagt In, der viele der Verträge dort mitverhandelt hat. „Das entspricht der drittgrößten Stadt in Belgien: Gent“, so In, der begrenzt Verständnis für diejenigen hat, die sagen, die Mieten seien gerechtfertigt, weil sie unter denen von London oder Paris liegen. „Man darf nicht vergessen, dass der Verbrauchermarkt hier sehr klein ist. Luxemburg ist keine Millionenstadt.“ Gent zählt mit rund 250 000 Einwohnern fast doppelt so viele Bürger wie Luxemburg-Stadt.

In zehn Jahren schätzt In, hätten sich die Mieten in Luxemburg „verdoppelt bis verdreifacht“. Das führt er konkret auf das von Auchan eingeführte und von den privaten Vermietern übernommene Schlüsselgeld zurück. Auf den schnellen Firmenausbau von Frédéric Castera und Pascal Einhorn, der die Entwicklung nicht nur durch das von ihnen gezahlte Schlüsselgeld angetrieben habe, sondern dadurch dass sie mit ihrem anfänglichen Erfolg mehr internationale Marken auf Luxemburg aufmerksam machten. Dadurch stieg die Nachfrage nach Geschäftslokalen in guter Lage insgesamt und damit stiegen auch die Preise, sagt In.

Möglich sei dies aber nur gewesen, weil die Gesetzgebung Mietern nur sehr wenig Schutz bot, betont der Immobilienmakler. Und durch die kurzen Vertragslaufzeiten: das 3-6-9-System, demzufolge Mietverträge alle drei Jahre zur Disposition standen. „Das ist es, was zu den Auswüchsen geführt hat“, ist In formell. Das habe auch dazu geführt, dass große internationale Marken entweder gar nicht nach Luxemburg gekommen, beziehungsweise wieder verlassen hätten. Das hätten nach der Insolvenz der beiden französischen Geschäftspartner auch die meisten Lokalbesitzer verstanden, sagt er. „Die meisten Verträge werden nun mit einer Laufzeit von neun Jahren abgeschlossen“, was den Geschäftsleuten erlaubt, ihre Investition in die Ausstattung ihres Lokals zu amortisieren.

Wie gehen Francine Closener und ihre Berater dieses Problem an? Sie wollen die Mindestdauer der Verträge komplett abschaffen, um auch Pop-up-Stores die Aussicht auf einen Mietvertrag von wenigen Wochen oder Monaten zu geben. Die Vertragsdauer muss festgelegt sein, ansonsten beträgt sie automatisch drei Jahre. Im Gegenzug dafür darf der Vermieter eine Erneuerung des Mietvertrages nur ablehnen, wenn objektive Gründe vorliegen. Das soll den Mietern Schutz gewähren. Nicht genug, finden Françoise Hetto-Gaasch und – wie sie unverhohlen zugibt – der Ghostwriter ihres Gesetzentwurfs von vor drei Jahren, Georges Krieger, der Vorsitzende des Vermieterverbandes. Sie hatten eine Mindestvertragsdauer von neun Jahren vorgesehen, um zu verhindern, dass die Mieter alle drei Jahre ihre Verträge neu verhandeln müsste, regte sich Krieger am Mittwoch gegenüber Radio 100,7 auf. Denn die von Closener vorgeschlagene Regelung bietet vielleicht Schutz vor finanzkräftigeren Konkurrenten, nicht aber unbedingt vor vom Vermieter vorgeschriebenen Mietpreiserhöhungen.

Das ist nicht die einzige Schwachstelle im Entwurf – wenn er denn darauf abzielen sollte, die Mieter und vor allem lokale, individuelle Geschäftsleute zu schützen. Er sieht vor, dass Mieter, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken, die sie selbst nicht verursacht haben, mit drei Monaten Kündigungsfrist auch binnen der ersten zwei Jahre aussteigen können. Das könnte nach hinten losgehen, warnt In. Die Gefahr sei groß, dass „kleine“ Geschäftsleute dann überhaupt keinen Mietvertrag mehr bekämen, weil die Vermieter lieber mit einer großen, internationalen Marke unterschreiben würden, um nicht binnen 18 Monaten wieder ein leeres Lokal zu haben. Es war ironischerweise die Handelskammer, die der Staatssekretärin dazu geraten hatte, diese Ausstiegsklausel vorzusehen, wie aus den Erklärungen zum Entwurf hervorgeht. „Le commerçant pourrait être réticent à s’engager sur une si longue période sans certitude quant à la résussite de son commerce...“, wird die Handelskammer darin zitiert. „Was mich erstaunt“, sagt In über die Autoren der Reform, „ist, dass sie doch relativ weit von der Realität vor Ort entfernt sind“.

Michèle Sinner
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