Die Rechtslage für LGBTI-Minderheiten hat sich unter Blau-Rot-Grün verbessert. Rosig ist ihre Situation dennoch nicht

Etappensieg

d'Lëtzebuerger Land vom 13.07.2018

„Zähneknirschend akzeptieren sie es“, so die Einschätzung von Marc Angel. Da hatte der LSAP-Abgeordnete just den Avis des Staatsrats zum geplanten Transsexuellengesetz gelesen, das am Dienstag veröffentlicht wurde. Fünf formelle Einwände hat das Gremium gegen die Vorlage von Justizminister Félix Braz (Grüne) erhoben, die es Transsexuellen leichter machen soll, den Namen zu ändern.

Ohne ärztliches Attest oder psychiatrisches Gutachten und auch ohne Sterilisation oder andere medizinische Behandlungen als Vorbedingung sollen sie dies tun können, mit der Pathologisierung soll Schluss sein. Und auch ohne das Gericht einzuschalten. Ein Antrag beim Justizministerium soll künftig genügen, der ein weiteres Mal bestätigt werden muss. Der Staatsrat hatte eine Gerichtsentscheidung befürwortet, obgleich er zugibt, dass die Namensänderung auch in Belgien per Verwaltungsakt möglich ist. Fieberhaft und über Nacht wurde im Justizministerium deshalb noch am Text gefeilt, am Mittwoch wurden die 15 Seiten Änderungen im zuständigen parlamentarischen Justizausschuss diskutiert und, mit den Stimmen der CSV, gutgeheißen. „Ich bin zuversichtlich, dass das Parlament den Text noch vor der Sommerpause verabschieden kann“, so ein sichtlich zufriedener Justizminister am Mittwochabend in Esch. Im Rahmen der diesjährigen Gaymat-Aktionstage diskutierten Politiker von déi Lénk, Déi Gréng, DP, LSAP, CSV und den Piraten in der Escher Kulturfabrik über die Lage und Rechte sexueller Minoritäten in Luxemburg.

Alle dafür, außer ADR

Sollte Braz recht behalten, dürfte dieser Punkt nicht auf der To-Do-Liste des LGBTI-Aktionsplans auftauchen, den Familien- und Integrationsministerin Corinne Cahen (DP) vor rund zwei Jahren initiiert hat und den eine von ihrem Ministerium geleitete Arbeitsgruppe aus Interessengruppen, Nichtregierungsorganisationen und Miniaterialbeamten koordiniert. Eine andere Hausaufgabe zu erledigen, hat Braz indes versäumt: Cahen hatte im Juni 2017 die sogenannte Idahot-Erklärung (Internationaler Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie) unterschrieben und ihre Unterstützung für ein Verbot der die Persönlichkeitsrechte verletzenden geschlechtszuweisenden Operationen ohne Einwilligung der Betroffenen zugesagt, eine Forderung, die der Verein Intersex und Transgender Luxemburg (ITL) ebenfalls unterstützt.

Intersexuelle Kinder, das sind Kinder, die nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen sind, müssten ihr Geschlecht selbst wählen können – und so lange sollte auf medizinische Eingriffe verzichtet werden. Mit der Geschlechtsangleichung ist es nämlich nicht getan, es folgen hormonelle Therapien und weitere Operationen, die, zumal wenn gegen den Willen, schwerwiegende psychische Folgen für die Betroffenen haben können. Wie viele intersexuelle Kinder und Erwachsene hierzulande leben, ist unklar: Hochrechnungen der Vereinten Nationen und der Internationalen Dachverbands gehen von 1,7 Prozent der Weltbevölkerung aus, die intersexuell sind. Das wären auf Luxemburg umgerechnet über 10 200 Personen.

Regenbogen-Aktionsplan kommt

Um trans- oder intersexuelle Kinder (und ihre Angehörigen und FreundInnen) besser erkennen und beraten zu können, fordert ITL mehr geschultes Lehr- und Erziehungspersonal und er bietet auch selbst Weiterbildungen in den Schulen des Landes und beim Lehrerweiterbildungsinstitut Ifen in Walferdingen an. Das schwullesbische Informationszentrum Cigale hat im vergangenen Jahr 866 Schüler, vornehmlich auf der Sekundarstufe, über Homo-, Trans- und Intersexualität aufgeklärt. Das Unterrichtsministerium hält Aufklärungsliteratur bereit; auch der schulmedizinische Dienst soll im Rahmen des Aktionsplans stärker für das Tabuthema sensibilisiert werden, eine Forderung, die sämtliche Parteien, außer die ADR, unterstützen.

Rechtliche Verbesserungen für Trans- und Intersexuelle sind aber nur zwei Punkte im LGBTI-Aktionsplan, den der Regierungsrat am Freitag verabschiedet hat – den die blau-rot-grüne Dreierkoalition selbst nicht mehr umsetzen kann. Anders als manch einer angesichts der Öffnung der Ehe für Homosexuelle und dem Lebenspartnerschaftsgesetz meinen könnte, ist die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten in Luxemburg weiterhin ein Thema. Auf der Rangliste der Dachorganisation International Lesbian, Gay, Bi-, Trans- und Intersexual Association (Ilga) von insgesamt 49 europäischen Ländern befindet sich Luxemburg auf dem 17. Platz.

Schwule und Lesben können hierzulande seit 1. Januar 2015 zwar heiraten und Kinder adoptieren, wie heterosexuelle Paare auch. Sie genießen alle mit der Ehe verbundenen Rechte und Pflichten. Adoptionsstellen, etwa des Roten Kreuzes, haben sich inzwischen auf Anfragen von homosexuellen Paaren eingestellt, die wie heterosexuelle Paare sich bei Adoptionen einem Eignungstest unterziehen müssen. Die Reform des Abstammungsrechts lässt auf sich warten, der entsprechende Gesetzentwurf ist im Justizausschuss und wird noch diskutiert. Verabschieden wird diese Regierungskoalition den Text wohl nicht mehr. Die Bummelei, die nicht geregelte Anerkennung von Trans- und Intersex-Personen und zu geringe Anstrengungen bei der Bekämpfung von sozialer Diskriminierung und Hass im Internet tragen dazu bei, dass Luxemburg bei der Ilga mittelmäßig abschneidet.

So stehen im Wahlprogramm der Grünen ebenso wie bei der DP die Regelung der Situation der Intersexuellen erneut als Forderung, dabei hatten sie es in der Hand, das Thema voranzubringen. Auch die Frage der Kostenübernahme bei geschlechtsaneignenden Operationen beziehungsweise vor allem der Folgeeingriffe, eine langjährige Forderung von ITL, steht im Aktionsplan. Das Cigale erhält Anrufe, um Informationen über die Rückerstattung der Kosten von Hormontherapien und Geschlechtsumwandlungen. „Wir können nur bedingt Auskunft geben und vermitteln sie an die Krankenkasse “, erklärt deren Mitarbeiterin Enrica Pianaro. Verlässlich zu erfahren, welche Kosten von der Krankenkasse übernommen werden und welche nicht, ist nicht einfach: Eine diesbezügliche Informationsbroschüre von der CNS gibt es nicht. Allerdings verschickt die CNS auf Anfrage eine Übersicht zur Kostenübernahme.

Das Cigale hatte gemeinsam mit Rosa Lëtzebuerg im Januar einen Katalog an die Arbeitsgruppe LGBTI beim Familienministerium eingereicht. Darin fordert die Organisation neben der Klärung rechtlicher Fragen vor allem mehr Sensibilisierung im Umgang mit LGBTI-Menschen sowie konkrete Aktionen für und mehr Schutz gegen Diskriminierung: Beim Ilga-Ranking steht Luxemburg nicht so gut da, im Bericht der Ecri vom Europarat besser: Der hatte nur wenig rassistische Gewalt und Homophobie gemessen. „Wir wissen nicht genau, wie sich Hassrede zu diskriminierenden Äußerungen abgrenzen. Das ist mitunter eine Grauzone“, so Enrica Pianaro vom Cigale. Der vermeintliche Witz von CSV-Parteichef Marc Spautz zu den rosa Polizeiuniformen, die der – offen schwul lebende – Wirtschafts- und Polizeiminister Etienne Schneider angeblich einführen wollte, sorgte für Empörung nicht nur bei Homosexuellen. Spautz, ehemaliger CSV-Familienminister, hatte sich später für den Spruch entschuldigt und wiederholte die Entschuldigung am Mittwochabend in Esch.

Diskriminierungen bleiben

Meistens verläuft die Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen, die anders sind, subtiler: „Wir leiten Menschen, die sich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung an die Antidiskriminierungsstelle weiter. Nur habe ich bisher von keinem Fall gehört, der anschließend vor dem Gericht gelandet ist“, sagt Enrica Pianaro vom Cigale. Das liegt nicht nur daran, dass es in einem so kleinen Land besonderen Mut erfordert gegen den Arbeitgeber zu klagen, sondern auch weil der Nachweis der Diskriminierung schwierig ist. Das Cigale und Menschenrechtsorganisationen fordern deshalb, das CET mit dem Verbandsklagerecht auszustatten, damit es stellvertretend für andere vor Gericht ziehen kann, noch ein Punkt, den die Dreierkoalition umzusetzen, versäumt hat.

Zu weiteren Forderungen zählen aber vor allem eine umfassende Analyse der Situation von LGBTI-Menschen: Wie in so vielen Bereichen fehlen hierzulande Statistiken etwa zu den Lebensbedingungen von Schwulen, Lesben und anderen, zum Armutsrisiko, zur Bildung... Etwas besser dokumentiert, aber nicht besser, ist die Situation von Flüchtlingen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität nach Luxemburg fliehen. So ist es laut Cigale vorgekommen, dass sich homosexuelle Asylbewerber in der Asylprozedur zu absurden Fragen wie vermeintliche Szenebars oder der Regenbogenflagge äußern sollten; auch müssen sie, sollten ihre sexuelle Orientierung zu erkennen geben, homophobe Anfeindungen in den Unterkünften fürchten, weshalb Cigale sich für ihre getrennte Unterbringung ausspricht.

Und trotzdem fällt die Bilanz der blau-rot-grünen Koalition in Sachen LGBTI recht gut aus: Bei der rechtlichen Absicherung ist diese Regierung einen großen Schritt weitergekommen. Interessanterweise ist die Kontroverse, die beispielsweise in Deutschland oder England die Einführung der Ehe in homosexuellen begleitet hatte, in Luxemburg so gut wie ausgeblieben. Während die rechtliche Gleichstellung hierzulande allgemein als positiv bewertet wird, diskutierten auf dem diesjährigen so genannten Lesbenfrühlingstreffen in Göttingen Teilnehmerinnen, inwieweit die Homoehe insbesondere feministische Forderungen aushebelt und die Szene nicht befriedet habe. Lesbische Frauen würden sich zunehmend ins gemütliche Heim zurückziehen, obwohl gesellschaftliche Diskriminierungen fortbestünden, ja sogar wieder zunähmen.

Dass die Ehe patriarchalische Vorrechte gewährt und nach wie vor schützt, zeigt sich etwa daran, dass Frauen, die ihr Kind alleine erziehen, sozial und ökonomisch bestraft werden: Eine unverheiratete Mutter mit einem steuerpflichtigen Einkommen von 80 000 Euro im Jahr zahlt laut Berechnungen des Luxemburger Instituts für sozio-ökonomische Forschung (Liser) 21 088 im Jahr gegenüber einem verheirateten Paar, das 8 309 Euro Steuern abführt, also 2,5 Mal mehr.

„Mit der wiedererstarkten Rechten geraten gerade erkämpften Rechte von Minderheiten unter Druck“, sagt Enrica Pianaro. Unvergessen, wie die katholische Rechte in Frankreich monatelang gegen den Mariage pour tous mobilisiert hatte und tausende Franzosen mit homophoben Transparenten durch die Straßen gezogen war. Der Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Hollerich hatte sich mit öffentlichen Kommentaren zur gleichgeschlechtlichen Ehe zurückgehalten, den Schritt aber in einem RTL-Interview im Februar 2014 als etwas „Großes“ bezeichnet, über das man „gut nachdenken“ müsse. Das Gesetz war am 18. Juni 2014 verabschiedet und vom Großherzog Henri rund einen Monat später unterzeichnet worden.

Ines Kurschat
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