Kino

Persona

d'Lëtzebuerger Land du 05.05.2023

Mit ihrem einzigen Roman Wuthering Heights wurde die britische Schriftstellerin Emily Brontë 1847 zu einer der renommiertesten Schriftstellerinnen des viktorianischen Zeitalters. Mit Emily beleuchtet die Schauspielerin Frances O’Connor in ihrer ersten Drehbuch- und Regiearbeit das Leben der Künstlerin, freilich so, wie es hätte sein können – der Vision O’Connors entsprechend, ganz die Individualität der Frau in den Mittelpunkt stellend. Da stehen zunächst die ambivalenten Geschwisterkonstellationen zwischen Emily (Emma Mackey), Anne, Elizabeth, Maria und dem Bruder Branwell. Der strenge Vater Patrick (Adrian Dunbar), der Pastor ist, hat ein wachsames Auge auf seine Tochter, die ihre Zeit gerne dem Schreiben von Gedichten widmet, deshalb aber in ihrem Umfeld nur Herablassung erfährt. Dann gibt es noch den Vikar, William Weightman (Oliver Jackson-Cohen), der Emily in Französisch unterrichtet und mit dem sie eine leidenschaftliche Liebesaffäre beginnt.

Das Künstlerschaffen, das Frauenschicksal zwischen Normwahrung und Emanzipation, der Gefühlsrausch – Regisseurin O’Connor verdichtet in Emily die biographischen Anhaltspunkte aus dem Leben Brontës, die in dieser Lesart mutmaßlich in die Kunstfiguren Catherine Earnshaw und Heath-cliff eingeflossen sind. Nicht umsonst wird hier die Maske, die die Schauspieler im klassischen Theater trugen, besonders betont, die Idee der Persona überdeutlich ins Bild gesetzt. Ein Umstand, der sich als zweischneidiges Schwert präsentiert: Sicherlich ist diese Verdichtung zwischen einer behaupteten biographischen Realität und deren Verschmelzung hin zu einem vollendeten Roman ein künstlerisch reizvolles Unterfangen. Emily platziert sich ganz bewusst an der Schnittstelle zwischen Biopic und Literaturverfilmung, lotet dieses Spannungsverhältnis gezielt aus, einen diffusen Zwischenraum bespielend, der beständig auf die Frage drängt: Was stimmt denn nun? Inwieweit haben sich Realität und Fiktion möglicherweise durchdrungen? Folglich macht sich der Film das zeitgenössische Setting ganz zu Nutzen: Inhaltspunkte wie Isolation und Ausbruch transportiert O’Connor mittels Wechsel zwischen Innen- und Außenraum, wählt eine Ausleuchtung, die den Seelenzustand ihrer Heldin versinnbildlicht, steigert die Exaltation über den zunehmenden Einsatz von streichergetragener Filmmusik. Ferner knüpft O‘Connor entschieden an die Bildwelten der gediegenen Literaturverfilmungen an und suggeriert so die Ekstase der großen Gefühle, die in Einklang mit der Natur stehen: Gräser, die im Wind rauschen, Wellen, die sich an Klippen brechen – wahrlich stürmische Höhen.

Indes ist in dieser Lesart ein fragwürdiger Ausgangspunkt unweigerlich gesetzt, der nahelegt, dass nur die hier präsentierte Vita der einzig mögliche Nährboden für die spätere literarische Fiktion hat sein müssen. In seiner Konzentration auf die diversen Schicksalsschläge, die diese Heldin treffen, auf die Zuspitzung der dramaturgischen Leitlinien, liegt auch seine wesentliche Reduktion. Es ist gerade das Abrufen vorgefertigter Genrestandards, die spürbare Zusammensetzung aus fertigen Bausteinen, die die filmische Qualität von Emily nicht ganz zur Geltung kommen lassen. Als Grundlage für das opulente Melodram, das sich hier besonders als Kostümfilm ausgibt, kann Emily kaum ein neuer Aspekt hinzugewonnen werden. Ganz auf die Figur der Emily konzentriert, aus deren Perspektive der Film erfahren werden soll, entwickelt die Regisseurin das Bild einer Frau, die ein wenig träumerisch und kokett die Welt erleben will, eine Grundlage, die unzählige Male Fiktionsstoff geboten hat, nicht nur für die Literatur, sondern auch für deren filmische Adaptionen: Man denke da an Roman Polanskis Tess (1979), Claude Chabrols Emma Bovary (1991) oder noch Jane Campions Portrait of a Lady (1996). Ein deutlich innovativer, feministisch-determinierter Zugang hätte die Stellung der Frau gewichten und mehr noch die Frage ausarbeiten können, was es bedeutet, in dieser Zeit Schriftstellerin, Künstlerin zu sein.

Marc Trappendreher
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