CD Stop Lying in my Face von Gast Waltzing

Eigenwilliger Blues

d'Lëtzebuerger Land vom 19.01.2006

Den Erfolg der Blues-Legende BB King haben nur wenige erreicht: Von seinen Fans wird der 1925 in der tiefsten Provinz von Mississippi geborene "Blues Boy" Riley B. King bis heute angebetet. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich auf Baumwollplantagen von weißen Farmern, er fuhr Traktoren, schuftete hart. Erst mit 40 Jahren kaufte er sich vom ersparten Geld eine Gitarre – der Start einer Bilderbuchkarriere des vielleicht größten Blues-Gitarristen überhaupt. Songs wie Sweet Little Angel, Sweet Sixteen oder später The Thrill is Gone machten King weltberühmt. Heute besitzt er einen Blues-Club in Memphis, Tennessee, in dem er bis vor kurzem regelmäßig auftrat. Dort vermarktet er Merchandising-Artikel wie Barbecue-Zubehör und Gitarrensaiten. Seit 2004 tritt BB King, der seit über 60 Jahren fast ununterbrochen unterwegs war, altersbedingt und aus gesundheitlichen Gründen seltener auf. Im Sommer vergangenen Jahres unternahm der Star eine Final Farewell Tour durch Europa. Der vier Jahre jüngere Trompeter, Bandleader und Arrangeur Calvin Owens, heute selbst Produzent, hat den "King of Blues Guitar" Jahre lang begleitet. Mit von der Partie war er bei legendären Alben wie Live in Ole Miss oder Jazz In'Blues, das 1984 mit einem Grammy ausgezeichnet wurde. Bei der Aufnahme von BB Kings Live in London dirigierte Calvin Owens das Royal Philharmonic Orchestra. Später hat sich der Musiker mit seinem eigenwilligen zeitgenössischen Blues eine eigenständige Karriere aufgebaut. Mit Erfolg: Vier Mal hintereinander erhielt er vom Living Blues Magazine als "Most Outstanding Blues Musician" den begehrten Kritikerpreis. Gast Waltzing hat einen Riecher für originellen Jazz und stilvollen Blues. Neben seinem eigenen aktuellen Album Long Journey, das er mit seinem Ensemble Largo eingespielt hat, hat der Trompeter und Produzent im Rahmen seines Labels WPRecords das Album Jazz Goes Garage des jungen Luxemburger Drummers Benoît Martiny und seiner Band herausgebracht. Calvin Owens ist er bei der Midem 2004 in Cannes begegnet und war sofort vom zwischen traditionellem Blues, sozialkritischem Rap und modischem Hip Hop schwebenden Stil des langjährigen King-Gefährten begeistert – derart, dass er ihm angeboten hat, mit WPRecords zusammenzuarbeiten. Das Album Stop Lying in my Face hat er mit einer ganzen Garde toller Musiker aufgenommen, dem Calvin Owens Blues Orchestra. Dem riesigen Arsenal an Solo-Instrumenten und Vocals entsprechend ist der Sound: vielseitig und facettenreich, rockig und melancholisch, etwas rauchig aber dennoch unglaublich fein. Was das Showgeschäft anbelangt, ist Calvin Owens ein alter Fuchs. Er kennt jede Stilrichtung der letzten sechzig Jahre aus dem FF, weiß, wie man Blues diskret umkrempeln und modernisieren kann. Und er weiß auch sich selbst und seine Kollegen auf der Trompete, brillant und geschickt in Szene zu setzen. Die Musik ist ein souveräner und leicht verdaulicher Mix aus Hip Hop und Rap, Blues und Soul, Big Band und Variété – Musik, die man mag, weil sie ehrlich ist.

Calvin Owens: Stop Lying in my Face; Referenz: WPR Jazz 2005-005; Internet: www.waltzingparke.com

 

 

Marc Fiedler
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