Staatsführer

Kreidefresser

d'Lëtzebuerger Land du 22.04.2010

Heute loben wir unsere erleuchteten Staatsführer. Der weit gereiste Außenminister Asselborn hat eine unnachahmliche Art, mit Journalisten umzuspringen. Sie spiegelt das Verhältnis des großen Erleuchteten zum unbedarften Winzling. In der RTL-Sendung Background – Am Gespréich kommentierte er jede kritische Frage mit herablassendem Tadel und altväterlichem Verdruss. Schon rein akustisch konnte man das mitleidi­ge Kopfschütteln wahrnehmen: „Här Kuffer! Elo soen ech Iech emol eppes! Dir sidd dach e Mann vu Welt! Da musst Der dach verstoen, dat een dat net kann esou gesinn!“ Übersetzt in eine weniger kreidehaltige Sprache dürfen wir diese repressiven Einlassungen auch so lesen: Was fällt dir ein, Bengel? Hast du noch alle Tassen im Schrank? Was erlaubst du dir, mich mit dieser Frage zu belästigen? Weißt du nicht, wer hier vor dir sitzt? Muss ich mal wieder deinen Chef anrufen, um mich zu beschweren?

Der Journalist hatte sich zum Beispiel erkühnt, nach Sinn und Zweck des wahnsinnig teuren Militärflugzeugs A400M mitten in den Krisenturbulenzen zu fragen. Här Kuffer! Das ist doch kein Militärflugzeug! Es heißt zwar so, aber, O-Ton Asselborn: „Mir medikamentéiere selbstverständlech dee Fliger.“ Haben wir da richtig gehört? Die Asselbornsche Rhetorik ist immer ziemlich heikel. Der Außenminister hat sich darauf spezialisiert, bei jeder Gelegenheit mit irgendwo aufgeschnappten, heftig schillernden Wörtern um sich zu schmeißen, deren Bedeutung ihm überhaupt nicht geläufig ist. Medikamentieren heißt „mit Medikamenten behandeln“. Was zum Teufel hat der Erleuchtete also gemeint?

Ist das Flugzeug vielleicht schon vor der Lieferung so gebrechlich, dass ein ganzer Medikamentenschrank ge­leert werden muss, um es zu retten? Wird da eine Schrottmühle geliefert, die schon im technischen Koma liegt, bevor der erste Flug auf dem Programm steht? Nein, das kann er doch wohl nicht gemeint haben. Spekulieren wir also weiter. Werden die Piloten mit Doping versorgt, damit sie nicht merken, welch deprimierenden Job sie verrichten? Nein, auch hier liegen wir vermutlich falsch. Werden die mitfliegenden Soldaten mit stimmungssteigernden Pillen behandelt, auf dass ihnen unterwegs kein schwar­zes Licht aufgehe? Nein, auch dies ist wohl nur eine halsbrecherische Vermutung.

Herr Asselborn wollte nur sagen: Die­ses Militärflugzeug, das kein Militärflugzeug ist, sondern nur so heißt, ist in Wirklichkeit eine fliegende Apotheke. Här Kuffer! Wie können Sie nur so beschränkt sein, das nicht zu schnallen? Diese zwar ungeheuerlich kostenfressende Maschine ist Luxemburgs humanitäres Wunderding. Beim militärischen Personal handelt es sich nur um ein Kollektiv von Krankenpflegern im modischen Tarnanzug. Aus den Lüften werden wir überall auf dem Planeten die Armen und Bedürftigen beglücken. Das erwartet übrigens die Welt von uns. Wir dürfen uns nicht aus unserer Verantwortung stehlen. „Ech weess net, wat-firee Rass duerch déi international Communautéit goe géif, wa mir aus deem Projet erausklammen“, mahnte der Außenminister. Ein Riss? Das klingt ja ganz so, als seien wir ein Weltreich an der Nahtstelle der internationalen Gemeinschaft. Wenn wir nicht mitmachen, ist der länderübergreifende humanitäre Konsens im Eimer.

Dieses kleine Lehrstück sollten wir nicht schnell beiseite schieben. Es zeigt uns nämlich, wie grenzenlos dumm wir Bürger und Wähler sind. Wir kapieren rein gar nichts. Wir verstehen grundsätzlich immer alles falsch. Das hat uns der erleuchtete Premier soeben bescheinigt. Wir halten ein Militärflugzeug für ein Militärflugzeug und beweisen damit nur, dass wir keine Ahnung haben von den subtilen Gesetzen der politischen Philosophie. Wir stellen fürchterlich dumme Fragen, und die erleuchteten Staatsführer schütteln vor Grauen ihre weisen Häupter. „Un citoyen, ça ferme sa gueule, ou ça se casse“, möchten wir einen treffenden Spruch der erleuchteten CSV-Jugendsektion leicht abwandeln. Wir sind das dümmste Volk auf Erden. Wahrscheinlich halten wir auch das geplante Centre de rétention für abgewiesene Asylsuchende platterdings für ein Centre de rétention. Här Kuffer! Seien Sie doch nicht naiv! Dieses Rückhaltezentrum heißt nur so. In Wirklichkeit haben wir es hier mit einer geheimen Universität für höchst willkommene Ausländer zu tun.

Am besten halten wir ab jetzt ganz einfach den Mund. Unseren erleuchteten Staatsführern sind wir ohnehin nicht gewachsen. Sie schweben über uns, in unerreichbaren Sphären der Intelligenz. Här Kuffer! Kein Wort bitte über die Ankündigung des Sportministers, das Cessinger Velodrom dürfe nun gebaut werden, mitten im gewaltig klaffenden Staatsschuldenkrater! Wie können wir uns nur fragen, warum ausgerechnet jetzt eine Belustigungsanlage für eine Hand­voll Pedalenstrampeler auf dem Staatsmenü steht? Das Velodrom ist doch gar kein Velodrom! Es heißt nur so. Es ist eine mobile Fundamentalschule. Wieso es denn gar nicht wie eine Schule aussieht? Här Kuffer!

Guy Rewenig
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