David Uzochukwu, Fotograf

Die Farben der Melancholie

d'Lëtzebuerger Land vom 06.06.2014

Konzeptionell durchdachte Inhalte und ein düsterer, melancholischer Stil kennzeichnen die zumeist als Selbstporträts inszenierten Traumwelten des fünfzehnjährigen David Uzochukwu, Österreicher nigerianischer Abstammung, der seit neun Jahren in Luxemburg lebt und derzeit die Europaschule besucht. Bereits mit zehn Jahren fing er an, sich mit Fotografie zu beschäftigen, und wird heute aufgrund seines Alters in einschlägigen Internet-Magazinen und Blogs als fotografisches Ausnahmetalent gefeiert, während er in Luxemburg weitgehend unbekannt ist.

Die konzeptionelle Fotografie, zu der Uzochukwus Arbeiten zählen, hat in den letzten Jahren besonders in Online-Communities eine Vielzahl vorwiegend junger Anhänger gefunden, die kreative Ideen entwickeln und austauschen, um sie anschließend in Form teils aufwendig inszenierter Fotografien erzählerisch umzusetzen. Aus der Masse des Bildangebots unzähliger Facebook-Seiten und Flickr-Profile hebt sich Uzochukwus Portfolio aufgrund der konsequenten und subtilen Umsetzung ab.

Auch wenn er bereits ein Mode-Shoothing für einen Mailänder Fashion-Designer durchgeführt hat, bringe sein junges Alter durchaus Probleme mit sich, was kommerzielle Aufträge betrifft, erzählt Uzochukwu. Jedoch sei es ein Vorteil, wenn es um die Aufmerksamkeit gehe, die ihm als junges Talent zuteil wird. Auch inhaltlich ist das Thema „Alter“ für Uzochukwu von Bedeutung. „Erwachsenwerden ist ziemlich schwer“; Uzochukwu verarbeitet diesen Prozess in seinen Bildern.

Die Entscheidung, sich selbst zu fotografieren, sei aus dem Wunsch entstanden, sich der Porträtfotografie zu widmen, so Uzochukwu. „Ich habe mich überhaupt nicht getraut, an irgendwen heranzutreten und zu fragen: Darf ich dich fotografieren?“ Am Ende habe es weniger Überwindung gekostet, selbst vor die Kamera zu treten. Außerdem sei es unkomplizierter, denn es gebe keine Probleme bei der Verständigung zwischen Fotograf und Model. „Man macht alles, was man eben für ein Bild machen muss.“ Als gehobene Ausformung der Selfie-Kultur will Uzochukwu seine Arbeiten jedoch nicht verstanden wissen. Wahrscheinlich sei der Unterschied, „ob man sich selber zeigen will oder ob man etwas anderes zeigen will, ob man ein Konzept dahinter hat“. Tatsächlich sind seine Bilder das Resultat einer langen Planungsphase sowie eines kritischen Auswahlprozesses.

Entsprechend persönlich geraten die Geschichten, die in diesen Fotografien erzählt werden und deren Adressat im Grunde er selber sei. „Ich weiß, was ich mit einem Bild aussagen will, allerdings verläuft die Umsetzung eher organisch und das Ergebnis überrascht mich selber manchmal.“ Er vergleicht die Konzepte mit schwer entschlüsselbaren Tagebucheinträgen, von denen er sich sicher ist, „dass niemand außer mir selbst das lesen kann“.

Durch die meisten seiner Motive ziehen sich eine Traurigkeit und Einsamkeit, die durch die gewählten Posen und Gesichtsausdrücke in Kombination mit düsteren Hintergründen entstehen. Allerdings betont er, er erzähle zwar „eher dunkle Geschichten, aber mit hellen oder bunten Farben“. Uzochukwu ist dankbar, dass sich dies im Laufe der Zeit herauskristallisiert hat, nachdem er anfangs lange befürchtet hatte, er finde keinen eigenen Stil. Auch die Möglichkeiten der Bildbearbeitung sind ihm wichtig. Statt auf Authentizität legt er Wert darauf, „eine eigene Geschichte zu erzählen“ und dabei „eher zu schaffen, als zu reproduzieren“.

Eine große Rolle spielt das Internet für ihn: „Ohne das Internet hätte ich selber wahrscheinlich gar nicht angefangen, zu fotografieren.“ Hier fand er Inspiration und konkrete Vorbilder, wie die junge Münchner Fotografin Laura Zalenga, eine der populärsten Konzeptfotografinnen im deutschsprachigen Raum, mit der er inzwischen befreundet ist. Er betont die Möglichkeiten des kreativen Austauschs, etwa durch mehrtägige Meet-Ups, die aus Online-Kontakten heraus entstanden sind. Es sei großartig, „mit so vielen kreativen Leuten in Kontakt stehen zu können, besonders wenn man im echten Leben um sich herum nicht unbedingt so eine kreative Community hat“.

Möglicherweise ist die bisherige Konzentration auf das Netzwerken im Internet ein Grund für seine Einschätzung der hiesigen Kunstszene. Es sei sein Eindruck, dass man in Luxemburg „nicht so viele Möglichkeiten“ habe, mit anderen Kreativen in Kontakt zu treten und weiterzukommen. In dem „ruhigen und kleinen Luxemburg“ habe er es zum Beispiel schwer, professionelle Models oder Modedesigner zu finden. Was die Zukunftsperspektive junger Menschen anbelangt, sieht er das Großherzogtum eher skeptisch: Die meisten ziehe es nach dem Schulabschluss ins Ausland. „Leute mit Zielen im Leben lassen sich meistens nicht freiwillig in Luxemburg nieder.“

Für die nächste Zeit hat Uzochukwu vor, sich der Erstellung zusammenhängender Fotoserien zu widmen, um so mehr Raum für einzelne Erzählungen zu schaffen. Bis vor kurzem waren seine Bilder im Rahmen einer Gruppenausstellung in einer Maastrichter Galerie zu sehen. Im Sommer wird er mit der Familie nach Brüssel ziehen und Luxemburg verlassen. Schade, dass man einander fremd geblieben ist.

Mehr Bilder von David Uzochukwu: www.daviduzochukwu.com.
Boris Loder
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