Jeannot Waringo spricht Misstände an und sucht Wege aus der Krise

Die Abrechnung

Premierminister Xavier Bettel und Großherzog Henri am Dienstag im Palais (Hinten rechts: Hofmarschall Lucien Weiler)
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 07.02.2020

Best practices Als die Regierung am vergangenen Freitag kurz vor 12 Uhr den Bericht von
Jeannot Waringo öffentlich für alle Bürger zugänglich machte, war die Überraschung in vielen Kreisen groß. In einer erstaunlich klaren, aber auch persönlichen Sprache schilderte der Sonderbeauftrage die Missstände am Hof: unklare Hierarchien, Klima der Angst, fehlende interne Kommunikation, falsche Personalpolitik, intransparente Finanzen, Vermischung von öffentlichen und privaten Angelegenheiten, problematische Rolle der Großherzogin Maria Teresa.

Doch Waringos Mission begrenzte sich nicht darauf, lediglich Missstände aufzuzeigen, sondern auch konstruktive Reformvorschläge zu machen. Dabei hat er sich an den Monarchien in Schweden, Belgien und den Niederlanden orientiert. Er lässt keinen Zweifel aufkommen, dass diese Monarchien deutlich besser aufgestellt sind als der großherzogliche Hof in Luxemburg. Insbesondre in Belgien und in Schweden konnte er einen „klaren Willen zur Transparenz“ feststellen, sowohl was die Finanzen anbelangt als auch die Trennung zwischen öffentlichen und privaten Angelegenheiten. Und Waringo nutzt diese best practices, um Reformvorschläge für Luxemburg zu machen.

Klare Trennung Er schlägt mit Hinblick auf die Verfassung vor, den Hof wieder näher an den Staat zu führen – ähnlich wie andere öffentliche Einrichtungen, die durch Steuergelder finanziert werden. Dazu gehört es, eine Trennung zwischen privatem Leben und öffentlichen Aufgaben des großherzoglichen Hauses herzustellen. Bisher blieb dieser Umstand im Ungefähren, so dass der Hof nach Gusto darüber entscheiden konnte – so wie es gerade passend war. Vereinfacht ausgedrückt: ein offener Brief mit Kritik an der Presse ist eine Privatangelegenheit, die Finanzierung einer persönlichen Homepage der Großherzogin ist eine öffentliche Angelegenheit.

Waringo legt dem Premier nahe, diesen unklaren Zustand zu klären, weil er darin die Quelle für viele Missstände sieht. Sein Vorschlag: Die Schaffung einer „Maison du Grand-Duc“ als neue juristische Entität. Diese Verwaltung soll sämtliche öffentlichen Geschäfte und Angelegenheiten transparent koordinieren und organisieren. Sie untersteht einer Rechenschaftspflicht und soll regelmäßig Bericht führen über die offiziellen Auftritte und Missionen der Luxemburger Monarchie. Waringo sieht hier eine dringende Notwendigkeit, damit in Zukunft das Budget des Großherzogs, das durch das Staatsministerium gespeist wird, nach internationalen Normen kontrolliert werden kann. Davon abgekoppelt ist das private Leben des Großherzogs sowie das Fideikommiss (eine Art Stiftung, die den privaten Besitz der Familie verwaltet). Der Großherzog soll in Zukunft ein Gehalt erhalten, über das er frei verfügen kann. Wie jeder Bürger muss er darauf Steuern zahlen.

Organigramm Damit diese Trennung auch hierarchisch durchsetzbar ist, hat Waringo ein neues Organigramm erstellt: An der Spitze steht der Großherzog, wie es die Verfassung vorsieht. Die angetraute Großherzogin spielt in den öffentlichen Angelegenheiten keine Rolle mehr, auch nicht bei Personalentscheidungen. Gleich unter dem Großherzog steht der Hofmarschall, dessen Posten eine deutliche Aufwertung und neue Zuständigkeiten erhält. Er soll sämtliche öffentlichen Aufgaben des Großherzogs und des Hauses koordinieren. Anders als bisher soll es sich erneut um einen Staatsbeamten des höchsten Grades handeln, der in Vollzeit arbeitet. Ob das in Zukunft weiterhin Lucien Weiler sein wird, soll laut Land-Quellen unwahrscheinlich sein. Der Posten des General Manager soll hingegen aufgelöst werden. Zudem will Waringo den Posten des Hofkommissars wieder einführen – Premier Xavier Bettel hat den Posten allerdings bereits in „Hofberater“ umgetauft. Waringo empfiehlt, dass es bei der Maison du Grand-Duc in Zukunft um staatliche Angestellte handelt – sämtliche Angestellte, die im privaten Dienst der großherzoglichen Familie sind, sollen hingegen den Status des Privatangestellten haben.

Ähnlich wie bisher soll das Budget des Großherzogs im jährlichen Haushaltsentwurf aufgestellt werden. Langfristig plädiert Waringo dafür, den Begriff Liste civile in der Verfassung durch double Dotations zu ersetzen, die sich ebenfalls in private und öffentliche Dotation unterteilt. Um das Staatsministerium näher an den großherzoglichen Hof zu führen, schlägt Waringo außerdem vor, ein Comité de concertation zu schaffen – eine Art Verwaltungsrat, der sich alle zwei Monate berät.

Kommunikation Einen entscheidenden Punkt sieht Waringo in der Kommunikation des Hofs: Er stellt in Frage, ob der freie Zugang zu den Diensten der Post, dessen Ursprung auf Gesetze des 19. Jahrhunderts zurückgeht, noch zeitgemäß ist. Immerhin verschickt der großherzogliche Hof jährlich Briefe in Höhe von 15 000 Euro und nutzt das Mobil-, Fest- und Internetnetz in Höhe von 600 000 Euro, ohne dass, die Post dies in Rechnung stellt.

Generell steht Waringo der Kommunikationsstrategie des Hauses kritisch gegenüber. Er schlägt eine Anbindung an das SIP vor, dem staatlichen Informationsdienst. Es sei geradezu absurd, dass bisher nahezu alle Ressourcen in die Pflege der Internetseite grande-duchesse.lu gingen, während die offizielle Seite monarchie.lu ein kümmerliches Dasein fristet und technisch noch nicht auf dem Stand des 21. Jahrhunderts ist. Deutliche Kritik findet er gegenüber der Finanzierung der Stiftung des Großherzogs sowie der Initiative Stand Speak Rise Up. Es sei ihm etwa nicht möglich gewesen, herauszufinden, ob öffentliche Gelder in die private Veranstaltung Stand Speak Rise up! der Großherzogin flossen. Zur Erinnerung: Es handelt sich dabei um ein Forum für Menschenrechte, bei dem unter anderem Stephane Bern als Generalsekretär tätig ist.

Laut Premier Bettel laufen die Arbeitsgruppen zur Umsetzung der Reformen bereits. Der Großherzog habe dem Premier mitgeteilt, mit nahezu allen Änderungen einverstanden zu sein, nur etwa bei den Kommunikationsreformen gäbe es lediglich ein „Accord de principe“. Dabei sind rund 90 Prozent aller Maßnahmen ohne Verfassungsänderung möglich. Das Parlament, das sich geschlossen hinter den Waringo-Bericht stellt, zeigt sich allerdings auch für Verfassungsänderungen offen.

Pol Schock
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