ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Köhlerjunge Luc

d'Lëtzebuerger Land du 28.04.2023

Die Klerikalen sind bescheiden geworden. Vergangene Woche prophezeite die Ilres ihnen den Verlust von vier Parlamentssitzen. Das Wort triumphierte: „Sitzgewinne für die CSV“ (20.4.23). Denn im November war vom Verlust von sechs Sitzen die Rede.

Ein Viertel der Befragten freute sich für die CSV. Weil sie doch noch einen Spitzenkandidaten gefunden hat. „De Luc Frieden hott ganz vill Kompetenz“, beteuerte Fraktionsvorsitzende Martine Hansen über RTL. „An déi Kompetenz hott en net nëmmen am Wirtschaftsberäich“ (21.4.23).

Luc Friedens Kompetenz als Finanz- und Haushaltsminister war beschränkt (d’Land, 7.4.23). Er war auch Justizminister. 2004 machte CSV-Premier Jean-Claude Juncker ihn zum Justiz-, Polizei- und Verteidigungsminister. Zum Superminister für Law and Order. Nach den Terroranschlägen von 9/11 sollte Luc Frieden der konservativen Wählerschaft zeigen: Keine Partei weiß härter durchzugreifen als die CSV.

Als Fulbright-Stipendiat galt Verteidigungsminister Frieden als „Mann der Amerikaner“. Für ihre neuen Weltordnungskriege befahl er im November 2005 auf dem Herrenberg: Alle Armeefreiwilligen müssen in Auslandseinsätze! Das freute die US-Botschaft. Die Truppe weniger. Drei Monate später war er nicht mehr Verteidigungsminister.

Polizeiminister Frieden war unerbittlich gegenüber den Schwachen. Im November 1999 organisierte er eine große Polizeiaktion. Um ein Dutzend Erwachsene und zwei Dutzend Kinder aus Montenegro und Kosovo abzuschieben. Das befreundete Wort bescheinigte ihm „[e]in kaltes Herz“ (26.11.99). In Wilhelm Hauffs gleichnamigem Märchen erhält der Köhlerjunge Peter hunderttausend Gulden, um sein Herz durch einen Marmelstein zu ersetzen. Der Köhlerjunge Peter ist das Urbild des neoliberalen Technokraten.

Luc Frieden hinderte die Schwachen daran, sich zu wehren. Im Februar 1999 wollten einige lombardische Milchbauern und kurdische Exilanten vor einer Außenministertagung auf dem Kirchberg demonstrieren. Er setzte das Schengener Abkommen außer Kraft, ließ fünf Tage lang die Grenzen kontrollieren.

Am 20. Dezember 2002 brachte er einen Gesetzentwurf ein, „garantissant l’usage paisible du droit de propriété“. Kundgebungen von Gewerkschaftern und Umweltschützerinnen in oder vor Firmen und Büros wollte er mit bis zu fünf Jahren Haft bestrafen. Nach Protesten musste er seine „Lex Greenpeace“ zurückziehen.

Am 20. Mai 2003 brachte er einen Entwurf zur Änderung der Strafprozessordnung ein: „[I]l ne sera pas fait mention dans le procès-verbal d’audition de certaines des données d’identité prévues à l’article 71“. Anonyme Zeugenaussagen erlauben Manipulationen auf Kosten der Angeklagten. Nach Protesten musste er den Entwurf zurückziehen.

Der Justiz- und Polizeiminister wollte den staatlichen Sicherheitsapparat vor der Strafverfolgung schützen. Der Bommeleeër-Prozess gab preis, wie der Generaldirektor und der Generalsekretär der Polizei die Justiz behinderten. Luc Frieden wollte sie nicht abberufen. Bis Generalstaatsanwalt Roby Biever ihm keine Wahl ließ.

Das Justizministerium bereitete einen Gesetzentwurf zur Bestrafung der Justizbehinderung vor. Luc Frieden begrub das Papier diskret in der Schublade. Wie er im Juni 2013 vor Gericht zugeben musste.

Er missachtete die Gewaltentrennung und die Strafprozessordnung. Der Generalstaatsanwalt erzählte Radio 100,7, wie der Justizminister wiederholt die Aufklärung der Bombenanschläge verhindern, die Ermittler entmutigen wollte: „Hutt der näischt anescht ze dinn?“ Sind die kostspieligen Ermittlungen „wierklech opportun?“ (7.6.13).

Luc Frieden war Vollstrecker eines autoritären Neoliberalismus. Er stand im Dienst des „usage paisible du droit de propriété“. Er sollte die Herrschaft der Besitzenden sichern. Als Finanzminister mit ökonomischer Gewalt; als Justiz-, Polizei- und Verteidigungsminister mit physischer Gewalt. Oft fehlte ihm das politische Geschick, um liefern zu können.

Romain Hilgert
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