Notizen zu Tierliebe und Menschlichkeit

Dies ist ein hundsgemeiner Text

d'Lëtzebuerger Land du 14.11.2025

Ja, es ist immer wieder schön, wenn Menschen in vollem Umfang Wert und Wichtigkeit der Tiere entdecken. Bislang zeigte sich Tierliebe in der Regel erst am Esstisch. Sie wurde mit Messer und Gabel zum Ausdruck gebracht. Mit diesem krassen Missverhältnis ist es zum Glück vorbei. Kein Geringerer als unser Vizepremier Xavier Bettel hat neulich das Tier zum gleichberechtigten Wesen erklärt. Seinen Dackel bezeichnete er ganz offiziell als „neues Familienmitglied“. Das ist eine epochale politische Leistung. Die Trennung zwischen Tierreich und Menschenwelt ist somit aufgehoben. Dieser Haushund mit dem eindeutigen Namen Aspro scheint zudem ein probates Schmerzmittel zu sein. Er wirkt sofort, wenn der Minister berufshalber über Kopfweh klagt. Viel bedeutsamer ist, dass der kleine Kläffer über weitgehende Rechte verfügt. Er darf sogar die Hortensien vor Bettels Haustür zerfetzen. Das führt nicht zu Schimpfkanonaden und wüsten Zurechtweisungen, nein, der herzallerliebste Köter wird für seine Kühnheit gelobt und geherzt. Er ist eben ein durch und durch vermenschlichter Hund und darf sich daher aufführen, wie es zuweilen Menschen tun: rücksichtslos, tollpatschig, selbstsüchtig, unberechenbar und dickköpfig.

Aspro ist mittlerweile derart emanzipiert, dass er auf höchster Staatsebene Präsenz zeigen darf. Bei Staatsbesuchen gesellt er sich hemmungslos zu den politischen Repräsentanten. Wir können die Bedeutung dieses tierischen Durchbruchs nicht hoch genug einschätzen. Vorbei die Zeiten, wo überlegene Herrchen und Frauchen ihre untertänigen Hündchen Gassi führten. Heute ist diese starre Hierarchie zum Glück aufgebrochen. Gesundheitsbewusste Vierbeiner schleppen ihre widerstrebenden Zweibeiner zur regelmäßigen Körperertüchtigung. Aus dem lästigen alltäglichen Zwang ist eine Therapiestunde geworden. Man muss sich nur anschauen, wie zahllose Hunde allmorgendlich ihre verschlafenen Anbefohlenen durch die Gegend zerren. Wenn die stinkfaulen menschlichen Bewegungsmuffel nicht parieren, wird die Leine eben straffer angezogen. Es soll sogar schon Ärzte geben, die besonders hartnäckigen Freiluftfeinden einen Hund verschreiben. Dann ist Schluss mit billigen Ausflüchten. Raus aus dem Bett, du Schmarotzer, oder ich überfalle dich mit einem Bellkonzert, dass dir die Ohren klingeln!

Jedenfalls macht die Sozialisierung und Demokratisierung der Hunde gewaltige Fortschritte. Wir lesen gerührt, dass sie nun auch in Schwimmbädern und Kinosälen willkommen sind. Das ist nur gerecht. Hunde waren immer schon athletisch gut aufgestellt. Auch ihre profunde Kenntnis der Filmkunst wurde viel zu lange ignoriert. Endlich kommt die intellektuelle Dimension des Hundedaseins zum Vorschein. Besonders beliebt ist neuerdings der sogenannte Lesehund (lachen Sie nicht, es ist kein Scherz). Dieses spezialisierte Tier kuschelt mit Kindern, die beim lauten Vorlesen aus Büchern nicht unbedingt Höchstleistungen erbringen. Der anschmiegsame Hund beruhigt sie, und die Lesehemmungen verschwinden wie von selbst. Dieses Beispiel ist ausbaufähig. Warum nicht auch Bürohunde einsetzen, die überforderte Staatsdiener liebevoll und geduldig zurück auf den Pfad der Gelassenheit lotsen? Oder Smartphone-Hunde, die überall und jederzeit elektronisches Spielzeug erschnüffeln und bei Bedarf auch mal ein Handy resolut wegbeißen können? Oder Fernsehhunde, die übermüdeten Zuschauern ins Ohr bellen, um sie vor dem Wegsacken in Morpheus’ Arme zu bewahren?

Grundsätzlich sollte kein Hund mehr von menschlichen Lebensbereichen abgetrennt werden. Das antiquierte und ungerechte „Wir müssen draußen bleiben!“ vor den Metzgereien hat keinerlei Berechtigung mehr. Inzwischen wissen wir alle, dass Metzgerhunde hochqualifiziert sind. Sie fallen nicht etwa über die Fleischvitrine her, sondern erschnuppern virtuos die verlockendsten Aromen. Sie helfen uns beim Einkaufen.

Der erste einheimische Fußballhund kommt dem Vernehmen nach heute Abend beim Länderspiel Luxemburg-Deutschland zum Einsatz. Gleich in der ersten Halbzeit wird er zu den Luxemburger Ballkünstlern aufs Spielfeld geschickt. Wir können jetzt schon propehezeien, dass er den Fußball im Handumdrehen, pardon, im Pfotenumdrehen revolutionieren wird. Die El Mala, Sané, Woltemade, Schlotterbeck und Adeyemi sollten sich warm anziehen. Denn Goalie, der Fußballhund, wird ihnen eine umwerfende Lektion erteilen. Er schnappt den deutschen Rasenhelden den Ball weg und gibt ihn nicht mehr her. Er wird spektakulär vorführen, was hündische Spielfreude heißt: Anarchie pur, unbändige Lust auf Regelverstöße, Herumtollen ohne Sinn und Verstand, und zum krönenden Abschluss vielleicht ein beherzter Biss ins Leder. Wir hören schon den begeisterten Reporter: „So haben die millionenschweren Champions Fußball noch nie erlebt. Es ist ein Bild für die Götter: Die bärenstarke deutsche Nationalmannschaft hetzt einem enthusiastisch überdrehten Hund hinterher. Der Schiedsrichter pfeift sich die Kieferknochen krumm, ohne Erfolg. Das Spiel wird ergebnislos abgebrochen. Doch Goalie hat die Herzen des Publikums erobert. Ja, so hat die luxemburgische Fußballvariante noch eine Zukunft. Ein einziger cleverer, unheimlich flinker Fußballhund statt einer ganzen Elf von fußschweren und kopfmüden Schleichern im Nationaltrikot. Die Welt wird künftig zittern vor der FLF.“

Wir sind auf dem guten Weg. Den Hund achten wir zunehmend als menschengleichen und inspirierenden Partner. Leider gibt es immer noch ein paar sture Zeitgenossen, die sich schwertun mit der Intelligenz der Tiere. Sie berichten Fürchterliches: In der thailändischen Stadt Lopburi randalieren Hunderte Affen, ohrfeigen Touristen und besetzen sogar die Polizeiwache. Noch schlimmer sieht es in Japan aus. Asiatische Schwarzbären überfallen Menschen auf offener Straße, die Armee muss einschreiten, um die aggressiven Biester zu vertreiben. Hierzulande soll es Füchse geben, die bedenkenlos Hühner killen, und Wölfe, die in tiefschwarzer Nacht Schafe reißen. Ganz zu schweigen von den fast unsichtbaren Zecken, die sich ohne Vorwarnung ins Menschenfleisch hineinbohren und ihre Opfer mit der schlimmen Borreliose vergiften. Was sind denn das für Schauermärchen? Es ist alles eine Frage der Sichtweise.

Was den thailändischen Affen als Ohrfeige angelastet wird, ist in Wirklichkeit ein liebevoller Streichelversuch. Die Affen benehmen sich quicklebendig und temperamentvoll, wie es ihrem Naturell entspricht. Die Touristen sollen sich nicht so zickig aufführen. Man kann ja auch mal etwas kräftiger gestreichelt werden. Davon geht die Welt nicht unter. Auch die japanischen Bären sind nur auf Liebesbeweise aus. Sie wagen sich mitten unter die Menschen, um sie herzlich zu umarmen. Wenn die Menschen so dumm sind, diese Zuneigung nicht zu erwidern, dürfen sie sich nicht wundern, wenn die Bären nervös werden. Und die Hühner täten besser daran, sich zu entspannen, wenn der Fuchs auf Hausbesuch kommt. Er will ihnen ja nur einen kleinen Liebesbiss verpassen. Nichts ist verheerender als verschmähte Liebe. Da versteht man, dass der arme Fuchs plötzlich durchdreht. Genauso verhält es sich mit den Wölfen. Sie mögen es überhaupt nicht, wenn sich die Schafe überheblich sträuben und die liebevolle Annäherung eitel zurückweisen. Auch die Mär von den bösartigen Zecken ist schnell entkräftet. Kein Tierchen geht mit seiner Menschenliebe so weit. Stell dir vor, Liebster: I am under your skin!

Hoffentlich ist die Zeit der grotesken Missverständnisse bald vorbei. Tiere im Allgemeinen und Hunde im Besonderen sind uns fundamental gut gesinnt. Wenn also demnächst ein Rottweiler Ihr Kleinkind zerfleischt, so glauben Sie bitte dem Hundehalter: Keine Angst, er will nur spielen. Die subtilen Regeln dieses Spiels muss der etwas begriffsstutzige Homo sapiens erst noch erlernen. Aber dann wird alles wunderbar harmonisch und zärtlich. Und jetzt? Uns bleibt nur, mit Bertolt Brecht zu klagen: Der Vorhang zu und alle Fragen offen.

Guy Rewenig
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