Neugierige Kinder drängten sich am Samstagmorgen in der Escher Kulturfabrik. Das Kulturzentrum war eine von drei Stationen, die das Team um den beigeordneten Schuldirektor Bertrand Goergen des Lycée technique d‘Esch (LTE) besuchten, um ein wenig von ihrem Schulprojekt zu erzählen: das Cap Futur.
„Die Idee ist uns vor drei Jahren gekommen“, erzählt Goergen. Angeregt durch eine Veröffentlichung der Statistikbehörde über die niedrige Beteiligung vor allem von Jugendlichen in Vereinen hatte er eine Idee: Warum nicht ein pädagogisches Programm auf die Beine stellen, in der Jungen und Mädchen an verschiedene Vereinsaktivitäten herangeführt werden? Selbst einst passionierter Tischtennisspieler war der sportliche Schwerpunkt schnell beschlossen. Aber auch die Kultur sollte zweiter inhaltlicher Fokus werden: „Viele Kinder kennen die vielfältigen kulturellen und sozialen Angebote nicht. Wir wollen sie ihnen mit Cap Futur näherbringen.“
Das gelingt offenbar immer besser: Nach dem Tag der offenen Tür schrieben 50 Eltern ihre Kinder bei Cap Futur ein „Das sind fast doppelt so viele wie letztes Jahr“, sagt Goergen. Das Projekt spricht sich auch deshalb herum, weil damit eine spezielle Betreuung einhergeht: Schüler lernen verschiedene Aktivitäten kennen, werden von Lehrern und Erziehern angehalten, sich selbst zu engagieren und bekommen dafür einen Coach als persönlichen Berater an die Seite. Ob beispielsweise beim Fußball, Mountainbiking oder Basketball auf sportlicher Seite, oder, wie es dieses Jahr vielleicht erstmals möglich sein wird, beim Fechten, oder kulturell in der Kufa, im Musikkonservatorium, Theater oder im Schreibatelier. „Ein Schüler, der sich sonst vielleicht in Mathe oder Deutsch schwertut, kann so erfahren, dass er andere Stärken hat“, erklärt Goergen. Ursprünglich sollte sich das Projekt an alle Schulzweige wenden, also sowohl an Schüler des Modulaire, des Technique als auch des Classique. Aber weil sich bisher nie genügend Eltern fanden, die für das Classique empfohlenen Schüler im LTE eingeschrieben hätten – viele bevorzugen, ihre Zöglinge an reine Gymnasien zu schicken –, hat es bisher keine Classique-Beteiligung gegeben. Dabei ist der Clou von Cap Futur, dass Jungen und Mädchen ganz unterschiedlicher Herkunft in jenen Stunden von- und miteinander lernen. Vergangenes Jahr war es eine Modulaire-Klasse und eine Technique-Klasse, die am Cap Futur teilnahmen, davor waren es je zwei Cap-Futur-Klassen pro Schulzweig. „Dieses Jahr könnten es wieder zwei werden“, ist Goergen optimistisch.
Das Projekt, das neben Goergen hauptsächlich vier bis fünf Lehrer und Erzieher sowie eine Sekretärin getragen wird, ist eine Win-Win-Situation: für den Schüler, der seine Interessen finden und nachgehen kann. „Viele Eltern sagen uns, dass ihr Sohn oder ihre Tochter an unserer Schule erst richtig aufblüht“, sagt Georgen. Da kommt es schon mal vor, dass eine Schülerin sich für das LTE entscheidet, selbst wenn das heißt, auf den Besuch des Classique verzichten zu müssen, weil sie bei Cap Futur mitmachen will. Für die Eltern hat Cap Futur den Vorteil, dass sie ihre Kinder gefördert sehen und sie nachmittags nach Schulschluss versorgt wissen. Denn die Cap-Futur-Schüler bleiben in der Regel bis 16.30 Uhr: „Außer dienstags und donnerstags“, schränkt Goergen ein. „Wer im Verein aktiv ist, kann an diesen Nachmittagen seiner Aktivität nachgehen.“ Auch die Partner haben etwas vom Programm: Sie öffnen ihre Türen für den Nachwuchs, gerade die Kulturszene tut sich nicht immer leicht, junge Leute für sich zu gewinnen. Zumal wenn es darum geht, Jungen und Mädchen zu erreichen, deren Eltern statt ins Theater abends zur Nachtschicht in die Fabrik oder Firma gehen.
Die besondere Betreuung ist zugleich aber die Achillesferse des Projektes: Wie in anderen Schulen, die Alternativprogramme anbieten, läuft auch Cap Futur Gefahr, von manchen Eltern als Auffangstation für schwierige Kinder missverstanden zu werden: „Cap Futur kann nur gut funktionieren, wenn jede Klasse Zugpferde hat, die die Schüler nach oben ziehen“, ist Georgen überzeugt. Auch die finanzielle Situation ist nicht ohne: Nachdem der Schuletat wegen der Sparpolitik von Blau-Rot-Grün um rund 300 000 Euro gekürzt wurde, wird der Spielraum gerade für innovative Projekte wie Cap Futur immer enger.
Ein Highlight für Schüler wie Eltern ist die Expérience Musées: Kinder fahren ins hauptstädtische Mudam, werden dort von Museumspädagogen betreut, bekommen die Architektur gezeigt und erleben ein sonst eher abstraktes unbekanntes Terrain von einer völlig anderen Seite. Spielerisch, aber durchaus ernst gemeint. Sie suchen sich ein Kunstwerk aus, das sie bei der abendlichen Sonder-Visite ihren Eltern erklären. Von Experte zu Laie können sie dann mit Fachwissen glänzen. Ganz wie die Großen.