Das Unterrichtsministerium versucht, sich besser zu organisieren. Dafür werden Dienste zusammengelegt, Arbeitsbereiche neu definiert

P wie Professionalisierung

d'Lëtzebuerger Land vom 03.05.2013

Es ist eines dieser kleinen Gesetze, zu dem die parlamentarische Unterrichtskommission vergangene Woche ihre Beratungen abschloss. Im Gesetzentwurf Nr. 6503 geht es darum, zwei existierende IT-Dienste, die beide für das Unterrichtsministerium arbeiten, in einen großen Dienst zu überführen. Synergien schaffen, um Kosten zu sparen, gab Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres (LSAP) als Grund für die Fusion an, als sie das Projekt im Winter vergangenen Jahres den Abgeordneten vorstellte.

Es ist nicht der einzige organisatorisch-strukturelle Umbau, den das Ministerium in den vergangenen Monaten vollzogen hat. Auf die Zentralisierung des Grundschulpersonals von den Gemeinden auf Staatsebene folgte 2009 der Umbau des Service de coordination de la recherche et de l’innovation pédagogiques et technologiques, kurz Script.

Der Script besteht seitdem aus dem mittlerweile nach Mersch in die Räume des Lycée Ermesinde umgezogenen Lehrer-Weiterbildungsinstitut, der Schulqualitätsentwicklungsagentur und eben dem Centre de technologie de l’éducation, das nun mit dem Service informatique zum Centre de gestion informatique de l’éducation zusammengelegt werden soll. Das Ministerium begründete die Neustrukturierung seinerzeit damit, den Script künftig in eine Art pädagogisches Ressourcenzentrum umbauen zu wollen. „So können sich interessante Synergien ergeben“, erklärt Script-Direktor Jos Bertemes dem Land. Erwähnt wird dieses Ziel in der den Parlamentariern ebenfalls zur Beratung vorliegenden Neuordnung des Inspektorats.

Doch die ist mittlerweile abgesagt. Stattdessen sollen lediglich kleinere Änderungen erfolgen, unter anderem sollen die Grundschulinspektoren – trotz kürzlich vom Premier beschworener Sparbemühungen – in Zukunft wie die Lyzeums-Direktoren nach dem E8-Grad bezahlt werden. Die schwarz-rote Regierung begründet dies damit, die Inspektoren hätten mit der Grundschulreform mehr Verantwortung, etwa die Koordinierung der Équipes multiprofessionnelles, übernommen, sie beaufsichtigen und beraten je nach Bezirk 200 oder mehr Lehrer, erfüllen mit einer Schulleitung vergleichbare Aufgaben und gehörten ergo auch so bezahlt.

Aber wie passt das Vorgehen damit zusammen, dass spätestens seit der Grundschulbilanz der politische Druck auf die sozialistische Ministerin erneut gewachsen ist, das Thema Grundschuldirektionen neu anzupacken? Dass die Inspektoren-Reform abgeblasen wurde, liegt nicht zuletzt daran, weil der Staatsrat in seinem Gutachten zum entsprechenden Gesetzentwurf Einspruch erhoben und verlangt hat, zunächst die Frage der Direktionen zu klären.

Déi Gréng und die DP fordern professionelle Direktionen für die Grundschule. Auch die CSV ist dafür, hat aber aus Rücksicht auf den Koalitionspartner klein beigegeben und einen Kompromiss unterstützt. Der Präsident der parlamentarischen Unterrichtskommission, Ben Fayot, gilt als vehementer Gegner von ausgebildeten Grundschulleitungen.

Die Autoren des Entwurfs, darunter ein ehemaliger Inspektor, hatten stets beteuert, ein neu geordnetes Inspektorat stünde einer späteren Einführung von Schuldirektionen nicht im Wege. Auf den Fluren des Unterrichtsministeriums wurde jedoch eine andere Version erzählt, nämlich dass die Gehaltsaufbesserung von 21 Inspektoren die preiswertere Variante zu 154 professionellen Schuldirektoren gewesen sei.

Kostenfrage hin oder her, problematisch ist, dass das hinter den Umstrukturierungen liegende Gesamtkonzept des Ministeriums schwer erkennbar ist. Seit mehreren Jahren ist man dabei, die Weichen für ein Bildungsmonitoring zu stellen. Dafür wurde die Schulqualitätsentwicklungsagentur geschaffen, die Luxemburger Grundschulen berät und ihnen dabei hilft, den PRS, den Schulentwicklungsplan aufzustellen. Die Mitarbeiter der Agentur versorgen die Schulen mit Daten, die ihnen Aufschluss über die Zusammensetzung ihrer Schulpopulation, über das Klassenklima sowie die Unterrichtsqualität (gemessen an den Schülerleistungen) geben. Rapport Lycée hieß bislang das Pendant in der Sekundarstufe, das mit der kürzlich vom Regierungsrat gutgeheißenen Sekundarschulreform in Profil Lycée umbenannt werden soll. In den Lyzeen sollen Schulentwicklungszellen gemeinsam mit der Direktion und mit dem Conseil d’éducation Aktionsprogramme erstellen und umsetzen. Obwohl es noch keine gesetzliche Grundlage für sie gibt, existieren derartige Zellen an 31 von insgesamt 36 Lyzeen im Land, demnächst werden sie mit dem Ministerium und der Schulentwicklungsagentur zusammenkommen.

Allerdings: Wie Schulen konkret besser werden können, ist unklar. Was für Unterstützung erhält eine Schule, wenn beispielsweise im Rahmen des Schulberichts festgestellt wird, dass die Französischleistungen ihrer Schüler über Jahre konstant schwach sind? Und wer kontrolliert später, ob etwaige Hilfen konkrete Ergebnisse gebracht haben? In den Lyzeen gibt es kein Inspektorat, angesichts des doch nicht kleinen Budgets, dass die Schulen in Eigenregie verwalten, eigentlich erstaunlich. Pläne, eine solche Aufsicht einzuführen, hat es immer wieder gegeben, ohne allerdings konkrete Form anzunehmen. Auch unter Ministerin Delvaux ist die Schaffung einer Aufsichtsbehörde für die Sekundarschulen Thema. Zumal mit dem OECD-Länderbericht zum Bildungsmonitoring in Luxemburg (d’Land vom 7.12.2012) ihr Fehlen als einer von vielen Schwachpunkten aufgezählt wird.

Auch im Grundschulbereich ist nicht klar, welche Rolle die Inspektoren in der Qualitätsentwicklung und -sicherung spielen, und was überhaupt als gute Schule gilt. Die Inspektoren kontrollieren nicht nach einheitlichen Kriterien. Es gibt keine übergeordneten Qualitätsstandards, geschweige denn eine allgemein gültige Definition für guten Unterricht.

Wenn die Agentur aber vor allem im Dienste der Schulen agiert und ihre Daten lediglich zur internen Nutzung der Schulen dienen, warum ist sie dann im Script? Das Ministerium hat stets betont, die Testergebnisse und Schulberichte nicht veröffentlichen zu wollen und kein Ranking unter den Schulen zuzulassen. Ginge es darum, die Unabhängigkeit und den Coaching-Charakter der Agentur zu betonen, wäre es glaubwürdiger, sie aus dem Ministerium herauszunehmen. „Die Arbeit der Agentur umfasst zwei Aufgabenbereiche, einen inhaltlich-pädagogischen und einen methodologischen“, verteidigt Jos Bertemes den Verbleib der Agentur im Script. Geplant sei zudem, die Koordination und Gewinnung von Daten in naher Zukunft gemeinsam mit der Uni in einen Organismus zu überführen, der Centre for educational testing heißen könnte. Dort wäre dann sämtliche Expertise rund um internationale und nationale Bildungsstudien wie Pirls, Pisa und Epstan konzentriert.

Vielleicht aber bleibt die Entwicklungsagentur auch im Haus, weil das Ministerium die Schuldaten doch nicht ganz aus der Hand geben will – und: für den Script blieben dann nicht mehr viele Aufgabenfelder übrig. Zumal auch das Weiterbildungsinstitut in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen ist. Mit der Fusion der beiden IT-Zentren werden die Mitarbeiter der Mediathek, bei der Lehrer und Lehreranwärter DVDs, didaktisches Material und anderes ausleihen können, dem Script zugeschlagen.

Doch es bestehen seit längerem Pläne, das Weiterbildungsinstitut ganz auszugliedern. Und vielleicht sogar eines Tages die Initialausbildung der Lehrer, die sich derzeit an der Uni befindet, mit der Weiterbildung zusammenzuführen. Nicht nur aus Gründen der Synergie würde das Sinn machen. Dann könnten Erstausbildung und Lehrerweiterbildung enger an die Bedürfnisse der Schulen gebunden werden. Ob Lehreranwärter mehr didaktische Fähigkeiten, mehr Kenntnis über Lerntheorien oder Fachwissen entwickeln sollen, darüber wird gestritten, seitdem es die Universität gibt. Bis heute ist die Kritik an der mehrfach überarbeiteten Grundschullehrerausbildung nicht verstummt. Vielleicht ändert sich das, sollte der Stage für die Grundschullehrer, wie innerhalb der Reform des Beamtenstatuts diskutiert, wirklich eines Tages kommen. Im Kontext der neu entflammten Sprachendiskussion muss dringend geklärt werden, welche didaktischen Kompetenzen Luxemburgs Lehrer haben müssen.

„Wenn wir das Sprachenproblem lösen wollen, brauchen wir mehr didaktische Kompetenz, in der Uni, im Ministerium und natürlich in den Schulen“, betont Jos Bertemes. Der Script könne diese Kompetenzen bündeln und vernetzen, und im Sinne eines Ressourcenzentrums themenorientierte Arbeitsgruppen unterstützen. Wie das bereits ansatzweise bei der Entwicklung der Mindestsockel geschah.

Seit einiger Zeit ist das Ministerium dabei, mehr und mehr Expertise bei den Lehrern selbst abzurufen beziehungsweise aufzubauen, etwa in Form der Instituteurs-ressources, die Schulen und Lehrern mit Rat und Tat zur Seite stehen, aber auch bei der Kurzausbildung der Lehrbeauftragten. Von den Gewerkschaften, die jegliche neue hierarchische Zwischenstufen ablehnen, wird das nicht gerne gesehen. Gleichzeitig ist der Trend kaum aufzuhalten, dass mit der wachsenden Heterogenität im Klassenraum spezialisiertes Personal in der Schule eine immer größere Bedeutung bekommt. Zum Teil sind es die Lehrer selbst, die dies fordern.

Es gibt noch einen weiteren Bereich, in dem das Ministerium verstärkt Kompetenzen aufbauen muss – und das ist in der politischen Planung. Bisher wurden Reformen in enger Zusammenarbeit zwischen der jeweiligen Abteilung, der Ministerin, der Generalkoordination sowie dem Script geplant. Für die Sekundarschulreform zeichnete vor allem der Script verantwortlich. Aber es fehlt weiterhin an Expertise. Die meisten Beamten sind freigestellte Lehrer, von denen nur die wenigsten eine Zusatzausbildung in Projektmanagement, Organisationsentwicklung oder Bildungswissenschaften vorweisen können. Schulreformen sind aber hochkomplexe Vorhaben mit vielen Akteuren, die ganz unterschiedliche Interessen haben. Das erklärt unter anderem, warum noch immer solche groben handwerklichen Fehler unterlaufen wie bei der Berufsausbildungsreform, die bei den zuständigen Beamten und den Akteuren in den Schulen nachwievor für Kopfschmerzen sorgt. Oder warum Mammutprojekte wie das Bildungsmonitoring zwar geplant und auf die Schiene gesetzt werden, aber dann die nötige Präzision bei der Umsetzung fehlt. Eine versierte Politikberatung hätte sicherlich auch nicht geschadet, um das ganz und gar unglückliche Aufeinandertreffen von der Reform des öffentlichen Dienstes und Sekundarschulreform zu vermeiden. Das war wahrscheinlich der größte Patzer, den sich diese Regierung im Bereich der Bildungspolitik bisher geleistet hat. Und für den sie heute teuer bezahlt.

Ines Kurschat
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