Libyen und die EU

Ein bisschen Frieden

d'Lëtzebuerger Land vom 24.01.2020

Die Waffen sollen ruhen. Dies ist das Ziel der Libyen-Friedenskonferenz vom vergangenen Sonntag, als Vertreter der wichtigsten Akteure im libyschen Bürgerkrieg sich in Berlin auf einen Fahrplan zu einer Befriedung des nordafrikanischen Landes verständigten. Schon vor der Berliner Konferenz schwor Josep Borrell, EU-Beauftragter für Außen- und Sicherheitspolitik, die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union darauf ein, sich stärker in Libyen zu engagieren – notfalls auch militärisch: „Wenn es einen Waffenstillstand in Libyen gibt, dann muss die EU bereit sein, bei der Umsetzung und der Überwachung dieses Waffenstillstands zu helfen – eventuell auch mit Soldaten, etwa im Rahmen einer EU-Mission“, so Borrell in einem Gespräch mit dem Magazin Der Spiegel. Und weiter: „Beim Sondertreffen der EU-Außenminister waren wir zuletzt sehr klar: Das muss die EU tun.“ Mit seinen Plänen und Vorhaben will der EU-Chefdiplomaten vor allen den wachsenden Einfluss der Türkei und Russlands in Libyen begrenzen. Hier sieht Borrell die EU in der Pflicht, denn Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan sei es zwar gelungen, eine vorläufige Waffenruhe zwischen den verfeindeten Parteien in dem nordafrikanischen Land vorzubereiten, doch dies verdeutliche vor allen Dingen, wie gering der Einfluss der EU in der Region sei.

Nach den Berliner Grundsatzbeschlüssen vom Wochenende begann in Brüssel am Montag die Detailarbeit. Dort zeigte sich der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) zuversichtlich, dass die Berliner Vereinbarung den militärischen Konflikt beenden kann und einen politischen Prozess zum Frieden eröffnet. In der Berichterstattung sowohl über die Libyen-Konferenz als auch über die nachfolgende Diskussion deren Ergebnisse in Brüssel war es deutschen Pressevertretern jedoch ein großes Anliegen, den eigenen Politikerinnen und Politikern ein Bekenntnis zu entlocken, deutsche Soldaten nach Libyen zu schicken. Man dürfe sich nicht mehr wegducken, müsse Verantwortung zeigen, kommentierte etwa die Nachrichtensendung Tagesthemen. In Deutschland gibt es noch immer das Trauma von 2011 zu überwinden, als man britischen und US-amerikanischen Militärak-
tionen in Libyen die Unterstützung verweigerte.

Die Situation in Libyen ist verworren. Es gibt so viele Interessen wie es auch Milizen gibt. Die beiden wichtigsten Akteure sind dabei General Khalifa Haftar und Regierungschef Fayez al-Sarradsch. Haftar, der von Russland und dem Nachbarland Ägypten unterstützt wird, hat weite Teile des Landes erobert und ist zuletzt Richtung der Hauptstadt Tripolis vorgerückt, wo die Regierung von al-Sarradsch ihren Sitz hat. Diese wird prinzipiell von den Vereinten Nationen anerkannt und erhält aus der Türkei Hilfe. Schon seit 2011 existiert ein Waffenembargo für Libyen, an das sich jedoch kaum einer hält. So war es ein Anliegen der Konferenz vom Sonntag, dieses Embargo endlich durchzusetzen. Tatsächlich bekannten sich auch alle Akteure am Berliner Verhandlungstisch auch dazu und beschlossen, dass Waffenlieferungen nach Libyen künftig sanktioniert werden sollen. Josep Borrell dazu: „Wir Europäer sind von den Vereinten Nationen damit betraut worden, es durchzusetzen. In Wahrheit ist das Waffenembargo ineffektiv. Niemand kontrolliert dort irgendwas.“ Nun soll die Mittelmeermission „Sophia“, die das Embargo in den vergangenen Jahren durchsetzen sollte, gestärkt werden durch „Neubelebung und Fokussierung“. Während ihrer Fahrten vor der libyschen Küste nahmen die Schiffe der Sophia-Mission immer wieder in Seenot geratene Flüchtlinge auf. Seit dem vergangenen Jahr hat der Einsatz keine Schiffe mehr, da sich Italien unter dem damaligen rechtspopulistischen Innenminister Matteo Salvini weigerte, Boote mit Flüchtlingen weiterhin anlanden zu lassen.

Die spanische Regierung betonte, dass es mit der Überwachung des Mittelmeers nicht allein getan sei. Die meisten Waffen kämen über den Landweg ins Bürgerkriegsland. Deshalb müsse die Seemission durch eine Satelliten- und Luftraumüberwachung begleitet werden. Doch darüber, wer diese Aufgabe übernehmen soll, kamen die europäischen Diplomaten nicht überein. Alle Pläne für Libyen sind Schall und Rauch, wenn die Türkei und Russland keinen tatsächlichen Frieden wollen. Schließlich sind beide Länder tief in den Bürgerkrieg verwickelt. In konträren Positionen. Zudem wird es schwierig sein, die beiden größten verfeindeten Lager zu einem Friedensschluss zu bewegen. Nun sollen Delegationen verhandeln, aber al-Sarradsch schloss direkte Gespräche mit Haftar aus.

Es ist ein weiter Weg zu einem Frieden. Doch sollte sich die einmalige Chance auftun, dann wird die Europäische Union gefordert sein. Borrell scheint den Weg für eine Friedensmission unter Führung der EU ebnen zu wollen. Die Mitgliedsstaaten zeigen sich eher zögerlich. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg sagte, einen Militäreinsatz in Libyen müsse sich die EU „sehr gut überlegen“. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn forderte, dass zunächst die Uno entscheiden müsse. Die EU oder einzelne Mitgliedsstaaten würden sich dann aber einer Beteiligung sicher nicht entziehen. Unter Präsident Donald Trump werden sich die USA kaum an einem Einsatz in Nordafrika beteiligen. Tatsächlich kommen den Vereinten Nationen nun eine Schlüsselfunktion zu, ob sie es schafft eine Libyen-Resolution auf den Weg zu bringen, die in einem Mandat für eine Friedensmission mündet – und wie dieses Mandat letztendlich ausgestaltet wird, sprich: Was den Friedenssoldaten erlaubt sein wird. Doch Russland ist eine Vetomacht im Weltsicherheitsrat, die nicht genehme Beschlüsse blockieren kann. Die politische Linke forderte die UN bereits auf, sich auf ihre ursprüngliche Position zurückzuziehen, nur zwischen kriegführenden Ländern zu vermitteln, nicht aber in nationale Konflikte einzugreifen.

Martin Theobald
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