Es gibt in Zukunft mehr Geld für Student/innen. Allerdings nur, wenn sie im Ausland wohnen

Verpasste Chance

Aula in Belval
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 31.10.2025

Es ist Freitagmorgen und die Verfasserin dieser Zeilen wartet mit einigen weiteren Journalist/innen im Eingangsbereich des Ministeriums für Forschung und Hochschulwesen. Um zehn Uhr soll die Pressekonferenz zur angekündigten Reform der staatlichen Beihilfe für Student/innen, die AideFi, beginnen. Pünktlich auf die Minute kommt CSV-Ministerin Stéphanie Obertin in den Raum und beginnt nach einer kurzen Begrüßung mit der Tagesordnung. Zuerst werden die Daten zum Hochschulwesen 2024/2025 präsentiert, dann geht die Ministerin auf die Reform ein. Ziel sei es, die Beihilfe für Student/innen an die „sozialen und wirtschaftlichen Realitäten“ anzupassen.

Nach einem ersten Blick in das anfangs ausgeteilte Informationsheftchen wird klar: Ums Grundsätzliche geht es heute nicht. Die Reform beinhaltet finanzielle Anpassungen und formale Nachbesserungen einzelner Statute, die voraussichtlich ab 2026/2027 gelten sollen: Der Index wird halbjährig angepasst werden, für abgeschlossene Ausbildungen gibt es eine Einmalzahlung von 250 Euro, das Mobilitätsstipendium wird um 158 pro Jahr angehoben, der Zinsensatz für den Darlehen von zwei auf 1,8 Prozent. Zusätzlich wurde das Statut der Teilzeitstudenten klargestellt und Doktorant/innen sollen zukünftig nicht mehr über die AideFi finanziert werden, sondern durch Beihilfen des Fonds national de la recherche (FNR).

Die Reform ist in enger Zusammenarbeit mit der Studentenvertretung Acel entstanden. Im Oktober 2024 stellte sie zusammen mit Obertin eine déclaration d’intentions vor, die bereits einen Großteil der an diesem Freitag vorgestellten Änderungen beinhaltete. Laurent Schengen, zuständig für die Repräsentation der Acel, erläutert um Gespräch mit dem Land, sie seien „sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit sowie der Reform“. Auf die Nachfrage, ob es Baustellen gibt, die die Reform noch nicht angeht, erläutert er, man sei sich bewusst, dass das Mobilitätsstipendium in Teilen „unfair“ sei. „Wir finden diesen Umstand nicht gut und das Ministerium sieht das genauso“, betont der Student. „Trotzdem wissen weder sie noch wir, wie man die Hilfe anpassen kann, ohne mehr Student/innen zu benachteiligen als es bisher der Fall ist“, räumt er ein. Ende September beklagte Amir Vesali, parlamentarischer Mitarbeiter der LSAP, unter anderem diesen Umstand in einem Gastbeitrag zur Reform der staatliche Beihilfen im Luxemburger Wort.

Das Mobilitätsstipendium von 1 566 Euro pro Semester erhält man, wenn man mindestens für zwei Monate pro Semester eine Wohnung im Ausland mietet. Student/innen, die innerhalb der luxemburgischen Grenzen mieten oder in Wohnheimen leben, weil sie zu weit weg vom Campus in Belval wohnen und das tägliche Pendeln vom Elternhaus zu viel Zeit und Nerven in Anspruch nimmt, erhalten weiterhin nur das Basisstipendium von 1 258 Euro pro Semester. Pro Monat sind das 209 Euro. Auf die Frage, ob die besagten Student/innen der Uni Luxemburg dadurch benachteiligt werden, antwortete die Ministerin, man habe diesen Aspekt „bewusst nicht miteinbezogen“ und versuche „in Zusammenarbeit mit Wohnheimen eine Lösung für betroffene Student/innen zu finden“. Das Mobilitätsstipendium sei dazu gedacht, „gezielt Student/innen im Ausland zu unterstützen“.

Dass es einen Großteil der luxemburgischen Studentenschaft zum Studieren ins Ausland zieht, war schon immer so. Seitdem die Uni Luxemburg weiter ausgebaut und das Studienangebot attraktiver geworden ist, entscheiden sich jedoch zunehmend mehr junge Menschen für ein Studium in ihrem Heimatsland. Von den akademischen Jahren 2020/2021 auf 2024/2025 ist die Zahl der luxemburgischen Student/innen an der Uni Luxemburg um 440 gestiegen, ein Anstieg von 11,6 Prozent. In dem Sinne ist die Hilfe nicht mehr zeitgemäß: Anstatt die Universität Luxemburg attraktiver zu machen, besteht weiterhin ein Anreiz ins Ausland zu gehen.

Amélie hat für ein Jahr Medizin an der Universität Luxemburg studiert und kommt aus der Nähe von Troisvierges. „Für mich war zuhause wohnen keine Option. Das Pendeln hätte zu viel Zeit eingenommen, in der ich nicht lernen kann“, erzählt sie im Gespräch mit dem Land. Sie habe einen Wohnheimplatz gefunden, „ohne die finanzielle Unterstützung meiner Eltern wäre das aber nicht möglich gewesen“, betont sie. Für ihr zweites Jahr ist sie nach Brüssel gewechselt, hauptsächlich wegen des Studienangebots. Die Tatsache, dass sie im Ausland das Mobilitätstipendium bekommt, ohne weiter weg von zuhause zu leben, hat sie in dieser Entscheidung bekräftigt, es war ein „Bonus“. „Ich fand es schon unfair zu sehen, wie meine Kommilitonen aus dem Süden von Luxemburg, die zuhause gewohnt haben, das Basisstipendium als Taschengeld hatten, während ich damit Miete und Essen gezahlt habe“, erklärt die 20-Jährige.

Will man den Standpunkt der Universität Luxemburg für luxemburgische Student/innen attraktiv halten, wird man sich früher oder später an eine grundsätzliche Reform der Beihilfen trauen müssen. Denn der Platz in einem Wohnheim, der Obertin als Alternative angedeutet hat, ist die eine Sache, das Finanzieren dessen die andere.

Studienhilfe

Die luxemburgische Studienbeihilfe AideFi, früher Cedies, besteht prinzipiell aus vier Bausteinen: Das Basis-, das Sozial-, das Mobilitäts- und das Familienstipendium. Hinzu kommt die Möglichkeit, einen Darlehen mit gedeckeltem Zinssatz anzufragen. Das Basisstipendium erhalten alle förderfähigen Student/innen. Ob man das Sozialstipendium beziehen kann, hängt vom Gesamt-Verdienst des Haushaltes ab, in dem man angemeldet ist. Studiert man im Ausland, erhält man zusätzlich das Mobilitätsstipendium; das Familienstipendium bekommt man, wenn mehr als ein Kind aus dem gleichen Haushalt ein Studium absolviert. Auch die Kinder von Grenzgänger haben unter bestimmten Bedingungen Recht auf die Stipendien. Über die letzten 25 Jahre wurde die Beihilfe mit dem Ziel ausgebaut, allen Luxemburger/innen die Chance auf ein Studium zu gewähren, unabhängig von ihrer sozialen Situation. Der Ausbau schlägt sich in den staatlichen Ausgaben für die Beihilfen nieder: Im akademischen Jahr 2000/2001 lag der Betrag noch bei rund 5,9 Millionen Euro, für das Jahr 2024/2025 bei 180,8 Millionen Euro.

Claire Meyers
© 2025 d’Lëtzebuerger Land