Weltfrieden à la Trump und Kim

Koreaner setzen sich durch

d'Lëtzebuerger Land du 15.06.2018

Am Dienstag gaben sich US-Präsident Donald Trump und der nordkoreanische Staatschef Kim Jong Un die Hand und sagten, sie hätten den Weg des Friedens eingeschlagen. Beide Politiker sind nicht als die zuverlässigsten Partner bekannt. Dennoch ist das Papier, das nun ihre Unterschriften trägt, wichtig. Auch mit einem Tweet ist es nicht mehr rückgängig zu machen.

Im Wesentlichen haben sich die USA und Nordkorea auf vier Punkte geeinigt. Beide Länder wollen ihre Beziehungen ab jetzt neu aufstellen. Sie wollen zusammenarbeiten, um einen dauerhaften und stabilen Frieden auf der koreanischen Halbinsel zu erreichen. Die Nordkoreaner werden, wie zuvor schon mit ihren südkoreanischen Verwandten vereinbart, ihren Beitrag zur Entnuklearisierung der Halbinsel leisten. Und schließlich werden die USA und Nordkorea die sterblichen Überreste der im Koreakrieg gefallenen Soldaten austauschen.

Kurz nach dem offiziellen Ende des Treffens erklärte Trump überraschend, die USA überlege die sogenannten „Kriegsspiele“, also die gemeinsamen Truppenübungen mit der südkoreanischen Armee, einzustellen und die US-Truppen abzuziehen. Eine langjährige Forderung Pjöngjangs, doch offenbar auch im Einklang mit Trumps Wahlversprechungen. Was gut passen würde, so kurz vor den Kongresswahlen in den USA.

Nordkorea ließ wissen, es könne ein Areal für Raketentests zerstören, was wiederum eine Forderung Washingtons ist, die auch von Trump im Gespräch an Kim genannt hatte. Das unterzeichnete Dokument und die gegenseitigen Versprechungen machen deutlich, dass das Ziel des Treffens war, den Weg zu einem Friedensvertrag zu ebnen. Und keineswegs nur das Nuklearprogramm Nordkoreas zu stoppen.

Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Vor allem Trumps Absicht, die „Kriegsspiele“ zu beenden steht im Kreuzfeuer. Auffallend ist dabei, dass die Kritiker die Absicht Nordkoreas nicht hinterfragen. Dabei ist unschwer zu erkennen, dass beide Überlegungen Teil eines einzigen Kompromisses sein sollen. Die Kritik, die gerade einsetzt, demonstriert auch die essenzielle Schwierigkeit des neu gestarteten Friedensprozesses. Es gibt zwei unterschiedliche Perspektiven auf diesen Prozess. Und leider ignoriert der Westen die koreanische Perspektive völlig.

Der Westen, oder besser die Welt, fokussiert aus verständlichen Gründen auf das Atombombenprogramm Pjöngjangs. Doch als direkt Betroffene sehen Nord- und Südkoreaner hier eine neue, großartige Gelegenheit in diesen Gesprächen: Endlich die Korea-Frage lösen! Die Korea-Frage ist ein politisches Problem, das Anfang des 20. Jahrhunderts, konkret 1905 mit der Besatzung und 1910 Annexion Koreas durch Japan entstand. Die Koreaner wollten einen eigenen, unabhängigen und souveränen Staat. China, damals selbst in einen Bürgerkrieg verwickelt und gespalten, unterstützte sie. Japan dagegen nutzte Gewalt und unterdrückte jegliche Unabhängigkeitsbestrebung. Ein breiter Widerstand setzte ein, in dem Kommunisten eine wesentliche Rolle spielten.

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges mussten die Japaner gehen, die Unabhängigkeitswünsche blieben, wurden aber weiterhin gedämpft. Denn die Kommunisten waren zu stark vertreten in der Widerstandsbewegung und der Westen war nicht bereit, das Land kampflos seinem Feind im Kalten Krieg zu überlassen. Es wurde gespalten. Der Korea-Krieg, der folgte, zählt heute zu den wichtigsten und blutigsten Ereignissen des Kalten Krieges. Nordkorea repräsentiert heute einen Teil der damaligen Kommunisten, die Widerstand gegen den japanischen Imperialismus leisteten. Auch in Südkorea sind sie nicht verschwunden, obwohl viele ihrer Führer vor dem Korea-Krieg in den Norden fliehen mussten, wie zum Beispiel der erste Außenminister Südkoreas, Pak Hon-yong. Heute werden der Führung Nordkoreas schwerste Menschenrechtsverletzungen nachgesagt.

Wichtig ist auch, dass der Prozess, der nun mit dem Handschlag zwischen Trump und Kim einen vorläufigen Höhepunkt erreichte, auch in Südkorea große Unterstützung findet. Die Lokalwahlen am vergangenen Mittwoch in Südkorea bewiesen es erneut. Konservative Parteien bauten ihren Wahlkampf auf Kritik der Friedensbemühungen der Regierung auf und verloren daraufhin selbst in allen ihren traditionellen Hochburgen. Beobachter sind sich einig, dass das Wahlergebnis den Wunsch der Südkoreaner ausdrücke, den nun eingeschlagenen Weg zum Frieden mit dem Norden weiter zu beschreiten.

Ob der Prozess zum Erfolg führt, bleibt freilich vorerst offen. Zu viele Hoffnungen sind in Hinblick auf Korea in der Vergangenheit bereits gescheitert. Meistens war Nordkorea der Spielverderber. Doch auch die bisherige Regierungszeit Donald Trumps zeichnet sich nicht durch Kompromissbereitschaft und Vertragstreue aus. Wie alle Probleme, braucht auch die Lösung des Korea-Problems internationale Unterstützer. Regionale Mächte, also China, Japan und Russland, müssen mitmachen. Ein Abkommen ohne ihre Beteiligung und Einverständnis wird kaum durchsetzbar sein. Daher werden Trump und Kim nur dann Erfolg haben, wenn sie diese und weitere Länder in die künftigen Gespräche einbinden.

Wenn der „historische Handschlag“ in Singapur nicht nur eine Unterhaltungseinlage bleiben soll, müssen Kritiker die koreanische Perspektive des gesamten Prozesses berücksichtigen. Erst dann wird deutlich, dass es die nordkoreanischen Atomraketen nicht gegeben hätte, fänden direkt entlang der innerkoreanischen Grenze Jahr für Jahr die besagten „Kriegsspiele“ nicht statt. Diese und weitere einschüchternde Maßnahmen gaben den Nordkoreanern das Gefühl mit dem Rücken an der Wand zu stehen und dass jederzeit die Vernichtung drohe, wenn sie sich nicht verteidigten.

Cem Sey
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