Der Nahostkonflikt spitzt sich zu

Allianz der Hardliner

d'Lëtzebuerger Land du 18.05.2018

Ungarn, Tschechien und Rumänien stellen sich in der EU hinter Israel. Anfang der Woche blockierten die drei Osteuropäer eine kritische Erklärung zum Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, die die EU-Mitgliedsstaaten dazu anhielt, sich mit ihren Botschaften zum Verbleib in Tel Aviv zu verpflichten. Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump hatte den Protesten im Gazastreifen, bei denen am Montag 60 Demonstranten erschossen wurden, zusätzlichen Zündstoff gegeben. Jijia al-Sinwar, Chef des Hamas-Politbüros, nannte Jerusalem im Verlauf einer Pressekonferenz in Gaza das „Herz Palästina“. In seinem Volk empfinde man eine besondere Verbindung zu der heiligen Stadt.

Eine Resolution der EU hätte für die Palästinenser ein Signal sein können, dass sie nicht allein in der Welt sind. Eine öffentliche Aufmerksamkeit zu schaffen für das Schicksal der vor 70 Jahren vertriebenen Flüchtlinge war das Ziel des „Großen Marschs der Rückkehr“. Die islamistische Führung der Hamas im Gazastreifen trieb die Demonstranten dazu an, den Grenzzaun zu durchbrechen, um in die Heimat ihrer Vorväter zurückzukehren. Israels Sicherheitsapparat reagierte mit Härte. Wer sich den Grenzanlagen nähert, droht, erschossen zu werden. Auf Flugblättern, die die Luftwaffe noch kurz vor Beginn der Proteste über dem Gazastreifen abwarf, hieß es: „Die Hamas missbraucht Euch, um von ihrem Versagen abzulenken. Sie bringt Euch und Eure Familien in Gefahr.“

Vor dem UN-Sicherheitrat forderte Kuwait eine internationale Untersuchung der Vorgänge in der Grenzregion, die seit Ende März über einhundert Todesopfer und mehrere Tausend Verletzte forderte, doch die USA legten ihr Veto dagegen ein. Solange Donald Trump Chef im Weißen Haus bleibt, muss Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in New York nichts fürchten. Trump entschied über die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt, und verabschiedete sich nun, das Glück Netanjahus vervollkommnend, auch noch aus dem Iran-Abkommen.

Nahezu einstimmig begrüßten Politiker aller israelischen Parteien die Entscheidung Trumps. Über Jahre schien das nukleare Rüstungsprogramm Teherans einzig Israels Problem zu sein. Seit dem Führungswechsel im Weißen Haus kämpft Netanjahu jedoch nicht mehr allein an der gefährlichsten Front mit dem Gegner, der aus einer Entfernung von Tausenden Kilometern dem Judenstaat mit der Vernichtung droht. Israel steht zwar ganz oben auf der schwarzen Liste Teherans, dennoch würde ein Atomstaat Iran die gesamte Region bedrohen und mit dem Ausbau der ballistischen Möglichkeiten noch weiter entfernte Ziele erreichen können. Netanjahu und Trump waren sich stets einig, dass gar kein Atomabkommen besser ist als ein schlechtes. Beide Regierungschefs wollen mit vereinter Kraft nun den diplomatischen Weg einschlagen, um die restlichen Partner des Abkommens dazu zu bewegen, einen neuen, besseren Vertrag auszuhandeln.

Problematisch waren aus israelischer Sicht die zeitlich begrenzten Einschränkungen für das Atomforschungsprogramm und die Möglichkeit für den Iran, nach Ablauf der zehnjährigen Frist im Jahr 2025 die Urananreicherung in vollem Umfang wieder aufzunehmen. Die Hoffnung in Jerusalem ist, diese Frist um weitere zehn oder besser noch mehr Jahre zu verlängern. Damit würde man Zeit gewinnen für die Modernisierung des Luftwaffenabwehrsystems. Zum zweiten wächst mit jedem weiteren Jahr die Chance, dass es in Teheran doch noch zu einem Regimewechsel kommt. Neue Sanktionen, die auch die iranische Zivilbevölkerung treffen, könnten den Druck aus dem Volk verstärken, das schon jetzt mit Unmut zusieht, wie Milliarden von Steuergeldern in den syrischen Bürgerkrieg fließen oder in die Aufrüstung der libanesischen Terrororganisation Hisbollah. 

Der zweite problematische Punkt des JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action) ist die Kontrolle der nuklearen Forschungseinrichtungen, die nur nach vorheriger Ankündigung und nur mit Zustimmung der Iraner vorgenommen werden darf. Aus israelischer Sicht sind Kontrollen hinfällig, wenn die Iraner vorher die Möglichkeit haben, verdächtiges Material beiseite zu schaffen. Netanjahus Präsentation der geheimen Akten aus dem iranischen Atomarchiv zielte letztlich darauf ab, Teheran als Partner zu entlarven, dem man nicht vertrauen darf. Damit rannte Netanjahu bei den Europäern offene Türen ein. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini konterte zwar, dass man eben weil es an Vertrauen mangelte, das Abkommen überhaupt erst getroffen habe, ganz glücklich ist man aber auch in Europa nicht mit den erreichten Klauseln. „Besser einen schlechten Vertrag als gar keinen“, heißt es in Berlin und Paris, im Gegensatz zur Haltung von Trump und Netanjahu.

Für Netanjahu ist das Problem Atomstaat mit dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen noch lange nicht gelöst. Dass neue Sanktionen den Iran zur Aufgabe seiner nuklearen Ambitionen führen könnten, ist unwahrscheinlich. Denkbar wäre hingegen, dass die Geheimdienste den Cyber-Krieg wieder aufnehmen, wenn das nicht schon passiert ist. Der Computerwurm Stuxnet, der vor knapp 20 Jahren rund eintausend Uranzentrifugen zerstörte, ging vermutlich auf das Konto des Mossad. Dem israelischen Auslandsgeheimdienst wurde damals auch eine Serie mysteriöser Todesfälle unter iranischen Atomforschern zugeschrieben.

Susanne Knaul
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