Die Experten rücken an und erklären dem rückständigen Volk, wer es ist und was und was es Tolles sein könnte. Vielleicht existiert es ja gar nicht. Und die Nation, die es sich einbildet zu sein, existiert vielleicht auch nicht, komplett aus der Mode, trotz des tollen Nation Branding. Eine Bevölkerung ist es aber schon, trösten die Expertinnen. Aber wer will schon ein Bevölkerungslied singen anstelle eines Volkslieds von Fausti?
Das Volk folgt meistens nicht, und wenn, so seufzen die Denker_innen, die sich immer so volksverlassen fühlen, dann folgt es immer den Falschen. Man kann ihm tausend Mal alles erklären, es vor Runde Tische setzen, ihm Klartext vorkauten – es denkt Nein. Neinneinnein. Irgend etwas braut sich hinter den störrischen Stirnen zusammen, bekanntlich meist etwas Negatives. Etwas Trotziges. Neinnein, schreit das Volk, nein, es schreit nicht, es dumpft es in sich hinein und schreibt mit schwerer Klaue, dass die Denker_innen bemerken, das Volk solle doch erst mal schreiben lernen. In seiner
eigenen Sprache, die ihm ja angeblich so tief aus dem Bauch kommt und ihm so am Herzen liegt. Wahrscheinlich, lästern die Vordenker_innen, die auch Nachdenker_innen sind, hängt dieses Volk zu stark vor deutschem Unterhosenschichtfernsehen ab. Braune Brühe, zetern sie und schütteln den Denkerkopf angesichts hausbackener Argumente. Statt pädagogisches Fernsehen zu schauen oder Hysterikerinnen zu lauschen, denkt das Volk aber, ihr könnt mich mal. In meiner Kabine denke ich, denkt das Volk, und ich werde einen Denkzettel abliefern. Dann schaut ihr aber!
Die Avantgarde prescht vor, mit hohem Tempo. Wo ist das Volk, kommt es noch mit? Die proletarischen Massen, die es ja nicht mehr gibt, es gibt nur noch Vereinzelte, strömen nicht in hässliche Hallen, um sich die schöne neue Welt vorstellen zu lassen. Den proletarischen Massen ist es auch ziemlich egal, ob Luxemburg vorreitet.
Weltbürger nennt sich einer auf dem Bildschirm, das klingt super. Ein anderer outet sich gar als Mensch. Leider jedoch wird den meisten aus dem Volk bloß schwindlig bei der Vorstellung, dass es ohne Nation auch gehen soll. Ein bisschen verloren kämen sie sich dann schon auf dem Erdball vor, so grenzenlos, so undefiniert. Dafür, schlagen die Expertinnen vor, könnte der Bevölkerungsbestandteil ein Citoyen oder eine Citoyenne werden, wär das denn nichts? Wo sind die Visionen? Wo ist das neue Europa, die neue Welt, der neue Mensch, Utopolis? Homo luxemburgensis starrt schreckgeweiteten Auges auf Homunculus globalis, der hier, so etwas alpträumt ihm gerade, ausgeheckt wird. Der verstockte Stockluxemburger heftet sich die nationale Beschwörungsformel an den Busen. Er will zwanghaft bleiben, was er ist, was leider im Kosmos nicht vorgesehen ist.
Aber manche freundliche Altmodische, die mit brauner Brühe nicht das Geringste zu tun haben, vielleicht hin und wieder ein Nostalgieschübchen genießen, wundern sich ein bisschen darüber, dass so viele dieser rätselhaften Ausländer_innen auch nach vielen Jahren die Staatsbürgerschaft des Landes, in dem sie ihr Leben verbringen, verschmähen. Manche sogar kategorisch. Ist es wirklich so schlimm, eine Luxemburgerin zu sein, grübeln sie, sie wären ja nur Nebenbei-Luxemburgerinnen, halbe, Luxemburgerinnen light. Sie müssten es nicht mit Leib und Seele sein, nur auf dem Papier. Wollen sie es nicht, wollen sie uns, wer immer das auch sein soll, wirklich nicht?, grübeln manche Altmodische. Es betrübt sie ein bisschen. Sie fühlen sich ungeliebt, unbeliebt.
Die meisten derer, die sich artikulieren und leitartikeln können, sind dafür, die berühmten 43 Kulturschaffenden und jetzt auch noch die Entscheidungsträger. Alles zu deinem Besten, altmodisches Überbleibsel einer stinklangweiligen Welt, in der Männer Männer waren und Frauen Frauen und die Ausländer Ausländer.
Was murrst du in den Foren und an den Stammeltischen, Bauernvolk, du musst nur Ja sagen, ist das so schwer? Und sind wir nicht all one, Woodstock Luxembourg-City? No borders, new order.