Manchmal, zwischendurch, immer wieder, regelmäßig sehnt sich der Mensch nach Schweigen. Es ist alles gesagt. Bitte stell den Fernseher ab, oder sonstige Geräte, aus denen Menschen auf einen einreden. Im schlimmsten Fall witzig. Und die Zeitungen, so viele tote Bäume, stapeln sich, jemand soll sie zum Papiercontainer bringen, sie sind voller schwarzer Zeichen.
Manchmal, es regnet in dünnen Fäden vom Himmel, hat der Mensch das Gefühl, dass alles nichtssagend ist, was da auf ihn einredet von allen Seiten. Es berührt ihn nicht wesentlich. Vielleicht der Moment, in Gummistiefeln durch den Schlamm zu waten. Ein Gedicht entsteht, wird sofort verweht. Sehr gut, er oder sie kann in den grauen Himmel starren, dem Hund beim Kacken zuschauen.
Am Bildschirm tauchen neue Flüchtlinge auf, wo kommen die wieder her? Life Long Learning. Wir hatten doch gerade erst Libyen und Tunesien. Ich schaue mir Eichhörnchen an, ich schaue mir Regentropfen an, der Regen rauscht. Aus einem antiken Reflex, man will ja nicht wunderlich erscheinen, werfe ich die Kommunikationsgeräte an. Sofort streichle ich ein Känguru, steige in einen Oldtimer und werde dazu aufgefordert, Ja zu sagen.
Flüchtlinge und Vierlinge tauchen auf, und Künstler_innen, die mich einladen, ihre Seiten zu liken. Alles gleichzeitig, ich habe eine ziemliche Auswahl. Ich habe 124 Seiten-Like-Aufforderungen. Bisher sträubte ich mich immer angesichts dieser Liebesaufforderungen oder Liebesnötigungen, aber wahrscheinlich sehe ich das alles zu unflexibel, warum soll ich die Menschen nicht lieben, und ihre Produkte und Tätigkeiten, wahrscheinlich sind sie liebenswert. Vielleicht würden sie mich zurück lieben, wahrscheinlich bin ich deswegen so ungeliebt, ich engagiere mich nicht genug.
In kleinen Fenstern platzen Besucher herein, die ich gar nicht kenne und die mir gleich ziemlich viel von sich erzählen. Sie haben ein großes Mitteilungsbedürfnis. Jemand scheint es sehr schlecht zu gehen, ich kann mich jetzt nicht einfach aus der Affäre ziehen und mit dem Hund kacken gehen. Es heißt ja immer, dass die Menschen immer gleichgültiger werden. Mir fallen nur so Dalai-Lama-Sprüche ein.
Es ist komisch, mir ist gar nicht pfingstwunderlich, ich bin vollkommen geistlos, den Geist quasi los. Mir ist nicht mal spirituell zumute, auch nicht, wenn der Hund kackt. Also, dass ich großartige Zustände hätte, mich mit der Natur vereinigte. Ich umarme auch keine Bäume, hab nicht die geringste Lust dazu. Ich versuche nur, keine Nacktschnecken zu zertreten, mehr ist nicht drin. Vielleicht will ich einfach nur meine Ruhe. Es ist wahrscheinlich nicht mal ein schlimmes Symptom, nichts Therapierbares. Nur kein besonders ruhmreicher Zustand.
Ich will meine Ruhe, so lautete die Kardinalbotschaft alter Männer in gerippten Unterhemden, bevor sie sich in den Kaninchenstall verzogen oder zu den Tauben und den Wäscheleinen auf dem Dach. Wie gut ich sie plötzlich verstehen kann, vielleicht bringt es doch etwas, alt zu werden. Was man plötzlich alles verstehen kann, vielleicht ist das Erkenntnis à la Faust! Dabei mussten diese alten Unterhemdenmänner nicht mal Heidi Klum schauen oder sich mit Freunden auf Weltreisen mitfreuen. Damals durfte man einfach grantig sein und schlecht drauf und dazu stehen, das gehörte sogar zur reifen Respektsperson dazu. Jedenfalls zur männlichen. Die alten Frauen in Schürzen erlaubten sich diesen Luxus nicht.
Aber ich stand ja nicht mein ganzes Leben an einem Hochofen, nicht mal hinter dem Kochtopf. Ich habe mir also kein Schlecht-Drauf-Sein-Recht erworben, quasi rechtschaffen erworben.
Vielleicht sollte ich einfach auf Entzug gehen. Quasselfasten, Medienmüllfasten. Nur noch Heilige Bücher lesen, oder gar keine, und nur solche schreiben. Kartoffeln schälen, Schweigen, nicht eisern, aber doch. Nur noch Essentielles von sich geben, Kochrezepte oder Kontonummern.