Verbalartisten

Brauchen wir Diplomaten?

d'Lëtzebuerger Land du 10.02.2011

Heute loben wir die knallharten Verbalartisten. Diplomaten sind verschlagene Genies. Ihr Handwerk besteht aus einer einzigen Fähigkeit: nie zu sagen, was sie denken. Ihr Repertoire reicht folgerichtig von der Barmherzigkeitslüge bis zum halsbrecherischen, sprachlichen Drahtseilakt. Den perfekten Diplomaten erkennt man daran, dass er immer das genaue Gegenteil sagt von dem, was er eigentlich meint.

Bemühen wir mal ein krasses Beispiel. Hier in Luxemburg trieb genau ein Jahr lang eine amerikanische Ulknudel ihr Unwesen in der US-Botschaft. Wie das State Department, also immerhin eine Quelle allererster Güte, nun ermittelte, hat Frau Cynthia Stroum ihren Job als Freibrief für gnadenlosen Firlefanz auf Kosten der amerikanischen Steuerzahler verstanden. Ihre Mitarbeiter behandelte sie wie eine unantastbare Despotin. Einige von ihnen bettelten förmlich darum, nach Kabul oder Bagdad versetzt zu werden. Wenn es soweit kommt, dass das Botschaftspersonal lieber in ausgewiesenen Kriegsgebieten seinen Dienst verrichtet als im friedlichen Großherzogtum, kann man sich ungefähr vorstellen, mit welcher Vehemenz die herrschsüchtige Frau Stroum Krieg gegen ihre eigenen Leute führte.

Das offizielle Sündenregister der Frau Botschafterin bezeichnet Fox News als „horror report of the year“. Ganz nebenbei unterstreicht der ernüchternde Bericht, dass von den 23 letzten US-Botschaftern in Luxemburg nur zwei Berufsdiplomaten waren. Alle anderen müssen wir wohl den schrägen Paradiesvögeln zurechnen. Sie ergattern ihren Botschafterposten, weil sie ein einziges Talent haben: Unmengen Geld zu horten und bei Bedarf produktiv in Wahlkämpfen einzusetzen. Frau Stroum hat über 500 000 Dollar für Herrn Obamas Kampagne gespendet. Nur damit qualifizierte sie sich für das süße Exil in Luxemburg. Immerhin passt dies wunderbar zum heiligen Bankenplatz. Auch dort ist gnadenlose Unverschämtheit Trumpf. Jetzt wissen wir wenigstens, welches Gewicht wir in der amerikanischen Außenpolitik haben. Uns kann man abspeisen mit völlig unfähigen Mitgliedern der Geldaristokratie. Neben dem Bankgeheimnis haben wir offenbar auch ein passgenaues Botschaftergeheimnis.

Zurück zu unserer Lobeshymne auf die Diplomaten. Unser oberster Diplomat Jean Asselborn hat Frau Stroums präventive Flucht aus dem Amt wie folgt kommentiert: „She dedicated herself zu deepen the friendship and cooperation between the United States of America and the Grand-Duchy of Luxembourg, and has done an excellent job in numerous substantial ways.“ Wer lacht da? Jean Asselborn ist nichts weiter als ein diplomatischer Fuchs auf vermintem Gelände. Man muss seine vergiftete Laudatio auf die Versagerin nur in verständliches Deutsch übersetzen: „Endlich sind wir diese unsägliche Schreckschraube los. Wir lassen uns von Obama nicht länger verarschen. Sollte er uns noch ein Mal diskreditieren, indem er uns eine stinkreiche, vollends unbegabte Wahlkampftante in den Pelz setzt, werden wir unser Verhältnis zu Amerika grundlegend überprüfen. Luxemburg ist keine Müllhalde für exzentrische Zicken aus der Kaffeekranzdomäne des Präsidenten.“

Ja, den geübten Diplomaten müssen wir immer gegen den Strich lesen, wenn wir seine Botschaft entschlüsseln möchten. Jean Asselborn ist zwar ein Meister seines Fachs, doch übertroffen wird er vom gelernten Diplomaten Nicolas Schmit. Nur wer Herrn Schmits brutale Einlassungen mit der Polizei wörtlich nimmt, kann hinter der niedlichen Vater-Sohn-Posse eine „Affäre“ wittern. Auch hier gilt nämlich: die clevere Verschlüsselung ist alles. In Wirklichkeit hat Herr Schmit der Polizei nur seine tiefe Sympathie bekundet. Was nach außen klingt wie eine Generalattacke auf die Unabhängigkeit der Uniformierten, liest sich in der volkstümlichen Übersetzung ganz anders: „Liebe Gesetzeshüter, wir arbeiten wunderbar zusammen. Ihr helft mir mit lobenswerter Energie beim Abschieben unliebsamer Kosovaren. Ohne euch wäre ich gar nicht in der Lage, illegale Einwanderer dorthin zu verfrachten, wo sie hingehören: in ihre lebensgefährlichen Krisengebiete.“

Übrigens vernehmen wir mit Genugtuung, dass der Diplomat Schmit sein freches Früchtchen endlich konsequent an die Kandare nehmen will. Die fehlgeschlagene Erziehung soll nun mit drastischen Mitteln zurechtgebogen werden. Keiner weiß, wer den Brief von Nicolas Schmit an seinen unbotmäßigen Sohn in Umlauf gebracht hat. Aber dies ist am Ende unerheblich, weil es ja im Kern um die Sache geht. Lesen wir also, wie Vater Schmit seinem Sohn Kevin die Leviten liest: „Verehrter Fiston, ich warne dich. Solltest du noch ein einziges Mal die Herren und Damen Polizisten beleidigen, wirst du zu einem Jahr Entwicklungshilfe im Kosovo verdonnert. Dort kannst du ja mal versuchen, einen Polizisten arrogant anzufahren. Es wird dir nicht gut bekommen, du verwöhnter Knilch!“

Hier handelt es sich natürlich nicht um einen Diplomatenbrief, sondern um ein privates Vaterschreiben. Wir müssen also nicht lange übersetzen.

Guy Rewenig
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