Die Plans sectoriels sind wieder da

Auf ein Neues

d'Lëtzebuerger Land vom 01.06.2018

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit gingen am Montag die vier Plans sectoriels wieder in die Prozedur. Jene Entwürfe zur staatlichen Landesplanung, die vor vier Jahren monatelang für Schlagzeilen gesorgt hatten und mit denen festgelegt werden soll, wo in Zukunft welche Verkehrswege angelegt werden, welche Flächen für Gewerbegebiete reserviert sind und welche für Wohnungsbau im großen Stil. Und wie all das zum Landschaftsschutz in einem kleinen Land mit zwangsläufig knappen Flächen passt.

Mitte Mai 2014 hatten eine Ministerin, drei Minister und ein Staatssekretär sich sieben Stunden Zeit genommen, um in der Abgeordnetenkammer den Ansatz der vier Pläne zu erläutern, die erst vier Wochen später veröffentlicht und damit „in die Prozedur“ gehen sollten. Als sie publik waren, machte vor allem der Plan sectoriel logement von sich reden. Einerseits, weil darin zu lesen war, an 25 Standorten in 15 Gemeinden werde auf insgesamt 452 Hektar Fläche Wohnungsbau in „Projets d’envergure“ erfolgen – angesichts des Wohnungsmangels war das eine interessante Information. Doch wie sich bald herausstellte, war sie auch für die meisten der davon betroffenen Gemeinden neu. Die damalige DP-Wohnungsbauministerin Maggy Nagel musste ihren Eifer, bald aufzuholen, was jahrzehntelange CSV-Wohnungsbaupolitik versäumt habe, dämpfen und stellte nur die rasche Realisierung von drei bis fünf Großvorhaben in Aussicht.

Die schweren Konflikte kamen nach den Sommerferien 2014 auf. Da machten Bauunternehmen, Immobilien-Entwicklungsgesellschaften und der Verband der Immobilienbesitzer Front gegen den „Standstill“: Sobald die öffentliche Prozedur für Plans sectoriels beginnt, ist auf den von ihnen betroffenen Flächen jede Nutzung untersagt, die den Plänen zuwiderliefe. So stand es im damaligen Landesplanungsgesetz, und das hielten die Kritiker für verfassungswidrig. Denn in der Prozedurphase sind die Pläne nur Entwürfe und noch nicht rechtskräftig, der Standstill wäre damit ein Eingriff ins Privateigentum, der lediglich auf einer Entscheidung des Regierungsrats basiere. Als die Regierung in ihrer Not versuchte, im Herbst 2014 das Landesplanungsgesetz schnell nachzubessern, fand der Staatsrat, das sei der Rechtssicherheit nicht genug. Also wurden Ende November 2014 die vier Pläne komplett zurückgezogen, ihre Überarbeitung versprochen, ein neues Landesplanungsgesetz und eine breite Diskussion über das Wachstum und den Umgang damit.

Nun sind die Pläne wieder da, und kaum jemand merkt es – jedenfalls bisher. Wie 2014 haben die Bürger auch diesmal 45 Tage Zeit, um auf die in den Gemeindehäusern und im Internet1 veröffentlichten Entwürfe Einwände bei ihrer Gemeinde zu machen; die Frist läuft am 12. Juli ab. Für die Gemeinden gilt eine Frist von vier Monaten. Bis zum 16. September müssen sie ihre Stellungnahmen zu den Plänen einreichen und darin auch die Bürgereinwände aufnehmen.

Dass die Regierung wenig Aufhebens um die Pläne macht und vor drei Wochen nur mitteilte, am 28. Mai beginne die Prozedur erneut, liegt vielleicht daran, dass in den letzten sechs Wochen im Parlament zwei Mal groß über Landesplanung debattiert wurde: Zuerst bei der Verabschiedung eines neuen Landesplanungsgesetzes, dann in einer Konsultationsdebatte zur Landesplanung. Vielleicht aber ist der Vorwahlkampf auch schon so weit gediehen, dass es schwerlich denkbar ist, dass wie 2014 der Landesplanungs- und Transportminister und die Umweltministerin von den Grünen, der Wohnungsbauminister von der DP und der Wirtschaftsminister von der LSAP gemeinsam auftreten und erzählen, wie mit den Plans sectoriels das Wachstum gemanagt werden soll, ohne dass das in eine parteipolitische Auseinandersetzung über Rifkin, die Joghurtfabrik, Verspätungen bei der Bahn und weiter steigende Wohnungspreise mündet. Für die Öffentlichkeit finden aber vier Informationsveranstaltungen2 statt. Und im Gegensatz zu 2014 ist der zweite Wurf der Pläne besser vorbereitet: Sechs Regionalkonferenzen mit Gemeindevertretern gab es; der Gemeindeverband Syvicol war in die Ausarbeitung der Pläne mit einem Delegierten eingebunden. Die Zivilgesellschaft wurde in Versammlungen mit dem Titel Lëtzebuerg zesumme plangen angehört, vom Mouvement écologique bis hin zum Anwalt Georges Krieger vom Verband der Grundstücksbesitzer. So gesehen, könnte diesmal wenig schiefgehen.

Und während vor vier Jahren mit den Entwürfen regelrecht Gas gegeben werden sollte, sind sie nun als eine Art Work in progress gedacht: Flächen werden reserviert, doch wie schnell die Gemeinden deren Nutzung in ihren kommunalen PAG ausweisen, bleibt ihnen überlassen. 2014 wurde noch unterschieden zwischen „prioritären“ und „komplementären“ Gemeinden; Erstere sollten bevorzugt wachsen, Letztere kaum. Davon ist heute keine Rede mehr.

Was aber nicht bedeutet, dass die neuen Pläne keine Schwerpunkte setzen. Zum Teil sind sie sogar umfangreicher als in der Version 2014. Der Plan sectoriel transport etwa listet 81 Vorhaben auf, für die „Korridore“ reserviert werden, fast doppelt so viele wie vor vier Jahren. Markant daran ist, dass die meisten im Großraum um die Hauptstadt, im Süden und für die Nordstad vorgesehen sind, darunter die Express-Tramlinie zwischen Hauptstadt und Esch/Alzette, eine Hochleistungs-Buslinie zwischen Petingen und Düdelingen, eine Fahrrad-Expresspiste entlang der Escher Autobahn, oder der Ausbau der A3 zwischen Gaspericher Kreuz und der Grenze zu Frankreich auf zweimal drei Spuren, wobei die dritte Spur aber Bussen und „Covoiturage“ vorbehalten sein soll.

Dagegen macht der Transport-Plan keine Aussagen mehr zum Parkraummanagement, dem 2014 mehrere Seiten gewidmet waren. Der Ansatz heute lautet: Wir legen Flächen fest mit den Plänen, aber keine Strategien und möglichst keine Regeln, die in Gesetzen besser aufgehoben wären. Und stellt sich heraus, dass die Pläne geändert werden müssen, ändern wir sie eben.

Die lockerere Herangehensweise gilt auch im Wohnungsbau-Plan. Was 2014 „Projets d’envergure“ genannt wurde, heißt heute bescheidener „Zones prioritaires d’habitation“, und Fristen, wie schnell sie bebaut werden sollen, gibt es keine. Mit 510 Hektar ist die Gesamtfläche dieser Zonen aber größer als die 452 Hektar vor vier Jahren, obwohl die Zahl der Zonen von 25 auf 20 reduziert wurde. Das liegt nicht zuletzt daran, dass nun Wohnungsbau auf Industriebrachen im Plan sectoriel vorkommt, etwa in Wiltz, auf der Lentille Terres rouges in Esch oder in Düdelingen. Groß sind auch die Zonen in der Hauptstadt auf dem Kirchberg und in Cessingen. Mancherorts könnte schnell gebaut werden, wird im Nachhaltigkeitsministerium geschätzt: In Petingen zum Beispiel, weil die Fläche dort dem Fonds de logement gehört, auf der Lentille Terres rouges vielleicht auch, weil dort Investoren daran interessiert sind. Insgesamt sind knapp 50 Prozent der Flächen in öffentlicher Hand, ein weiteres Viertel gehört jeweils einem Besitzer, was die Verhandlungen erleichtern könnte – zum Beispiel mit der Cepal SA der Bauernzentrale, deren Silo-Gelände hinter dem Merscher Bahnhof nun ebenfalls Wohnungsbau-Zone werden soll. In der Nordstad dagegen sind die Besitzverhältnisse sehr komplex. Umgehen soll damit jene Entwicklungsgesellschaft, die die Regierung für unverzichtbar hält, damit in den sechs Nordstad-Gemeinden überhaupt ein Entwicklungsschub in eine gemeinsame Richtung einsetzt. Als Regel schreibt der Plan sectoriel logement fest, dass mindestens 75 Prozent der Wohnungen auf den
20 Flächen „erschwingliche“ Eigenheime oder Mietwohnungen sein müssen.

477 Hektar sollen für Gewerbe- und Industriezonen neu ausgewiesen werden. Das ist weniger als die 698 Hektar in der Version 2014 des Plan sectoriel zones d’activités économiques, aber seitdem sind verschiedene Flächen in kommunale PAG übernommen worden und brauchen keinen Sektorplan mehr. Im Großen und Ganzen unternimmt der Plan den Versuch, neue Zonen vor allem in der Nähe von Autobahnanschlüssen einzurichten – und macht deshalb in drei Fällen von der Möglichkeit Gebrauch, rückgängig zu machen, was drei Gemeinden im ländlichen Raum ziemlich fernab leistungsfähiger Straßen ausgewiesen haben. Gewerbezonen führen zu LKW-Verkehr, lautet der dahinterliegende Gedanke. Dass Autobahnnähe nicht unbedingt eine gute Anbindung an den öffentlichen Transport bedeutet, macht den Ansatz zu einem Spagat. Im Plan sectoriel transport wird allerdings versucht, für solche Fälle Korridore für Busse vorzusehen. Gestrichen aus der Version von 2014 wurde die Möglichkeit, dass sämtliche Gemeinden kommunale Gewerbegebiete von bis zu zwei Hektar neu ausweisen können. Es soll jedoch verschiedene Ausnahmen geben können, zum Beispiel wenn ein lokaler Betrieb sich erweitern will.

Legt man die Pläne übereinander, kann man meinen, fast das ganze Land werde verplant. Das kommt unter anderem daher, dass weite Flächenanteile vom Plan sectoriel paysages erfasst sind: das gesamte Müllerthal, die Naturparks oder die breite „Zone verte interurbaine“ zwischen Hauptstadtgroßraum und Südregion. Doch auch der Landschaften-Plan wurde entschlackt: Hatte der von 2014 noch Natur- und Landschaftsschutz vermischt, soll für Ersteren nun das neue Naturschutzgesetz sorgen. Entsprechend sollen in den „Grands ensembles paysagers“, wie etwa dem Müllerthal, und in der „Zone verte interurbaine“ gewisse Bau-Aktivitäten möglich sein, allerdings nicht auf Plateaus oder in steilen Hängen. Mehr Strenge soll in den 49 „Coupures vertes“ gelten, die verschiedene Gemeinden voneinander trennen und auch als Frischluftkanäle zwischen den Orten dienen. Dort könnte nur für touristische Zwecke gebaut werden, vielleicht ein Aussiedlerhof entstehen oder auch ein kleiner Handwerksbetrieb, der dem Ort ein besonderes Gepräge verleiht.

Größere Diskussionen um die Planentwürfe könnte es vielleicht erst nach den Sommerferien geben, wenn die Einwände der Gemeinden geschrieben sind. Im Unterschied zu 2014 sind die neuen Plans sectoriels mit ihren Karten im Massstab 1: 2 500 parzellenscharf, so dass jeder Grundstücksbesitzer sehen kann, was auf seinem Terrain eventuell geplant ist, und keine Gemeinde vor der unangenehmen Herausforderung steht, gröber gezeichnete Sektorpläne „interpretieren“ zu müssen, wie der Syvicol 2014 bemängelt hatte. Dass die Regierung die Pläne nun präziser aufgestellt hat und die Regeln dazu recht locker hält, hat natürlich auch damit zu tun, dass man die Politisierung im Wahlkampf verhindern will – das Timing für die Planvorlage ist eigentlich ungünstig.

Der 2014 so bekämpfte Standstill wurde aus dem Landesplanungsgesetz gestrichen. Nun steht darin die Regel, dass bei Abschluss einer Transaktion zu einer Fläche notariell vermerkt werden muss, falls sie von einer staatlichen Sektorplanung betroffen ist. Und falls ein Besitzer „Fakten schaffen“ und auf einer verplanten Fläche bauen will, kann der Landesplanungsminister eine provisorische Auflage machen: Darüber muss der Besitzer informiert werden, er hat ein zweiwöchiges Einspruchsrecht, danach wird die Auflage per ministeriellen Erlass gültig. Der Staatsrat hieß diese „kleine Lösung“ gut. Bis zum Ende der Legislaturperiode wird sich demnach zeigen, ob die Landesplanung tatsächlich einen großen Schritt weiter und in der Praxis ankommt.

Wohnungsbau ganz groß

Die „Zones prioritaires d’habitation“, wie sie im Entwurf zum Plan sectoriel logement stehen

Gemeinde ZoneFläche in Hektar

Bartringen Beerbesch7,3

Biwer Biwer9,7

Luxemburg-Stadt Cessange61,3

Contern Contern15,8

Erpeldingen/Diekirch Zentrale Achse Nordstad34,5

Erpeldingen Erpeldingen28,8

Esch/Alzette Crassier und Lentille Terres Rouges42,5

Lorentzweiler Lorentzweiler14,2

Mamer Mamer8,6

Roeser Roeser21,3

Düdelingen Nei Schmelz28,0

Steinfort Steinfort9,5

Luxemburg-Stadt Porte de Hollerich48,3

Hesperingen/Luxemburg-Stadt Midfield9,4

Luxemburg-Stadt Kennedy Sud-Kirchberg10,5

Petingen Eurosider10,4

Kayl Toussaintsmillen28,7

Luxemburg-Stadt Kuebebierg-Kirchberg58,0

Mersch Cepal/Verband23,8

Wiltz Wunne mat der Wooltz40,2

1 Online sind die Pläne mit allen Begleitdokumenten unter http://amenagement-territoire.public.lu/fr/actualites/2018/05-2018/PdS2018.html und unter https://geoportail.lu in der Rubrik „Raumordnung“.

2 Die erste öffentliche Informationsveranstaltung fand am gestrigen Donnerstag statt. Weitere am
4. Juni im Marnacher Cube 521, am 11. Juni im Hollericher Forum Geesseknäppchen und am 13. Juni im Großen Auditorium der Maison du Savoir in Belval. Beginn jeweils 19 Uhr.

Peter Feist
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