Heute loben wir die weise Voraussicht unserer Politiker. Der Krieg gegen China ist unausweichlich. Früher hat man uns beharrlich eingeimpft: Die Russen kommen! Jetzt aber kommen die Chinesen, und zwar mit Macht. Si friessen eis op enger Botterschmir, hört man allenthalben an den Stammtischen der Nation. Was sollen wir tun? Unsere Armee ist – bei Alarmstufe Rot – leider nicht in der Lage, auch nur ein halbes Dutzend chinesische Restaurants im Großherzogtum niederzukämpfen. Wir müssen uns also außermilitärisch zur Wehr setzen.
Unsere Begeisterung über die bevorstehende Transplantation der Gëlle Fra können wir kaum noch zügeln. Denn Robert Goebbels ist ein strategisches Talent ohne Konkurrenz. Was er hier einfädelt, ist in der modernen Kriegsführung, die sich unterschwellige psychologische Motive zunutze macht, als sogenannte „Schamlippenoffensive“ bekannt. In China ist die starre Prüderie in den Rang der Staatsdoktrin aufgestiegen. Was liegt also näher, als diese Blockade mit einem gezielten Unterleibscoup aufzubrechen, buchstäblich den vergüldeten Genitalbereich als Vernichtungswaffe einzusetzen? Machen wir uns nichts vor: Es geht gar nicht darum, unseren patriotischen Schrott ein zweites Mal zu entsorgen, nach der 40-jährigen Vermüllung unter den Stadiontribünen.
Zweitrangig ist auch die Frage, ob die Gëlle Fra nicht vielleicht ein wohlfeiles Schlachtfeld-Groupie ist, das untertänigst den Lorbeerkranz recken darf für männliche Helden, die in einem von Männern angezettelten Vernichtungsfeldzug ihr Leben verloren. In allen amerikanisch-europäischen Kriegen werden leider immer wieder Frauen in die camps der fighting boys eingeflogen. Dort dürfen sie ein bisschen spektakulär mit den Ärschen wackeln, um die Kampfbereitschaft der Soldaten wieder hormonell aufzuladen. Sie sind von Männern erfundene Kriegsdekoration, mehr nicht. Wenn gar nichts mehr geht, stellt man sie auch schon mal zu posthumen Zwecken ins Blattgoldatelier.
Das Freiheitsgirl im Négligé entspricht jenseits aller kriegerischen Betrachtungen überhaupt nicht dem offiziell verordneten chinesischen Frauenbild. Erotische Freizügigkeit wird von den Männern an der Macht mittels Zensur massiv eingedämmt. Kunstwerke werden von volksrepublikanischen Funktionären vorsorglich gesäubert, öffentliche Regungen der Libido gelten als Angriff auf die behördlich vorgeschriebene Verklemmung. Nun müssen wir der Gëlle Fra ja eines bescheinigen: sie sieht genau aus wie der feuchte Traum ihres Schöpfers. Ihre komplexe, dreistufige Abdominalstruktur, raffiniert verhüllt mit einem stofflichen Nichts, das die Nacktheit nur noch unterstreicht, hat in Luxemburg dazu geführt, dass die schamlose Dame auf den höchsten Obelisken der Hauptstadt verbannt wurde, auf dass alle kurzsichtigen, frommen, keuschen und zolibatären Luxemburger endlich gezielt an diesem nationalen Symbol der sexuellen Freiheit und Unabhängigkeit vorbeischauen durften und doch in ihrem tiefsten Innern verwirrt und anarchisch berührt blieben.
In Shanghai wird die Gëlle Fra auf einem Sockel thronen, der nur drei Meter hoch ist. In anderen Worten: die überdimensionale und zudem frontale Darbietung einer zentralen erogenen Zone wird den fotografierenden Chinesen die Augen sprengen. Täglich werden unübersehbare Scharen von Ausstellungsbesuchern mit schweren Augenschäden in die Kliniken eingeliefert. In ganz China wird die gesundheitliche Versorgung kollabieren. So wird die Diktatur in ihrem innersten Kern getroffen. Robert Goebbels’ Schelmenstück ist eine wahre Meisterleistung, eine Reminiszenz an die glorreichen Zeiten der Sozialdemokratie: wen wir mit anderen Mitteln nicht besiegen können, den unterwandern wir mit Bauernschläue und exemplarischer List. Wenn es sein muss, mit einer Cicciolina nazionale, die so kitschig ist, dass sie glatt als ein Werk von Jeff Koons durchgehen könnte.
Leider entdecken wir in dieser perfekt gestrickten Kriegserklärung nun doch einen kleinen Webfehler. Die freizügige Gëlle Fra, die angeblich ein Freiheitssymbol sein soll, entspricht nämlich überhaupt nicht dem katholisch vermurksten luxemburgischen Frauenbild. Wenn luxemburgische Frauen – unvergoldete, natürlich – ihre Freiheit geltend machen möchten, werden sie gern in Grund und Boden verdammt und sogar flugs in den Pfaffengazetten zu Mörderinnen stilisiert, wie die aktuelle Debatte über die Abtreibungsliberalisierung beweist. Unter dem Blattgold bröckelt also nach wie vor der klerikale Zement. Kein Wunder, dass der Gëlle Fra schnell ein frisches Goldkorsett verpasst werden muss.
Ganz und gar stutzig werden wir, wenn hierzulande militante Männer, die nichts unterlassen, um reale Frauen zu verunglimpfen und herabzuwürdigen, plötzlich als glühende Verehrer und Verfechter einer künstlichen Sockelfrau auftreten, mit fast schon feministischem Eifer. Das merkwürdige Leiden dieser Männer heißt Kartheiser-Syndrom. Diese Goldfrauenmachos kommen uns nun wirklich chinesisch vor.