Die Kapelle von Roodt

Laienhäusle

d'Lëtzebuerger Land du 25.02.2010

Heute loben wir ein altes Gemäuer. Die Kapelle von Roodt ist nicht eben ein taufrischer Bau. Innen und außen scheint sie genauso verwittert wie die Institution, die unter dem morschen Dach ihre Unantastbarkeit zelebriert. Ungefähr einmal pro Monat wird in dieser Kapelle noch die Messe gelesen, teilt der Kommunikationsbeauftragte des Erzbistums mit. Das lässt nicht eben auf religiöse Begeisterung schließen. Eher auf rapide fortschreitenden Verfall der katholischen Vormundschaft. Doch nun ist plötzlich alles anders.

Am Rande einer Gemeinderatssitzung hat einer der Ädilen von Simmern halblaut darüber nachgedacht, ob man die Kapelle von Roodt nicht vielleicht verkaufen könnte. Dieses Gedankenspiel wirkte wie eine tonnenschwere Bombe. Eine Bürgerbewegung stand über Nacht Gewehr bei Fuß, eine Petition gegen die Entweihung der Kapelle wurde in Umlauf gebracht, 305 Gemeindebewohner unterschrieben empört die Brandschrift. Goldene Zeiten für das schon halb vergessene Gotteshaus, können wir da nur sagen. Ungefähr einmal pro Monat werden sich künftig 305 fromme Menschen auf engstem Raum drängen, um sich der liturgischen wellness hinzugeben.

Diesem Ansturm der gottesgläubigen Massen ist das kleine Kulthaus natürlich nicht gewachsen. Die Gemeinde von Simmern sollte also schnell über eine expansive Sanierung der Kapelle referieren. Ein repräsentativer Anbau drängt sich förmlich auf. Auch eine weiträumige, sakrale Piazza vor dem Tor der Kapelle wäre wirklich nicht von der Hand zu weisen. Hier könnten sich die zahlreichen Religionskrieger ungefähr einmal pro Monat versammeln, ordnen, in Reihen aufstellen, sauber getrennt nach Männlein und Weiblein, und kampfeslustig vor den Altar ziehen. Die Gemeinde bezahlt ja seit Menschengedenken schon den Unterhalt der potenziellen Ruine. Das ist guter Brauch im Gottesstaat. Sie sollte sich also nicht zieren, weitere gottesfürchtige Kredite zu genehmigen. 305 Wählerinnen und Wähler sind kein Pappenstiel.

Es ist übrigens schön und erhebend, wie das Erzbistum die Kapellenaffäre einschätzt. Wörtlich sagt der Sprecher des Episkopus zu einem hypothetischen Verkauf: „ Cela entraînerait un imbroglio juriridique inextricable dans la mesure où les fabriques d’église et les paroisses auraient leur mot à dire“ (Le Quotidien, 05.02.2010). Welcher Teufel hat uns nur zur Annahme verführt, die Kirchenfabriken seien nichts als obskure Geheimbünde, jenseits aller Transparenz, verschwörerische Klüngel, die sich einen Dreck scheren um weltliche Jurisprudenz? Hier erfahren wir aus berufenem Munde, dass sie im Falle eines Falles sofort zum gerichtlichen Gefecht antreten. Wir verstehen zwar nicht ganz, um welche Gerichtsbarkeit es sich handeln könnte. Und doch flattert unser demokratisches Herz vor Rührung, wenn wir die Kunde vernehmen, dass die katholische Kirche immer dann die Worte „Demokratie“ und „Recht“ im heiligen Munde führt, wenn ihr undemokratischer und rechtloser Seelenhandel einmal nicht mehr wie am Schnürchen läuft. Wahrlich, wahrlich, der Herr freut sich maßlos über die Heiligen der letzten Stunde.

Da die katholischen Herrschaften neuerdings so gnädig sind, sich zu demokratischem Firlefanz herabzulassen, möchten wir an dieser Stelle einen tollen Vorschlag unterbreiten. Wir eingefleischten Laien haben staunend vernommen, dass unser gottesfixierter Staat demnächst auch uns Kirchen und Kapellen bauen will, die zwar maisons de la laïcité heißen, aber nur Weihestätten ohne Minarette – pardon – Kirchtürme sind. Das ist eine gute Idee. Denn der Laie braucht ein Dach über dem Kopf, damit er nicht ständig im Regen steht und sein ohnehin aufgeweichtes Hirn keinen weiteren Schaden nimmt.

Sollte der Staat unserem Vorschlag zustimmen, kann er viel Geld sparen, das er ja braucht, um sein Militärflugzeug zu finanzieren, in dem Gott der Herr ebenfalls am Steuerknüppel sitzt. Wir schlagen also vor, die Kapelle von Roodt uns Laien zur Verfügung zu stellen. Und zwar an allen Tagen des Monats, wo der gnädige Herr Geistliche nicht zur Messegestaltung erscheint. Ungefähr einmal pro Monat haben wir Laien dann Außendienst. Gott wird es schon richten, dass es nicht ausgerechnet an diesem Tag mit Eimern gießt.

Hier ein Kegelabend, dort ein fröhliches Besäufnis oder eine nahrhafte Pfaffenfresserei: unserer laienhaften Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, und die Kapelle wird bald zu neuem, buntem Leben erwachen. Schnell wird der Staat feststellen, dass überall im Lande leere und verwaiste Kirchen und Kapellen herumstehen, die er kreativ und produktiv mit munteren Laien bestücken könnte. Da wir Laien ohenhin die Unterhaltskosten all dieser Gemäuer blechen müssen, werden wir uns gleich wie zu Hause fühlen. Die 305 katholischen Kombattanten aus der Gemeinde Simmern werden wir natürlich nicht per Rausschmeißer in die freie Natur befördern. Sie sind in Gottes Namen willkommen in unserer menschenfreundlichen Runde.

Guy Rewenig
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