Heute loben wir die fanatischen Verkehrsteilnehmer. Ist das Autofestival tatsächlich schon wieder vorbei? Keine Bange: es geht sofort wieder höchst festlich zu, wenn in Kürze die nagelneuen Automobile geliefert werden und bald schon reihum an mörderischen Straßenbäumen zerschellen. Die Bäume sind das zentrale Problem, wie wir aus der Straßenbauverwaltung hören. Sie versauen den Autofahrern das Leben. Man muss, um das Auto zu retten, die Bäume vernichten. Manchmal sehen wir vor lauter Bäumen den Wald nicht. Auch der Wald gehört nicht in den Straßenverkehr. Er versperrt weitläufig die Sicht. Verkehrsteilnehmer aber brauchen Weitblick. Vernichten wir also bitte auch die Wälder. Und die Wildschweine gleich mit. Kein Lebewesen trotzt den Automobilen störrischer und uneinsichtiger als ein Wildschwein. Mit oder ohne Bäume. Und vergessen wir auch die Jäger nicht. Bloßgestellte Jäger, die sich nicht mehr im Wald verstecken können, weil der aus verkehrstechnischen Gründen abgeholzt wurde, neigen zu unheimlicher Aggressivität. Vor lauter Frust schießen sie auf Automobilisten. Lösen wir also zeitgleich mit dem Wildschweinproblem auch das Jägerproblem. Kein Autofahrer hat es verdient, einem durchgeknallten Jäger zum Opfer zu fallen.
Zu den Bäumen möchten wir nur kurz etwas anmerken. Bäume sind heimtückische Gewächse. Sie überfallen ständig wehrlose Automobilisten, und zwar mitten in der Nacht, im Schutz der Dunkelheit. Am Tag stellen sie sich dumm. Bewegen sich nicht, täuschen also krasse Immobilität vor. Doch nachts verwandeln sie sich in wilde Vandalen. Wir erinnern uns alle noch an den legendären Vorfall in Kautenbach, am 13. November 2009, als kurz vor Mitternacht sieben ausgewachsene Pappeln einen Porsche-Fahrer regelrecht zu Tode hetzten. Zuerst umzingelten sie den ahnungslosen Automobilisten, dann kesselten sie ihn ein, ließen zentnerschwere Äste auf sein Gefährt niederprasseln, nahmen schließlich mit ihren gewaltigen Stämmen die teure Karosse in die Zange und zerquetschten Auto samt Fahrer. Tags darauf standen sie wieder in Reih und Glied am Straßenrand, als könnten sie kein Wässerchen trüben. An diesem Horrorbeispiel erkennen wir, wie dringend sich der Staat aller verbrecherischen Straßenbäume entledigen muss.
Allen Autofahrern ist die Tragödie von Kautenbach noch vollauf bewusst. Wen wundert es, dass nächtlich beschäftigte Autofahrer sich Mut antrinken müssen und vorbeugend mit viel Alkohol die kommenden Baumschrecken eindämmen wollen? Umgekehrt reagieren die Straßenbäume leider allergisch auf Alkohol, der ihnen von der Chaussée entgegen weht. Aus der offiziellen Statistik geht hervor, dass sie fast nur alkoholisierte Automobilisten angreifen. So nimmt das Schicksal seinen bösen Lauf. Aus dem vermeintlichen Beruhigungsmittel, der hochprozentigen Medizin, wird aus Sicht der Bäume ein Freibrief zur Attacke. Und schon muss wieder ein armer, völlig verängstigter Verkehrsteilnehmer über die Klinge springen. Die Bäume werden übrigens immer gefräßiger. Sie werden offenbar heimgesucht von sonderbaren Mutationen. Einige Arten, Eschen, Platanen, Fichten, Rotbuchen zum Beispiel, ernähren sich fast nur noch von Automobilen.
Nun ist aber unmittelbar nach dem Autofestival ein anderes Problem aufgetaucht. Ungleich mehr Automobilisten prallen nicht etwa mit Bäumen, sondern mit anderen Automobilen zusammen. Sobald wir alle Bäume umgesäbelt haben, müssen wir uns unbedingt diesem Problem zuwenden. Es zeigt sich nämlich: die allergrößte Gefahr für den Automobilisten sind die anderen Automobile. Da wir an der Baumvernichtung unsere logischen Fähigkeiten geschult haben, können wir ohne Zögern sagen: diese allergrößte Gefahr müssen wir sofort aus der Welt schaffen. Wo beim Baum die Kettensäge klare Verhältnisse schafft, tut es beim Automobil die Schrottpresse. Was den Bäumen recht ist, muss den Automobilen billig sein. Weg mit dem ganzen Fuhrpark! Wir brauchen autofreie Straßen, damit sich die Automobilisten sicher fortbewegen können. Sie heißen dann zwar im Volksmund Fußgänger, aber wer könnte sie daran hindern, Autogeräusche zu imitieren? Damit man sie weiterhin für Automobilisten hält? Bestimmt hat das Mobilitätsministerium Lust, einen großen Wettbewerb ins Leben rufen. Mit tollen Preisen für die besten Autogeräuschnachahmer.
Über die kollektive Vernichtung der lebensgefährlichen Automobile müssen wir uns nicht sonderlich aufregen. Sie wachsen schnell nach. Sogar sehr schnell. Beim nächsten Autofestival sind sie alle wieder da. Und können sofort wieder vernichtet werden, weil sie ja sofort wieder nachwachsen. So bleibt die Wirtschaft ganz toll in Schwung, und wir haben keine Verkehrsopfer mehr zu beklagen. Weil die Wirtschaft das Verschleißprinzip liebt, wird es uns nie an Automobilen mangeln. Und das Autofestival wird nie aussterben. Tot sind nur die Bäume. Diese verschlagenen Pflanzen wachsen äußerst langsam nach. Es wird also dauern, bis wir Fußgänger Gefahr laufen, wieder mit Bäumen zusammenzustoßen.