Die CSV will sich mit neuen Vorschlägen zum Wohnungsbau profilieren. Dabei führt sie nur die Politik weiter, die die aktuelle Wohnungskrise mitverschuldet hat

Der sichere Weg 2.0

d'Lëtzebuerger Land vom 09.07.2021

Diekirch I Der nach der Eselstadt Diekirch benannte Konferenzraum des Hotel Radisson Blu war am Montagvormittag fast zu klein, als die CSV dort ihre zwölf Vorschläge zur Schaffung von erschwinglichem Wohnraum vorstellte. Neben dem Wohnungsbauexperten Marc Lies und den Fraktionsvorsitzenden Martine Hansen und Gilles Roth hatte CSV-Generalsekretär Christophe Hansen sich als stummer Statist dazu gesellt, um das neugewonnene Vertrauensverhältnis zwischen Fraktion und Partei zu demonstrieren. Ein halbes Dutzend Spin-Doctors, Öffentlichkeitsbeauftragte und Medienexpert/innen hatten sie mitgebracht. Für die CSV hat der Wahlkampf längst begonnen. Am Wochenende waren ihre Abgeordneten in Wiltz und Ettelbrück unterwegs. Nächstes Wochenende führt die Nolauschtertour nach Esch/Alzette und Schifflingen.

Das Hotel Radisson Blu liegt im Bahnhofsviertel der Stadt Luxemburg. Früher stand auf dem Grundstück das Centre Nobilis. Die beiden Nachbargebäude wurden vergangenes Jahr abgerissen, nur eine historische Fassade bleibt erhalten. Die Stadt Luxemburg hat der Gesellschaft Cluster S.C.A. – Sicav FIS der Gebrüder Giorgetti und der CSV-nahen Compagnie financière La Luxembourgeoise S.A. im Dezember 2020 eine Baugenehmigung erteilt, um hier neue Apartments, Büro- und Geschäftsräume zu errichten. 2007 hatten Jean-Claude Juncker und Luc Frieden die Fonds d'investissement spécialisés (FIS) eingeführt. Schon 2012 war bekannt geworden, dass sie von in Luxemburg ansässigen Baumagnaten missbraucht werden, um die Einkommenssteuern zu umgehen. Nachdem der öffentliche Druck vor zwei Jahren gestiegen war, hatte DP-Finanzminister Pierre Gramegna ihre Verwendung eingeschränkt. Deshalb haben die Giorgettis ihre Sicav FIS Anfang dieses Jahres in die Cluster Management S.A. umgewandelt.

Institutionelle 2019 hatte das Forschungsinstitut Liser ermittelt, dass 25 Prozent des Baulands sich in den Händen von nur 159 Personen befinden. Verlässliche Angaben zu den Besitzverhältnissen bebauter Grundstücke fehlen noch. Seit einiger Zeit hält sich in Luxemburg hartnäckig das Gerücht, dass ausländische Investoren in großem Stil Immobilien zu Spekulationszwecken aufkaufen. Befeuert werden sie von Prestigeprojekten wie dem Royal Hamilius und der Stäreplaz, wo Vermögensgesellschaften und Fonds aus den Golfstaaten Luxustempel errichten. Auch die schnelle Wertsteigerung und die extrem hohen Preise in der Hauptstadt und Umgebung sind Indizien dafür, dass viele Immobilien inzwischen nur noch für institutionelle Investoren bezahlbar sind. Offizielle Belege dafür, dass deren Präsenz zugenommen hat, gibt es bislang nicht. Erst diese Woche haben die LSAP-Abgeordneten Mars Di Bartolomeo und Yves Cruchten eine parlamentarische Anfrage an den Finanzminister gestellt, um detaillierte Informationen zu Natur und Herkunft institutioneller Investoren zu erhalten.

Bis 2023 will die Regierung weitere Reformen durchsetzen, um gegen Spekualtion vorzugehen. Große Erwartungen werden in die Überarbeitung der Grundsteuer gesetzt, obwohl nicht einmal Vize-Premier Dan Kersch (LSAP) noch daran glaubt, dass sie die Spekulation eindämmen kann (vgl. d‘Land vom 14.05.2021). Mit der Einführung der Kategorie B6 wurde schon 2008 im Rahmen des Pacte Logement ein Instrument geschaffen, das es erlaubt, brachliegendes Bauland höher zu besteuern. Angewandt wurde es kaum. In lediglich zehn Kommunen liegt der Satz zwischen 1 000 und 1 500 Prozent, die meisten Gemeinderäte haben ihn zwischen 300 und 600 Prozent festgesetzt.

Diekirch II Die Stadt Diekirch hat den Grundsteuersatz B6 vergangenes Jahr von 750 auf 15 000 Prozent angehoben. Wenn ein Eigentümer für sein 1976 erschlossenes Grundstück bislang 28 Euro/Ar an Grundsteuern zahlte, werden es künftig 560 Euro sein. Eigentlich geht es der Gemeinde darum, die Besitzer dazu zu bewegen, seit Jahrzehnten ungenutztes Land endlich zu bebauen. Der Anwalt Jean-Marie Bauler legte kürzlich im Auftrag von 15 Eigentümer/innen rund um die frühere CSV-Bürgermeisterin Marie-Thérèse Boever Rekurs vor dem Verwaltungsgericht ein. Die Kläger/innen sehen ihr verfassungsverbrieftes Recht auf Privatbesitz verletzt, die drastische Erhöhung der Grundsteuer komme einer Enteignung gleich, heißt es in der Rekursschrift, die dem Land vorliegt. Bauler, der bis 2020 Vorsitzender der Mietkommission der Stadt Luxemburg war, wittert in der vom Gemeinderat einstimmig getroffenen Entscheidung ein Komplott des sozialistischen „Freundeskreises“ um Dan Kersch, Taina Bofferding und Claude Haagen, der in Diekirch ausloten wolle, wie hoch man mit der Grundsteuer gehen könne, erklärt er dem Land. Kerschs „Rückzieher“ habe ihm und seinen Mandant/innen eine gewisse Genugtuung verschafft. Mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts dürfte nicht vor Ende 2022 zu rechnen sein.

Die noch aktuelle Grundlage des Einheitswertes (valeur unitaire) zur Berechnung der Grundsteuer wird dieses Jahr 80. Das Innenministerium arbeitet bereits seit Jahren an einer Reform, die sich nun endlich zu konkretisieren scheint. Künftig soll der Wert jeder einzelnen Parzelle anhand ihrer geographischen Lage und ihres Baupotentials mit einem digitalen Modell neu bemessen werden. Als Grundlage für diese Berechnung dienen die neuen Allgemeinen Bebauungspläne (PAG). Damit das automatisierte Modell angewandt werden kann, müssten „alle oder fast alle“ PAGs in Kraft sein, heißt es aus dem Ministerium. 35 Gemeinden haben ihre Prozedur noch nicht abgeschlossen. Sieben haben noch nicht einmal damit begonnen (Dalheim, Kopstal, Lenningen, Sandweiler, Ulflingen, Vianden, Vichten).

Spekulation Der größten Oppositionspartei dauert das zu lange. Deshalb hat sie am Montag wiederholt eine landesweite Spekulationssteuer gefordert. Auch die Grünen sind einer nationalen Lösung nicht abgeneigt. DP und LSAP warten ungeduldig auf die Grundsteuerreform. Im ersten Pacte Logement-Gesetz hat der damalige Wohnungsbauminister Fernand Boden (CSV) bereits 2008 mit der Taxe spécifique eine kommunale Spekulationssteuer geschaffen, die aber nicht den erhofften Erfolg gebracht hat. Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) zufolge haben seitdem erst acht Gemeinden diese Gebühr eingeführt, nur zwei oder drei kleine Gemeinden erheben sie (laut Paperjam nur Beckerich und Esch/Sauer). In vielen Fällen scheiterte das Vorhaben schon an der Erfassung des Leerstands, die zu aufwändig und nicht mit dem Datenschutz vereinbar sei. Nicht zuletzt ist unklar, was die CSV überhaupt mit Spekulation meint. Agrarland und Immobilien, die für direkte Nachkommen reserviert sind, will sie davon ausnehmen. Wie der Nachweis bei der zweiten Ausnahme erbracht werden soll und wieso Personen ohne direkte Nachkommen von vornherein als Spekulanten gelten, ließ sie offen.

Gilles Roth meinte am Montag, die Gemeinden könnten brachliegendes Bauland bereits jetzt anhand der Daten zur Berechnung der Grundsteuer erkennen und leerstehende Wohnungen anhand der Wasser- und Stromrechnung oder der öffentlichen Müllsammlung ermitteln. Im Innenministerium ist man aber nach eingehender Prüfung zu dem Schluss gekommen, dass dieser Vorschlag in der Praxis kaum umsetzbar sei. Deshalb schlägt die Regierung einen anderen Weg ein. Mit dem digitalen Modell, das der Berechnung der Grundsteuer zugrunde liegen wird, will sie eine gerechtere Besteuerung erreichen. Da der Wert einer Parzelle sich alleine an ihrer geographischen Lage und ihrer potenziellen Baudichte orientiert, soll beispielsweise der Besitzer eines Einfamilienhauses, dessen Grundstück in einer Zone liegt, die dichte Bebauung erlaubt, künftig höher besteuert werden als der Eigentümer eines Einfamilienhauses, dessen Grundstück in einer Zone liegt, die nur eine geringe Baudichte vorsieht. Wie hoch die Sätze am Ende sein werden, steht noch nicht fest.

Die Oppositionsparteien déi Lénk und CSV haben in den vergangenen Wochen zurecht darauf hingewiesen, dass die von der Regierung angedachten Reformen die Wohnungskrise kurzfristig nicht lösen werden. Die CSV nutzte die Gelegenheit, um zugleich Kritik an der „grünen Ideologie“ und am Naturschutzgesetz zu üben, das den Bauherren im Wege stehe. Den privaten und gewerblichen Investoren will die Partei den Bau von Sozialwohnungen finanzieren, die diese dann „nach 15, 20, 25 oder 30 Jahren“ wieder auf dem freien Markt anbieten könnten, sagte Gilles Roth. Damit die von ihr institutionalisierte Tradition des Eigenheims für Familien der Mittelschicht erhalten bleibt, will die CSV die Steuerfreibeträge und den Bëllegen Akt erhöhen.

Halbherzig Von dieser subventionierten Marktlogik, die jahrzehntelang die Wohnungsbaupolitik in Luxemburg bestimmt hat und die Krise mit verursachte, hatten die Grünen schon unter Sam Tanson Abstand genommen und stärker auf die öffentliche Hand gesetzt. Außer CSV und ADR scheinen alle Parteien diesen Ansatz grundsätzlich zu unterstützen. Insbesondere von linker Seite wird aber kritisiert, dass manche Reformen nur halbherzig umgesetzt werden. Mit dem Pacte Logement 2.0 will der grüne Wohnungsbauminister Henri Kox private Bauherren dazu verpflichten, bei Neubauprojekten einen bestimmten Anteil an erschwinglichen Wohnungen zu bauen und dauerhaft an öffentliche Träger abzutreten (auf Antrag der Regierung wurde der Anteil im April reduziert). Der Staatsrat hat den Gesetzesentwurf in dieser Woche zum dritten Mal begutachtet und kaum noch etwas auszusetzen. Das neue Mietgesetz, das vor einem Jahr deponiert und Mitte Mai vom Staatsrat unter Androhung von zwei Oppositions formelles begutachtet wurde, muss nun im Wohnungsausschuss überarbeitet werden. Noch etwas länger dauern dürfte die Reform des Wohnungsbaubeihilfegesetzes, der Entwurf soll erst nach der Rentrée hinterlegt werden. Gleiches gilt für den Entwurf zum Baulandvertrag, der zwar schon 2017 deponiert und Ende vergangenen Jahres von der Regierung abgeändert, aber noch nicht vom Staatsrat begutachtet wurde.

Luc Laboulle
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