Als die neue DP-Verteidigungsministerin Yuriko Backes vorigen Samstag im „Background“ von RTL-Radio zu Gast war, drückte sie sich bisweilen ziemlich martialisch aus. Luxemburg müsse „auch boots on the ground bereitstellen“. Das sei eine Frage der Solidarität im Nato-Bündnis. Oder: „Wer den Frieden will, muss den Krieg vorbereiten.“ Vielleicht wollte die gelernte Diplomatin der Öffentlichkeit damit gerade jetzt klarmachen, dass die Armee etwas Besonderes sei. Denn ganz akut müssen Backes und die Regierung sich darum kümmern, einen Konflikt mit der Staatsbeamtengewerkschaft zu kontrollieren. Als im Juli die damalige DP-LSAP-Grüne-Mehrheit daran ging, ein neues Organisationsgesetz für die Armee zu verabschieden, hatte die CGFP einen Streitfall ausgerufen und ein Schlichtungsverfahren beantragt. Der damaligen Regierung warf sie vor, das im Dezember 2022 unterzeichnete Gehälterabkommen für den öffentlichen Dienst zu brechen.
Das Abkommen hält insbesondere fest, das 2015 mit der Reform des Beamtenstatuts eingeführte Bewertungssystem nur für Anwärter/innen auf Verbeamtung beizubehalten, sonst jedoch abzuschaffen. Ein Gesetz, das dies rückwirkend zum 1. Januar 2023 festlegt, fehlt noch, doch abgemacht ist abgemacht. Umso mehr entrüstete die CGFP, dass im Armeegesetz ein neuer Artikel 32 für Berufsmilitärs der großherzoglichen Truppe eine „appréciation des qualités professionnelles et éthiques“ und eine „évaluation de la condition physique“ definieren sollte. Den Artikel hatte Backes’ Vorgänger François Bausch (Grüne) nur drei Wochen vor der Abstimmung im Parlament in den Gesetzentwurf einfügen lassen. Dass Bausch beteuerte, die Bewertung werde keinen Einfluss auf die Gehälter in der Laufbahn haben und sich nur auf den militärischen Dienstgrad beziehen, half nicht. Die CGFP fürchtete ein Trojanisches Pferd, durch das die Bewertung von Beamt/innen – und Berufsmilitärs sind das – wiederkäme. Vor allem: durch ein Gesetz. Wenn das bei der Armee so laufen könnte, dann vielleicht demnächst auch bei der Polizei, dem Zoll, dem CGDIS oder einer anderen Verwaltung?
Am 21. Juli, dem letzten Sitzungstag in der letzten Sitzungswoche vor den Sommerferien und vor den Wahlen, als die Abgeordnetenkammer in Marathonsitzungen über Gesetze abstimmte, wurde das Armeegesetz bei Enthaltung von Linken und Piraten angenommen. Politisch interessant für die heutige Regierung ist, dass die CSV-Fraktion „pacta sunt servanda“ erklärte, eine separate Abstimmung über Artikel 32 verlangte und den Artikel ablehnte. Immerhin war auch Wahlkampf. Der CGFP den Rücken zu stärken, konnte nicht schaden. Dieses Votum kann die heutige Regierungspartei schlecht ungeschehen machen. Ganz so deutlich wie die Verteidigungsministerin, die RTL erklärte, die Regierung habe „nicht vor“, die Bewertung bei der Armee wieder abzuschaffen, ist die CSV nicht. „Uns fehlt immer noch Klarheit“, sagt Fraktionschef Marc Spautz dem Land. Soll vor allem heißen: Die CSV-Fraktion hat Zweifel, wie formell „appréciation“ und „évaluation“ der Berufsmilitärs geregelt sein müssen. Am 21. Juli hatte die damalige Mehrheit behauptet, „dans toutes les autres forces armées au sein de l’Union européenne et de l’OTAN“ existiere, was Luxemburg dabei sei, einzuführen. Spautz ist sich da nicht sicher. Die CGFP auch nicht: „Es gibt dazu keine Nato-Norm, wir haben das recherchiert“, sagt Gewerkschaftssprecher Max Lemmer.
Mehr vom Militärischen zu reden als vom der CGFP heiligen Prinzip der „unicité“ des öffentlichen Dienstes, ist vielleicht ein Ansatz zur Lösung des Konflikts. Die CSV könnte ihr „pacta sunt servanda“ vom Juli wahrscheinlich retten, wenn mit der CGFP festgehalten würde, dass die Armee etwas „Besonderes“ ist und eine besondere Formel für die Bewertung bei ihr gefunden werden soll, die nicht verdächtig wäre, den Gehältervertrag auszuhebeln. Auch die vorige Regierung wollte es sich nicht mit der Staatsbeamtengewerkschaft verderben, zumal im Wahlkampf. François Bausch sagte im Parlament, er sei nicht „Demandeur“, die Bewertung der Militärs unbedingt in ein Gesetz zu schreiben; die blau-rot-grüne Mehrheit verabschiedete eine Motion, die „den Minister mandatiert“, Artikel 32 vielleicht in ein „anderes juristisches Instrument“ zu verfrachten. Die CSV stimmte nicht zu: „Pacta sunt servanda“ bedeute etwas Anderes.
Seit Freitag vergangener Woche ist die Fokussierung auf allein das Militärische die Piste, welche die Schlichterin festgehalten hat. Sie gab der CGFP nicht Recht darin, dass der Streitfall ein „allgemeiner“ sei, der den gesamten öffentlichen Dienst betreffe, sondern er sei „sektoriell“ und beziehe sich nur auf die Armee. Wie die CGFP damit umgeht, ist nun die Frage. „Das müssen unsere Gremien entscheiden“, sagt CGFP-Sprecher Lemmer. Klar sei, dass die CGFP nicht akzeptieren werde, dass irgendwo im Staat noch das Bewertungssystem gilt. Um daran keinen Zweifel zu lassen, kündigte sie in einer Pressemitteilung nach der Schlichtungssitzung vom vergangenen Freitag „weitere gewerkschaftliche Schritte“ an.
Doch selbst wenn die Diskussion sich nur auf die Armee konzentriert, ist nicht garantiert, dass sie konfliktfrei verläuft. Verglichen mit den Bewertungen für den Dienstgrad, wie sie seit den Fünfzigerjahren vorgenommen wurde und zunächst in ministeriellen Erlässen, später in großherzoglichen Verordnungen stand, ist das System in Artikel 32 des Armeegesetzes komplex. Das Leistungsniveau zum Erreichen des nächsten Dienstgrads würde mit insuffisant, passable, bon, très bon oder excellent bewertet, aus Punkten, die in „professionellen“, „ethischen“ und „physischen“ Evaluationen gewonnen werden. Doch schon im Sommer hatte die Armeegewerkschaft Spal, die sehr eng mit der CGFP verbunden ist, erklärt, „ethisch“ sei so dehnbar, dass Willkür nicht auszuschließen sei. Würden die Diskussionen um das Bewertungssystem „sektoriell“ geführt, müssten neben, wenn nicht gar statt der CGFP, der Spal, aber auch der Offiziersverband Apol und die Lëtzebuerger Ënneroffizéieschgewerkschaft am Tisch Platz nehmen. Alle mit eigener Sicht auf die Bewertung. Immerhin aber wäre dann wohl CSV-Beamtenminister Serge Wilmes weniger beteiligt. Dass er nicht auf sie zugegangen ist, nach dem „pacta sunt servanda“ der CSV vom Juli, trägt die CGFP ihm nach. Die neue Verteidigungsministerin ist unbefangener. Und sie weiß ja schon, wer den Frieden will, muss den Krieg vorbereiten.