Vor zwei Wochen nahm der Staat eine Anleihe über 2 500 Millionen Euro auf. CSV-Finanzminister Gilles Roth erklärte: „Die Anleihe war geplant. Sie soll uns mittelfristig ein Liquiditätspolster verschaffen, insbesondere um ein Haushaltsdefizit zu decken, das bis Ende 2025 entstehen könnte“ (Luxemburger Wort, 22.9.25).
Dem CSV-Abgeordneten Gilles Roth waren Liquiditätspolster zuwider: „An ech erënneren do un den Artikel fënnef aus dem Kontabilitéitsgesetz vun 1999: ‚Les recettes provenant de l’émission d’emprunts ne peuvent servir qu’au financement de projets d’investissements de l’État‘“ (14.12.22).
Zwischen 2019 und 2021 hätte der Staat billig investieren können. In den Wohnungsbau, den Klimaschutz. Damals waren Staatsanleihen zinslos. DP, LSAP, Grüne hätten die Gelegenheit nutzen können, um massiv Geld zu leihen. Sie hatten Angst vor den Austeritäts-Aposteln der CSV, der Zentralbank, des Rechnungshofs. Die neue Anleihe kostet den Staat 2,9 Prozent Zinsen: 72,5 Millionen Euro jährlich.
Ein Liquiditätspolster ist vonnöten. In der Erklärung zur Lage der Nation kündigte Premier Luc Frieden an, „net bis 2030 ze waarden, mee dat Zwee-Prozent-Nato-Zil bis Enn dës Joers ze erreechen“ (13.5.25). Der Militärhaushalt für 2025 sah Ausgaben von 723,5 Millionen Euro vor. Zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens machen 1 200 Millionen aus: Plötzlich wird eine halbe Milliarde mehr gebraucht.
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt erhöht die neue Anleihe die Staatsschuld auf 27,2 Prozent. Im Vergleich zu anderen Staaten ist das lächerlich gering. Weil der Staat seine Dienste anbietet bei der globalen Umverteilung von Jenny a Männi zu Jeff Bezos. Und sich dabei an der Steuerbemessungsgrundlage anderer Staaten gütlich tut.
Trotzdem steigt die Staatsschuld. Seit dem Ende der Covid-Krise vor drei Jahren stagniert die Wirtschaft. In der Erklärung zur Lage der Nation kündigte Luc Frieden einen „defense bond“ an: eine Kriegsanleihe. Zudem versprach er: „Zur Mitte der Legislaturperiode wird es zu einer weiteren Senkung der Körperschaftssteuer kommen“ (Luxemburger Wort, 17.9.25). Die Hochrüstung, die Abschaffung der Einkommensteuerklassen, die Senkung der Körperschaftsteuer, die Bezuschussung von Rentenversicherung, Krankenversicherung vereiteln einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Das Defizit wird finanziert mit aufgeschobenen Investitionen, Buchhaltungstricks – und mit Anleihen.
Deshalb muss eine heilige Kuh der Haushaltspolitik geschlachtet werden. Nach der Bankenrettung 2008 wuchs die Staatsschuld. Alle Parteien wollten sie auf 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzen. Die Hälfte des von den Maastrichter Kriterien erlaubten Satzes. Um dem Finanzkapital Orthodoxie, Stabilität zu demonstrieren. Den Lohnarbeitenden die Maßlosigkeit sozialer Forderungen.
Sanft bereitet Gilles Roth das Publikum auf das Ende des 30-Prozentlimits vor: „Die 30 Prozent-Grenze ist keine rote Linie. [...] Und nur weil wir diese Marke vorübergehend überschreiten würden, würden uns die Ratingagenturen nicht automatisch herabstufen“ (Luxemburger Wort, 22.9.25).
Vor solcher Disziplinlosigkeit warnte einst der Abgeordnete Gilles Roth: „De Plaffong vun den 30 Prozent“ sei „mat der OCDE vu Paräis, mat dem FMI vu Washington a virun allem mat de Ratingsagencen esou festgehalen. [...] An en Opgi vun den 30 Prozent, seet och ganz kloer de Bréif, dat wier en Opgi vun der Budgetsdisziplinn“ (14.12.22).
Als Abgeordneter verlangte Gilles Roth von DP, LSAP, Grünen „d’Nees-Aféierung vun enger sougenannter ‚norme budgétaire‘“. Um die Ausgaben „un de Wirtschaftswuesstum, un d’Inflatioun an och un d’Einnamen“ zu binden (14.12.22). Dann müssten Rüstungsausgaben, Steuersenkungen durch Kürzungen in anderen Ressorts finanziert werden. Wozu die Regierung sich seit dem 28. Juni kaum noch traut. Luc Frieden kündigte eine „entspannte Klimapolitik“ an. Statt einer Haushaltsnorm versucht sein Finanzminister eine entspannte Budgetpolitik.