Falmagne, Thomas: Die Echternacher Handschriften bis zum Jahr 1628 ...

Aufstieg und Niedergang einer Klosterbibliothek

d'Lëtzebuerger Land vom 25.02.2010

Ohne das weit verbreitete Gift der Halbherzigkeit, des Amateurismus und der falschen Sparsamkeit hat die Nationalbibliothek – zugegeben, auf einem etwas abseits liegenden Gebiet – ein Jahrhundertwerk begonnen: den Katalog der Handschriften des Großherzogtums Luxemburg. Nach einer internatio­nalen Ausschreibung beauftragte sie den Handschriftenexperten Thomas Falmagne mit der teilweise im Frankfurter Handschriftenzentrum durchgeführten Beschreibung der hierzulande aufbewahrten mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Manuskripte. Das Kulturministerium, die Deutsche Bank und der nationalen Forschungsfonds bezuschussten das aufwändige Vorhaben.

Nun konnte Falmagne nach sechsjähriger Arbeit und mit Unterstützung von Luc Deitz, dem Leiter der Zimelienabteilung der Nationalbibliothek, den ersten und wohl imposantesten Teil vorlegen, den im renommierten Harrassowitz-Verlag veröffentlichten Katalog Die Echternacher Handschriften bis zum Jahr 1628 in den Beständen der Bibliothèque nationale de Luxembourg sowie der Archives diocésaines de Luxembourg, der Archives nationales, der Section historique de l’Institut grand-ducal und des Grand Séminaire de Luxembourg.

Wenn im Zusammenhang mit Echternach die Rede von Handschriften geht, beschränkt sich das Augenmerk auf die paar bekannten Prunkhandschriften, die das Skriptorium der Benediktinerabtei Mitte des 11. Jahrhunderts für den Export produzierte, und die sich so zwangsläufig außer Landes befinden. Der vorliegende Katalog befasst sich dagegen mit den vor allem theologischen, philosophischen und pädagogischen Handschriften aus der Echterna­cher Klosterbibliothek, von denen vielleicht die Hälfte in Echternach entstanden sind.

Auf fast 800 Seiten werden 89 Handschriften, 154 Fragmente und 18 handschriftliche Zusätze zu gedruckten Büchern aus dem siebten bis 17. Jahrhundert beschrieben. Norm für die exakte Beschreibung von Inhalt, Material, Schrift, Blätter, Lagen, Format, Einband, Herkunft, Illustrationen, Bibliographie undsoweiter sind die Richtlinien zur Handschriftenkatalogisierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die alleine schon ein hundertseitiges Handbuch füllen.

Dabei erforscht Falmagne in einem Kommentarband erstmals die Geschichte der Klosterbibliothek, die wohl aus einer Missionsbibliothek entstand, um das Jahr 800 eine der großen des Abendlands zu sein schien, dann aber wiederholt mit den politischen Ambitionen und Ordensreformen der Abtei an Bedeutung verlor. Er versucht, nicht nur den Bestand, sondern auch die Organisation und sogar die räumliche Gliederung der Bibliothek zu rekonstruieren, weist darauf hin, dass die Manuskripte der Willibrord-Abtei neben irischen auch südeuropäische Einflüsse tragen, und macht das Inventar der 1802 nach Paris in Sicherheit gebrachten Handschriften. So konnten rund 150 weitere Handschriften und Fragmente in Luxemburger Bibliotheken erstmals der Echternacher Bibliothek zugewiesen werden.

Falmagne hebt besondere Funde hervor, wie die älteste hierzulande erhaltene Schrift, ein Blatt von Papst Gregors I. Dialogi aus dem späten siebten Jahrhundert, einen Turm der Weisheit in einer Handschrift des Staatsarchivs aus dem 15. Jahrhundert, eine Abacus-Abbildung im Einband der Riesenbibel oder die berühmten Hisperica-Famina-Fragmen­te aus dem neunten Jahrhundert. Dass es bei manchen Funden abenteuerlich zuging, kann man der einen oder anderen Fußnote entnehmen: „Die 44 Fragmente enthaltende Sammlung fand sich in einem Schrank mit Archivalien; die 12 Fragmente enthaltende Mappe wurde im Büro der Direktorin wiedergefunden.“ (Bd. I, S. 82)

Geplant ist ein zweiter Katalog der Manuskripte der Abtei Orval und ein dritter der Manuskripte der Benediktiner, Dominikaner, Franziskaner und Jesuiten der Hauptstadt. Bliebe noch die Abtei Clerf, doch der Catalogue des manuscrits de l’abbaye de Clervaux ist bereits 2006 in der Serie Encyclopédie bénédictine als weit bescheidenerer Band II der Bibliotheca manuscripta monasteriorum belgii erschienen, nach den Normen des französischen Guide pour l’élaboration d’une notice de manuscrit für 14 Handschriften bis zum Jahr 1500 und mit einer summarischen Liste von 232 jüngeren.

Thomas Falmagne unter Mitwirkung von Luc ­Deitz: Die Echternacher Handschriften bis zum Jahr 1628 in den Beständen der Bibliothèque nationale de Luxembourg sowie der Archives diocésaines de Luxembourg, der Archives nationales, der Section historique de l’
Romain Hilgert
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