Luxemburg will zur führenden Nation im Abbau von Rohstoffen im All werden. Das ist nicht alles nur ein Werbegag und Science-Fiction

Weltraumwirtschaft

d'Lëtzebuerger Land du 10.06.2016

„The future of space colonization and industrialization can now be visualized“, meldete Planetary Resources am 7. Januar 2016. Da hatte das US-Unternehmen zusammen mit der Firma 3D Systems auf einer Bühne in der Wüstenstadt Las Vegas das erste 3D-gedruckte Element aus Asteroiden-Metall vorgestellt. Das Asteroiden-Gestein wurde unter Vakuumverschluss eingeschmolzen, gaszerstäubt und in Pulver verwandelt, mit dem der Drucker befüllt wurde. Wie ein Raumschiff aus einem Science-Fiction-Roman sieht die gedruckte Struktur aus.

Im Vergleich wirkt der Dolch, den der junge Pharao Tutanchamun beim Übergang in die Ewigkeit bei sich hatte, trotz der filigranen Goldverzierung am Handgriff, geradezu bodenständig. Wie die ägyptischen Metallschmiedemeister am Nil genau bei der Anfertigung des Dolches vorgingen, mit dem sich der Pharao in den dunklen Tiefen des Jenseits verteidigen können sollte, bleibt noch zu klären. Fest steht aber, dass sie Planetary Resources in Sachen Weltpremiere bei der Herstellung von Objekten aus Weltallmaterial in der Wüste die Show vor mehr als 3 000 Jahren gestohlen haben. Das Eisen des Dolches, haben Wissentschaftler kürzlich festgestellt, ist aus Meteoritengestein gewonnen.

Nichtsdestotrotz feiert Planetary Resources den 3D-Druck als Meilenstein, weil er den Beleg liefern soll, dass sich Weltraummaterial in 3D-Druckern weiterverarbeiten lässt. Im April hatte die amerikanische Weltraum-Agentur Nasa zusammen mit der Firma Made in Space auf der Weltraumsta­tion ISS einen 3D-Printer erfolgreich getestet. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg hin zur Industrialisierung des Weltraums – wenn 3D-Drucker Weltraummaterial verarbeiten können und zwar im Weltraum, öffnet das völlig neue Möglichkeiten für die Weltraumwirtschaft.

Tatsächlich, nicht Weltwirtschaft, sondern Weltraumwirtschaft. „Unsere Vision ist es, neue Paradigmen zur Ressourcennutzung zu etablieren, die das Sonnensystem in das wirtschaftliche Einflussgebiet der Menschheit bringen“, schreibt Planetary Resources auf seiner Webseite über sich selbst. Hybris auf intergalaktischer Skala? Der Präsident und CEO der Firma mit Sitz in Redmond, Washington, Chris Lewicki, bezeichnet sich selbst in seinem Facebook-Profil als „President and chief asteroid miner at Planetary Resources“. Laut Lebenslauf war Lewicki „Flugdirektor“ der Mars-Rover Spirit und Opportunity. Er und seine Direktionskollegen haben führende Rollen bei den letzten fünf Mars-Missionen der Nasa gespielt, für die bei der Weltraumagentur Milliardenbudgets eingesetzt wurden. Vielleicht kann, wer einen Rover auf den Mars lenkt, einfach in anderen Dimensionen denken, als Normalsterbliche?

Die von Eric Anderson – O-Ton: „Asteroids are the oilfields of space“ – gegründete Firma steht kurz davor, mit der Luxemburger Regierung ein Memorandum of Understanding (MoU) zu unterzeichnen und ist damit das zweite US-Unternehmen, das sich zur Initiative Spaceresources.lu bekennt. Vergangenen Freitag gaben Staatsminister Xavier Bettel (DP) und Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) nach dem ersten Treffen des Beirats der Luxemburger Weltraum-Bergbau-Initiative eine Pressekonferenz, um die Fortschritte des im Februar vorgestellten Unterfangens bekannt zu geben (d’Land, 12.02.2016). Gelegenheit für Schneider, zu erklären, dass Luxemburg 200 Millionen Euro bereitstelle, um sich als eine der zehn führenden Länder in Sachen Nutzung von Weltraum-Ressourcen zu etablieren. „Falls notwendig auch mehr.“

Mit Deep Space Industries besteht bereits ein MoU. Luxemburg stellt Forschungsbeihilfen und Kredite bereit, um den Prospector X zu starten. Das Mini-Raumgefährt soll laut Firmenangaben in Luxemburg gebaut werden und binnen drei Jahren ins Weltall starten, um die Technologie zu validieren, die bei späteren Missionen eingesetzt wird. Auch Deep Space Industries – „Asteroid mining – an unlimited future for all mankind“ – kann Empfehlungsschreiben der Nasa aufweisen. Vergangenes Jahr behielt die Weltraumagentur zwei Forschungsprojekte der Firma zurück. Sie wird erstens fünf Tonnen künstliches Asteroidenmaterial herstellen, Übungsmaterial für die Nasa, anhand dessen Geräte und Prozesse für zukünftige Missionen getestet werden sollen. Und zweitens den Gebrauch von lehmhaltigen Lockerboden als Baumaterial im Weltraum erforschen – frühere Tests haben gezeigt, dass sich dieser Boden vakuumgetrocknet schnell und einfach erhärten lässt. Ausreichend erhärten, um damit bauen zu können.

An konkreten Aktionen haben Beirat und Regierung vergangenen Freitag bei ihrem Weltraumtreffen im Senninger Schloss laut Simon „Pete“ Worden, ehemaliger Nasa-Mitarbeiter, folgende zurückbehalten: Binnen sechs Monaten soll der Gesetzesrahmen, der es privatrechtlichen Firmen ermöglichen soll, Weltraummaterial abzubauen, in Besitz zu nehmen und zu verkaufen, geschrieben und im Parlament hinterlegt, wenn möglich noch verabschiedet sein. Außerdem soll der Beirat erweitert werden, vorzugsweise durch einen Asiaten oder eine Asiatin, um der Luxemburger Initiative globale Wirkung zu geben. „Junge Leute müssen zusammengebracht werden“, sagt Worden, eine Art Start-up-Initiative lanciert werden, wo weltraumbegeisterte Technikfreaks geholfen wird, ein Geschäftsmodell zu entwickeln und sie so nach Luxemburg zu lotsen. Ein Kalender von konkreten Schritten, die innerhalb der nächsten drei Jahre erfolgen müssen, soll erstellt werden. Auch um zu prüfen, ob die Firmen, mit denen die Regierungen Kooperationen eingeht, sich an die Abmachungen halten und Ergebnisse liefern. Und es müsse mit „gleichgesinnten Nationen“ geredet werden, um sich abzustimmen.

Wieso das nötig ist, wenn die Luxemburger Regierung, Deep Spaces Industries und Planetary Resources im Chor verkünden, dass der Weltraumvertrag von 1967, ähnlich wie die Hochseefischerei in internationalen Gewässern geregelt ist, den Bergbau im All erlaubt, auch wenn er verbietet, dass ein Staat Besitz von einem Himmelskörper nimmt?

„Was passiert, wenn zwei Gruppen auf dem gleichen Asteroiden aufkreuzen?“, fragt Pete Worden. Solche Fälle müssen seiner Ansicht nach die Regierungen unter sich klären. Wirtschaftsminister Etienne Schneider hat die Finanzen im Blick und erklärt: „Es werden gewaltige Investitionen notwendig sein, wenn wir diesen Bereich entwickeln wollen. Das können wir nicht alleine bewältigen. Deshalb müssen wir eine Strategie erstellen und klären, wer was macht. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind sehr interessiert und wollen ein MoU unterschreiben. Mein deutscher Amtskollege ist ebenfalls interessiert.“ Und weiter: „Wir wollen dabei ein ‚Hub‘ sein, alle diese Aktivitäten bündeln.“

Ob das Gesetz, das schnellstmöglich durchs Parlament soll, also eigentlich dazu dient, den auf Private-Banking spezialisierten Finanzstandort auf „Space-Banking“, also die Finanzierung von Weltraummissionen und -projekten umzupolen?

Denn das Kapital, die Zusammensetzung des Firmenkapitals, ist das Detail, in dem sich der Luxemburger vom amerikanischen Space Act unterscheiden wird. Vergangenen Herbst hat US-Präsident Barack Obama den U.S. Commerical Space Launch and Competitiveness Act unterzeichnet, der privatrechtlichen Firmen den Bergbau im All und die Rückführung der gewonnenen Materialen zur Erde sowie deren Verkauf erlaubt. Doch wie Pete Worden und Etienne Schneider erklären, war die weltraumfahrende Nation USA nicht ganz so weitsichtig, wie die Luxemburger. Nur amerikanische Firmen, mit amerikanischen Investoren, können die durch den Space Act etablierten Rechte beanspruchen. Wenn der Luxemburger Staatsminister in Zukunft seine Unterschrift und seinen Stempel auf Lizenzen für Schürfrechte im All setzt, wird es ihm egal sein, woher das Geld kommt, mit dem die Missionen finanziert werden. Via Luxemburg können Investoren aus dem Rest der Welt ihr Geld in der Zukunftsindustrie Asteroidenbergbau anlegen. Außerdem erwartet sich Worden, dass Luxemburg bei den Exportbedingungen weniger restriktiv sein wird als die USA. „Wenn sie Material verkaufen, wollen Sie die flexibelsten Möglichkeiten“, so Worden. „Eines der Probleme der USA ist, dass es viele Exportbeschränkungen gibt, die die Ausfuhr erschweren.“

Nicht nur deshalb lässt sich erklären, warum es ausgerechnet US-Firmen sind, die sich bisher in Luxemburg niedergelassen und ein MoU unterzeichnet haben beziehungsweise eines unterzeichnen werden, wenn doch die USA bisher das einzige Land sind, das einen Space Act verabschiedet hat. „Die USA haben keine Tradition dessen, was ich als private-öffentliche Zusammenarbeit bezeichnen würde“, sagt Worden. „Die Nasa stellt Daten und Informationen zur Verfügung. Aber sie tritt nicht als Partner auf. Während wir in eine neu Ära übergehen, wird es aber sehr wichtig [für Firmen], den Rückhalt einer Regierung zu haben, die bei den juristischen Aspekten helfen kann.“ „Wir wollen dies als Regierung“, sagt Schneider. Laut und deutlich wird diese Botschaft, sogar via Telekonferenz, in alle Welt gesendet, damit alle sie hören können.

Wie viel sich die Luxemburger Regierung „die gewaltigen Investitionen“ genau wird kosten lassen, ist noch nicht ganz klar, ebenso wenig, wofür wie viel Geld ausgegeben wird. Die Experten, die die Regierung beraten und als Aushängeschilder fungieren, neben Pete Worden gehören dazu bisher der ehemalige Direktor der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, Jean-Jacques Dordain, und der ehemalige Beamte im Wirtschaftsministerium und Generalkonsul in San Francisco, Georges Schmit, arbeiten kaum umsonst. Für die Ausarbeitung des richtigen Gesetzesrahmens dürfte einiges an Kosten anfallen. Wie viel Geld die Regierung Deep Space Industries über welchen Weg für den Prospector X gibt, hat sie bisher nicht erklärt.

„Wir werfen nicht einfach mit Geld nach den Leuten“, beschwichtigt Etienne Schneider. Je nach Projekt könnten ESA- oder EU-Programme angezapft, und wiederum je nach Projekt sogar zu 100 Prozent finanziert werden, „ohne dass wir unser eigenes Geld brauchen“, erklärt der Wirtschaftsminister. Dabei überlegt er, ob sich die Regierung auf die bereits in Erwägung gezogene direkte Beteiligung an den eventuellen Luxemburger Filialen von Raumfahrt-Unternehmen beschränken soll, oder auch ins Kapital der Mutterkonzerne einsteigen sollte. Im Verwaltungsrat von Planteray Resources, schwärmt Schneider, und im Investorenkreis, sei die Crème-de-la-crème an Hightech-Investoren vertreten. „Da machst du die weitere Wirtschaftsprospektion am Tisch des Verwaltungsrats.“ Damit wäre eine der Fragen, was Luxemburg im Gegenzug für die Investitionen zurückbekommt geklärt: Kontakte.

Der redselige Franzose Jean-Jacques Dordain erklärte am Freitag, eines der Hauptziele sei es, Unternehmer nach Luxemburg zu locken. Junge, motivierte, weltraum-enthusiastische Unternehmer. Sie sollen Technik mitbringen und neu entwickeln, die nicht nur im Weltraum, sondern auch auf der Erde eingesetzt werden kann. Und somit helfen, die heimische Wirtschaft weiter wachsen zu lassen, und Luxemburg, wie Worden sagt, zum Silicon Valley für die Weltraumressourcennutzung werden zu lassen.

Planetary-Resources-Mitbegründer Eric Anderson sagte Bloomberg-Reportern vor zwei Jahren großmäulig, für 2016 ziele man einen Markt an, der 500 Milliarden Dollar wert sei. Dazu müssten fünf bis zehn Milliarden investiert werden. Die Bloomberg-Reporterin, die ihn am Rande der Milken Global Conference interviewte, kreischte aufgrund dieser Zahlen vor Vergnügen. „Wir sind ein Bergbauunternehmen“, sagte Anderson und stellte den tonnenweisen Abbau von Edelmetallen wie Platin in Aussicht.

Der ehemalige Nasa-Funktionär Pete Worden quietscht nicht vor Aufregung, wenn er vom Ressourcenabbau redet. Er hat einen ungefähren Zeitplan und Ziele im Kopf, und eine Vorstellung, wie nicht nur Geld ausgegeben, sondern auch welches verdient werden soll, bis das erste Weltraum-Platin auf der Erde weiterverarbeitet werden kann. In den kommenden drei Jahren werden Erkundungsmissionen stattfinden – „wenn Sie Bergbau betreiben wollen, ist es ein Vorteil, wenn Sie wissen, wo ein guter Ort dafür ist“ –, um ressourcenreiche Asteroiden auszukundschaften. „Das wird der erste Markt sein, lange bevor Sie Rohstoffe abbauen können. Diese Daten werden eigentümerrechtlich geschützte Informationen sein, die verkauft werden können. Daran haben Bergbauunternehmen aus Kanada und den USA großes Interesse“, so Worden – besagte Unternehmen hätten sich bei ihm bereits gemeldet, sagt er. Wo es Wasser gibt, werde ebenfalls eine wichtige Information sein, denn Wasser wird der Weltraumtreibstoff der Zukunft sein. „Der aller­erste Markt“, fährt er fort, „wird einfach nur Treibstoff sein.“ Die Lebensdauer geostationärer Satelliten, wie die der SES, ist durch die Menge an Treibstoff begrenzt, die sie mit auf Orbit nehmen. Könnten sie dort wieder betankt werden mit Treibstoff, der im All gewonnen wird, wäre das ein großer Fortschritt, erklärt Worden.

Danach, sagt er, werde es um „Zeug gehen, das man im All braucht, und Zeug, das man im All benutzt“. Also immer noch nicht darum, Material zurück auf die Erde zu bringen. Weiterführende Missionen ins Sonnensystem seien heutzutage durch die Kosten begrenzt, weil es teuer ist, alles, was dafür gebraucht wird, vom Erdboden ins All zu schießen. „Man kann keine Mars-Station mit Material aufrechterhalten, das von der Erde dorthin geschafft wird. Das muss im All hergestellt werden.“ Die Herstellung im All, ist er sicher, wird bald billiger werden. Denn schon jetzt seien Erkundungstouren, wie die des Prospector X keine Sache von hunderten Millionen Euro oder Dollar mehr. Mit Raumschiffen von der Größe eines Aktenkoffers sei das eine Sache von ein paar Millionen oder ein paar Mal zehn Millionen. Wordens Zeitplan: Innerhalb eines Jahrzehnts könnte Treibstoff im All bereitgestellt werden. Weniger später dort Sonnensegel hergestellt werden. „In 20 Jahren wird das meiste, das wir im All benutzen, Zeug aus dem All sein.“ Ab wann „Zeug“, also Rohstoffe, im großen Stil zurück zur Erde gebracht wird? „Vielleicht Mitte des Jahrhunderts“. Ob sie miterleben, ob sie als Visionäre gefeiert oder als mondsüchtig ausgelacht werden, hängt also nur davon ab, wie alt Etienne Schneider und Georges Schmit, die treibenden Kräfte hinter spaceresources.lu, werden.

Michèle Sinner
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