LEITARTIKEL

Let’s make It happEn

d'Lëtzebuerger Land vom 02.07.2021

Seit es dem Kapitalismus (nach desaströsen Startschwierigkeiten) gelungen ist, den europäischen Kontinent zu befrieden und auch die meisten anderen großen Industrienationen dieser Welt Kriege nur noch in bestimmten Regionen weit abseits ihrer gesicherten Außengrenzen führen, wird der internationale Wettbewerb im Handel und in der Wirtschaft ausgetragen. Dem vor über 150 Jahren zur Neutralität verdammten und auf mächtige Alliierte angewiesenen Kleinstaat Luxemburg kommt das entgegen. Mit seiner blühenden Stahlindustrie und vorteilhaften Holding-Gesetzen hatte er sich schon früh positioniert, um in diesem globalen Wettbewerb bestehen zu können. Die Stahlindustrie ist inzwischen zusammengebrochen und auch der Finanzplatz hat in den vergangenen Jahren durch verleumderische Attacken von Neid geplagter Nachbarstaaten beträchtlichen Schaden erlitten. Wegen Finanzskandalen von der BCCI bis hin zu Lux-Leaks beschimpfen sie das kleine Großherzogtum immer wieder als hinterhältiges Steuerparadies, das (zwielichtige) Milliardäre und multinationale Konzerne dazu verführe, ihr Kapital mit Hilfe von hochbegabten Talenten entwickelten Firmenkonstrukten am Fiskus vorbeizuschleusen.

Diese Attacken sind natürlich unberechtigt, doch weil das kleine AAA-Land sich nicht anders zu wehren weiß, setzt es die Vorgaben von EU und OECD um und entwickelt sich nicht mehr nur in wirtschaftlicher, sondern nun auch in ethischer Hinsicht zu einem Musterschüler. Allerdings wurde schon vor Jahren befürchtet, dass die fortwährenden Angriffe und die neuen Spielregeln dazu führen könnten, dass Luxemburg für bescheidene Investoren und käufliche Talente weniger attraktiv wird. Deshalb hatte der sozialistische Wirtschaftsminister étienne Schneider 2013 die Idee, (nach dem Vorbild wirtschaftsliberaler Staaten wie Großbritannien) das Großherzogtum im Sinne der ökonomischen Diversifizierung als Ware auf dem Weltmarkt anzubieten. Damit eine Ware sich verkauft, muss sie ansprechend vermarktet werden. Bis zu 1,8 Millionen Euro investiert die Regierung eigenen Angaben zufolge jährlich in ihre corporate identity. Inzwischen prangen das penetrante X in den Nationalfarben und der dynamic claim Let‘s make it happen auf allen Gütern, die auch nur im entferntesten etwas mit Luxemburg zu tun haben. Im internationalen Kampf um Monopole, Mehrwert und Renditen sollen sie ein Qualitätsmerkmal darstellen. Mit Initiativen wie Luxembourg for Finance, Luxembourg for Trade and Invest oder Luxembourg for Tourism suchen Interessenverbände weltweit nach Investoren. Selbst die Kulturszene lässt sich immer häufiger auf ein Attribut des Wirtschaftsstandorts reduzieren.

Um bei der Erschließung neuer Märkte dem ökoliberalen Zeitgeist folgen zu können, streicht die in dieser Woche vorgestellte zweite Phase der Nation Branding-Kampagne die von dreckiger Industrie und zweifelhaften Finanzpraktiken geprägte zeitgenössische Geschichte aus dem kollektiven Gedächtnis und konstruiert den identitätsstiftenden Mythos eines vorindustriellen Bauernstaats mit fruchtbaren Böden, auf denen Ideen und Projekte besser als anderswo gedeihen. Diese Böden dienen als symbolische Wachstumsgrundlage für Nachhaltigkeit, Kreativität, Weltoffenheit und Innovation; und für Unternehmen aus den Bereichen Green Finance, Research und Space Mining. Steigende soziale Ungleichheiten und der gigantische ecological footprint werden einfach ausgeblendet; creative industries und free public transport in die Vitrine gestellt. Ob die hochtalentierten Hipster dieser Welt darauf abfahren werden, bleibt abzuwarten. Spätestens wenn sie in Luxemburg nach einer Wohnung suchen, werden sie merken, dass eine Busfahrkarte in den meisten anderen Städten gar nicht mal so teuer ist.

Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass Nation Branding immer dann am effizientesten ist, wenn es authentisch bleibt. Etwa wenn Xavier Bettel sich auf EU-Ebene für die Rechte von Homosexuellen engagiert oder Jean Asselborn Victor Orban und seine faschistoiden Verbündeten kritisiert. Nur ein Schelm würde dabei denken, dass es sich bei diesen Aktionen um geschickte Marketing-Coups zur Schönfärberei des Finanzplatzes handeln könnte.

Luc Laboulle
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