Als der amerikanische Futurologe Jeremy Rifkin seine Studie über die Industrie 3.0 vorgestellt hatte, fiel rasch auf, dass er die sozialen Folgen der von ihm gepriesenen technischen Veränderungen kaum erörtert oder bestenfalls mit einer Meistersinger-Idylle glücklicher „Prosumers“ verklärt hatte. Das darf man aber nicht Herrn Rifkin anlasten. Denn seine Auftraggeber, Wirtschaftsminister Etienne Schneider und die Handelskammer, hatten von Anfang an dafür gesorgt, dass das Lob der schönen digitalen Zukunft nicht in einer Tripartite versumpft, so dass sie die Gewerkschaften und Umweltvereine lieber nicht beteiligten. Um diese soziale Schlagseite etwas auszubalancieren, einigten sich Arbeitsminister Nicolas Schmit, die Salariatskammer und die Handelskammer nachträglich auf... eine weitere Studie.
Am vergangenen Freitag wurde die Studie Arbeiten 4.0 – Chancen und Herausforderungen für Luxemburg vorgestellt. Der Titel legt den Verdacht nahe, dass sie ein wenig eine Luxemburger Version des Weißbuchs Arbeiten 4.0 der deutschen Arbeitsministerin darstellen soll. Autorinnen sind an der Universität lehrende Forscherinnen zweier deutscher Institute, des wohl der Salariatskammer etwas näherstehenden saarländischen ISO und des vielleicht der Handelskammer sympathischeren ZEW.
Die Studie geht von dem üblichen Axiom aus, dass technische Neuerungen Naturgewalten sind, die nicht durchgesetzt werden, sondern sich durchsetzen, so dass man sich ihnen nur fügen kann, um keine Nachteile im Konkurrenzkampf zu erfahren. Dazu fasst sie einige nationale und internationale Statistiken zusammen, die bald die Finanzbranche, bald die Grenzpendler ausklammern, also ein sehr lückenhaftes Bild der heimischen Volkswirtschaft abgeben, und zitiert aus Interviews mit anonymen Funktionären von Berufsverbänden und Behörden, das heißt der Auftraggeber.
Wie es sich für ein reiches Land mit einem großen Dienstleistungssektor gehört, bekommt Luxemburg bescheinigt, im internationalen Vergleich ziemlich gut bei der digitalen Ausstattung und Ausbildung abzuschneiden, doch die Betriebe und der Staat seien im Hintertreffen. Sicherheitshalber versuchen die Autorinnen nicht, nach den Ursachen für diese Tatbestände und die anscheinend sehr hohe oder sehr niedrige Produktivität zu suchen. Als Anlass zum Optimismus wurde am Freitag bewertet, dass laut einer Umfrage für die Salariatskammer „nur“ jeder dritte Arbeiter und jeder vierte Manager (sic) befürchtet, binnen zehn Jahren durch die Digitalisierung seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Für jene, die ihren Arbeitsplatz nicht verlieren, will die Studie eine Intensivierung der flexibleren Arbeit zu jeder Zeit und an jedem Ort, auch mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen, nicht ausschließen. Digitale Plattformen und Crowdworking drohten, viele Scheinselbstständige vom gesetzlichen Mindestlohn und der Sozialversicherung auszuschließen, die Besteuerung der Grenzpendler wird am Rand erwähnt. Konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Arbeitsrechts machen die Autorinnen jedoch nicht, sie unterstützen dafür aber die Regierung im Bestreben, die Computerkenntnisse der Beschäftigten zu verbessern.
Bemerkenswert an der Vorstellung am Freitag war vor allem, dass die Auftraggeber kaum einen Hehl aus ihrer Enttäuschung über das 132 Seiten starke Papier machten, der Präsident der Salariatskammer, Jean-Claude Reding, hatte nichts weltbewegend Neues darin gefunden, der Präsident der Handelskammer, Michel Wurth, fand die Studie des deutschen Arbeisministeriums besser. Aber ausländische Experten werden nun einmal verpflichtet, um politische Entscheidungen wissenschaftlich zu legitimieren. Wer die von der weiteren Digitalisierung der Arbeitswelt erwarteten Produktivitätsgewinne einstecken soll, müssen die Sozialpartner schon unter sich ausfechten.