Ägypten-Touristen

Perche du Nil

d'Lëtzebuerger Land vom 17.02.2011

Heute loben wir die gemarterten Ägypten-Touristen. Man hat ihnen unvorstellbares Leid zugefügt. Voller Entsetzen haben wir diese Ärmsten der Armen beobachtet, als sie auf Findel mit verstörtem Blick und gebrochener Seele aus ihrem Flugzeug stiegen. Ein paar Unentwegte nur hatten noch die Kraft, sich lauthals zu beschweren über ihr ungerechtes Schicksal. Sie waren nach Ägypten gereist, um dem Volk ihre Solidarität vorzuführen, man hat sie buchstäblich rausgeworfen und schmählich in ihr Herkunftsland abgeschoben. Sie kamen sich elend und innerlich zertrümmert vor. So müssen sich Flüchtlinge fühlen.

Es geht ja hier nicht nur um einen versauten Urlaub. Der fröhliche Abstecher unter die ägyptische Sonne ist nichts als Tarnung. Wenn wir Luxemburger uns überwinden und gezielt in eine instabile Region reisen, tun wir es ja nicht zu unserem eigenen Vergnügen. Wir könnten uns ja auch nach Insenborn an den Stausee absetzen. Dort müssen wir zwar auf Pyramiden verzichten, aber die üppig bewaldeten Hügel sind auch nicht schlecht. Sowas haben die Ägypter nicht zu bieten. Wahrscheinlich sind sich diese Wüstensöhne gar nicht bewusst, was wir auf uns nehmen, wenn wir unsere eigenen touristischen Attraktionen im Stich lassen. Sie müssen uns ja nicht unbedingt mit überschwänglicher Geste danken. Das verlangen wir gar nicht. Aber sie könnten wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass wir uns freiwillig den ägyptischen Strapazen aussetzen, weil wir den Ägyptern unsere Freundschaft beweisen möchten.

Und was tun sie? Statt unseren Liebesbeweis freudig anzunehmen, veranstalten sie wochenlang einen schrecklichen Lärm auf ihren Straßen und Plätzen. Springt man so mit humanitär gesinnten Entwicklungshelfern um? Was soll diese absichtliche Ruhestörung? Was haben wir denn verbrochen? Wir opfern unser sauer verdientes Geld, wir stabilisieren die ägyptische Wirtschaft, wir versuchen ein Netz der aktiven Solidarität aufzubauen, und die Nutznießer fallen uns schändlich in den Rücken. Haben Sie schon einmal drei Tage auf einem Schiff auf dem Nil ausharren müssen, wenn Sie nur drei Stunden gebucht hatten? Schrecklicher kann es auch im Gefängnis nicht zugehen. Wir sind harmlose Touristen und werden plötzlich von Soldaten umzingelt. Zwar hat uns keiner wirklich drangsaliert, doch allein die Präsenz von Uniformierten ist ein krasser Verstoß gegen unsere Menschenrechte. Wenn wir in Ägypten sind, möchten wir uns auch frei bewegen. Fehlt nur noch, dass wir in unserem schönen Hotel plötzlich am wunderbaren Buffet bewaffneten Staatshütern über den Weg laufen. Wir werden uns ganz kräftig bei unserer Fluggesellschaft beschweren. Sie hat uns in die ägyptische Falle gelockt. Unsere Kinder sind traumatisiert. Die Schulreform macht ihnen schon schwer zu schaffen. Jetzt sind sie seelisch gestört und werden beim Kampf um den Kompetenzsockel schmählich versagen. Das alles nur, weil uns die undankbaren Ägypter buchstäblich verjagt haben.

Sagen wir es doch in aller Deutlichkeit: Wir sind ein Volk von friedliebenden Entwicklungshelfern. Wir tragen weder Schuld an unserer Herkunft, noch an unserem Reichtum. Und für die Lage der Ägypter können wir auch nichts. Wir haben den sonderbaren Herrn Mubarak nicht an die Spitze des ägyptischen Staats befördert. Da müssen die Ägypter schon selber Verantwortung übernehmen. Jedenfalls ist es gar nicht günstig, wenn man seine erklärten Freunde mit endlosen Straßenschlachten empfängt. In einem solchen Klima kann die Freundschaft nicht gedeihen. Und wenn unser wohlwollender Blick auf die Pyramiden getrübt ist, können wir keine kulturelle Seelenverwandtschaft empfinden. Sind sich die Ägypter überhaupt bewusst, wie leichtfertig sie unser Vertrauen aufs Spiel setzen?

Wir können natürlich auch anders. Für uns ist Ägypten jetzt endgültig aus dem Ferienkalender gestrichen. Wir werden in nächster Zeit einfach zu Hause bleiben und unser Geld in die eigene Wirtschaft pumpen. Hier sind wir wenigstens vor kindischen Volksaufständen sicher. Wer nichts Gescheiteres zu tun hat, geht auf die Straße. Das ist bei uns zum Glück nicht möglich. Schon allein wegen der maßlos verstopften Straßen. Die Automobilindustrie sorgt hier rührend für die Verhinderung schädlicher Straßenkrawalle. Und einen Armeeaufstand haben wir auch nicht zu befürchten. Unsere Armee hat sich in weiser Voraussicht zwei Oberbefehlshaber zugelegt. Und noch einen dritten, ehemaligen, der als Heckenschütze operiert. Also wird sich unsere Armee untereinander aufreiben, wenn es mal zum Ernstfall kommt. Das ist eine gute demokratische Einrichtung.

Mit Demokratie haben die Ägypter offenbar nichts am Hut. Sonst würden sie ihre spendabelsten Gäste nicht einfach aus dem Land ekeln. Am verwerflichsten ist natürlich, dass wir auf dem Tahrir-Platz gar nicht willkommen waren. Dabei haben wir uns eben erst eine mega-potente Spiegelreflexkamera geleistet. Die Ägypter wollen irgendwie keine tollen Bilder. Sie sind eben sehr rückständig. Wir sind heilfroh, in Luxemburg zu leben.

Guy Rewenig
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