Wer hat ihn nicht, den Coronaspeck? Wochenlanger Lockdown, Zwangsquarantäne und Homeoffice haben neben verlotterten Kleidungssitten (Hallo, Jogginghose!) überflüssige Pfunden beschert. Das viele Auf-dem-Sofa-Sitzen und der auf kleine Routen ums Haus beschränkte Ausgang an die frische Luft; vor allem aber die unzähligen Leckereien zwischendurch, um Langeweile und Leerlauf zu überbrücken, haben dafür gesorgt, dass die Lieblingsjeans oder das Lieblingskleid nicht mehr passen wollen und die Waage plötzlich zum gehassten Beichtstuhl wird.
Die Mutigen unter uns haben gleich nach den ersten, vom Premierminister angekündigten Lockerungsmaßnahmen versucht, das gewohnte Lauftraining wieder aufzunehmen. Aber angesichts schnaufender Damen und Herren ohne Masken, die das Petrussetal durchlaufen und Social Distancing augenscheinlich nur als gedankliche Übung verstehen, oder jenen die meinen, ein lässiger Kinn- oder Mundschutz erfülle doch denselben Zweck, wurde der gute Vorsatz schnell wieder fallengelassen.
Der Vorschlag eines Bekannten, (ein Arzt, er muss es wissen) doch auf ein Laufband umzusteigen und in den eigenen vier Wänden Kilometer zu machen (dabei wahlweise an kalifornischen Stränden oder über schottische Highlands-Hügelketten laufend) muss wegen der damit verbundenen Anschaffungskosten (läppische 5 000 Euro) auf wirtschaftlich bessere Zeiten verschoben werden. (Wer das Indoor-Laufen dennoch nicht lassen kann; die Spar-Version geht so: Mit nackten Füßen und Shorts in die Küche stellen. Wahlweise Spülmittel oder Speiseöl auf den Kachelboden kippen und zunächst langsam, dann immer schneller einen Fuß vor den anderen setzen. Bitte unbedingt am Spülbecken festhalten und das Gleichgewicht beachten. Man will ja nicht den Arzt anrufen, um nebenbei zu enthüllen, dass man sich die Jogging-Luxusvariante für Ärzte nicht leisten kann). Statt Laufband kann es auch ein Spinning Bike (um die 1 000 Euro) oder ein Indoor-Rudergerät (zwischen 300 bis 500 Euro, für kleinere Mietwohnungen aber eher ungeeignet) sein.
Wer Gemeinschaftssport liebt, kann sich übers Internet mit anderen Spieler/innen zusammentun: Runter vom Rasen, ran an die Konsole, ohne die Gefahr, sich über Schweiß und andere Aerosol-
partikel mit dem Virus anzustecken. Abwechselnd kann dann der Tennisball vom Stuhl aus oder stehend übers Netz gedroschen werden oder der Fußball per Daumenklick ins lange Eck versenkt werden. So ganz nebenbei tut das den Ordnungshüter/innen einen Gefallen: Vorbei die hysterischen Fußballfreunde, die während oder nach dem Spiel abgerissene Stadionsitze in die Reihen gegnerischer Fans schmeißen und nur mit einem Polizei-Großaufgebot einigermaßen geordnet wieder nach Hause gelangen. Um die eigene Wohnzimmergarnitur zu demolieren, muss mann schon ein arg dämlicher Hooligan sein.
Dann lieber das Fitnesszenter um die Ecke aufsuchen und ran an die Gewichte! Erste Hürde: Die Anmeldung funktioniert nur online und gilt nur für fest zugewiesene Zeitfenster. Nach zweimaligem Schwänzen (der Schweinehund musste zwischendurch Gassi geführt werden), gelingt der dritte Anlauf: Beim Betreten des Zenters weist die Trainerin mit den kräftigen Oberarmen mit strengem Blick auf die Desinfektionsflasche neben der Rezeption. Es bleibt nicht beim einmaligen Händereiben; ein Fläschen mit beißend riechendem Desinfektionsspray ist fortan Begleiter beim schier endlos dahin-mäandernden Fitnessparcours: statt Seufzen und Stöhnen ist in unregelmäßigen Abständen – Psscht, psscht– zu hören, wenn wieder jemand die Haltegriffe eines Fitnessgeräts von oben bis unten einnebelt.
Die Maske muss zwischen den Stationen aufbehalten werden, darf aber, einmal auf der Maschine eingerichtet, fürs Gewichtestemmen abgesetzt werden. Wer hier schon jammert und sich in seinem oder ihrem Freiheitsdrang beschränkt sieht: Das ist gar nichts gegen kalifornische Fitnessklubs, in denen Mitglieder in durchsichtigen, nach oben offenen betretbaren Plexiglasbehältern schwitzen müssen, und niemand wirklich sagen kann, ob der Schleier von der Anstrengung kommt oder durch die gestaute Hitze.
Wer sich bisher nur pummelig gefühlt hat, aber doch im Großen und Ganzen wohl in seiner Haut; dessen Selbstbewusstsein erhält spätestens hier im Maschinenraum einen Dämpfer: Die skeptische Trainerin betrachtet die eingestellten Gewichte, schüttelt den Kopf und befiehlt, auf ein Viertel des vorigen Übungsgewichts herunterzuschrauben. Wer das ignoriert, setzt spätestens am nächsten Gerät mit verzerrtem Gesicht freiwillig aus: Muskelzerrungen oder Muskelfaserrisse entstehen, wenn ein untrainierter Muskel ohne Aufwärmung über die Maße belastet wird, oft nach einer ruckartigen plötzlichen Bewegung. Etwas Gutes hatte der Besuch im Fitnesszenter also dann doch: Die Trainerin empfiehlt am Ende, leicht genervt, den Muskel die nächsten Tage vor Belastung zu schonen und das Bein lieber hochzulegen. Am besten auf die Couch.